Die Seidenstickerin
Gastwirt, der fieberhaft alles Nötige erledigte, und fleißige Dienstmädchen, die noch schnell die letzten Befehle ausführten, ehe es endlich wieder ruhig wurde.
Als Dame Le Guennec mit den beiden jungen Frauen auftauchte, befand sich das geschäftige Treiben auf seinem Höhepunkt, und der Zug formierte sich allmählich bei strahlend blauem Himmel, als es von der Kirche neben dem Gasthaus acht Uhr schlug.
»Sucht euch einen Platz in der Mitte, da seid ihr am besten aufgehoben, Mädchen. Das solltet ihr immer machen, und seid nur ja vorsichtig! Falls ihr aus irgendeinem Grund den Anschluss an die anderen verlieren solltet, was immer mal vorkommen kann, übernachtet unbedingt nur in guten Gasthäusern. Haltet Augen und Ohren offen, und verlasst euch auf euren gesunden Menschenverstand.«
Ein letztes Mal kontrollierte Dame Le Guennec die Maultiere samt ihrem Gepäck und vergewisserte sich, dass die Ballen gut befestigt waren und auch bei schlechten Straßenverhältnissen weder verrutschen noch herunterfallen konnten.
»Jetzt kommt her, und lasst euch küssen und umarmen. Ich wünsche euch eine gute Reise!«
Alix und Florine ließen also den Anfang des Konvois passieren und reihten sich ein, als sich der mittlere Teil der Kolonne in Bewegung setzte.
»Die Tuchmacher sind unterwegs!«, rief die Frau eines Kaufmanns fröhlich, dessen unbequemer Wagen laut quietschend über das holprige Pflaster schwankte.
Als sie Alix und Florine auf ihren Mulis entdeckte, lächelte sie ihnen zu und rief:
»Es haben sich heute aber nicht nur Tuchhändler auf den Weg gemacht! Einige wichtige Persönlichkeiten sind mit von der Partie. Es heißt, der Vogt von Amiens, zwei Bischöfe, zwei Teppichweber und ein Maler haben sich zu uns gesellt.«
»Zwei Teppichweber?«, fragte Alix aufgeregt. »Kennt Ihr ihre Namen?«
»Ach was, natürlich kenne ich hier nicht alle Namen, meine Hübschen! Eure kenne ich übrigens auch nicht. Ihr schaut sehr jung aus.«
»Ich heiße Alix, und das ist meine Freundin Florine. Wir sind beide sechzehn. Ich bin auf dem Weg zu meinem Mann, der Teppichweber in Enghien ist, in der Provinz Hainaut. Und meine Freundin …«
»… ich bin unterwegs nach Lille, wo mich meine Tante und mein Onkel verheiraten wollen«, unterbrach sie Florine und seufzte.
»Aber das ist doch wunderbar!«, meinte die Frau und hob ihren Rock, um in den Wagen zu steigen. »Mit sechzehn heiraten ist wunderbar, da könnt Ihr mit Euerm Mann schöne Kinder machen. Lauter schöne Kinder mit den gleichen blauen Augen wie Ihr sie habt.«
»Ja, schon«, seufzte Florine leise, »ich hätte schon gern Kinder, aber nur mit dem Mann, den ich mir aussuche und den ich liebe.«
Alix nickte eifrig. Wie gut verstand sie ihre Freundin! Ganz bestimmt hätte sie nicht mit irgendeinem anderen Mann als Jacquou Kinder machen wollen.
»Ich heiße Marinette, aber hier nennt mich jeder Dame Franchoux. Wenn Ihr Schwierigkeiten habt, kommt einfach zu mir. Wenn ich kann, helfe ich Euch gern. Ja, ja, Ihr seid eigentlich wirklich viel zu jung, um ohne männlichen Schutz zu reisen!«
Und dann kletterte sie in den schaukelnden Wagen, den ihr Mann etwas ungeschickt lenkte. Meister Franchoux war eben Kaufmann und nicht Kutscher und saß gar nicht gern da oben auf dem unbequemen Kutschbock.
In den ersten Tagen erreichte der Tross ohne Zwischenfälle Amiens und Arras. Jeden Abend erkundigten sich die beiden Mädchen, in welchen Gasthäusern die Tuchhändler abstiegen. Wenn ihnen die zu teuer waren, fragten sie, ob sie die Nacht im Stall neben ihren Mulis verbringen dürften – was damals durchaus üblich war.
Dazu muss man wissen, dass die reichen Tuch- und Wollwarenhändler oft in der Lage waren, in den angesehenen und teuersten Häusern vor Ort abzusteigen. Und eine einzige Nacht in einem dieser Gasthäuser kostete so viel wie drei oder vier Nächte in einer einfachen Herberge.
Also schliefen die beiden Mädchen fast jede Nacht im Stall und baten nur um einen Verschlag für ihre Tiere und um frisches, sauberes Stroh, das sie sich mit ihnen teilten.
Die Bürgersfrau Dame Franchoux war um die vierzig, etwas eitel, aber zuvorkommend und vermutlich längst nicht so reich, wie die viel bedeutenderen Händler, die mit dem Konvoi reisten. Aber zusammen mit ihrem Herrn Franchoux hatte sie in dem wohlhabend Pariser Tuchhändlerviertel ein schönes Ladengeschäft. Eines Morgens kam sie zu Alix und Florine und lächelte sie vergnügt an.
»Ich habe heute früh
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