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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Rücken seines geliebten, treuen Pferds durch die Gegend, das jeden Weg kannte, jeden Umweg und jede Gefahr und unseren jungen Reiter weit über die Grenzen des Herzogtums Blois hinaustrug.
    Nicht zuletzt fand das brave Pferd auch den Weg zu manch einer einsamen Herberge, wo gelegentlich einige Zimmermädchen, gut im Heu versteckt, ihren Herrn erwarteten.
    Louis d’Orléans war kein schlechter Mensch, ganz im Gegenteil, je nach Situation zeigte er sich sehr großzügig und verteilte das Geld, das er in der Tasche hatte, freigiebig und nach Lust und Laune.
    Spontan, hitzig, von der Mutter verzogen, launisch, manchmal recht sonderlich und ständig seinen frühreifen sinnlichen Eingebungen ausgeliefert, konnte die traurige Heirat, zu der man ihn gezwungen hatte, seine Veranlagung eigentlich nur noch weiter ausprägen.
    Trotzdem überwachte der unerbittliche Louis XI. seinen Schwiegersohn in den folgenden drei Jahren streng und sorgte dafür, dass er seiner Gattin regelmäßige Besuche abstattete, um seinen ehelichen Pflichten nachzukommen.
    Wie man sich denken kann, sträubte sich Louis gegen diese Pflicht, woraufhin den Anweisungen schlimme Drohungen folgten; der junge Mann musste jede List anwenden, so auch waghalsig geplante Lügen, die seinem Wesen widersprachen, um der Überwachung durch seinen Schwiegervater zu entkommen.
    Dennoch ließ es sich nicht immer vermeiden, dass Louis damit konfrontiert wurde, was er seine Strafe nannte, nämlich hin und wieder mit seiner jungen Gattin zusammenzutreffen.
    Natürlich hatte Maria von Kleve ihren Sohn nicht zu einem Flegel erzogen. Louis konnte sehr liebenswürdig, zuvorkommend und höflich sein, wie es sich eben für das Leben am Hof der Valois ziemte. Das änderte aber nichts an der entscheidenden Frage. Wie benahm sich dieser junge Schönling gegenüber einer so hässlichen Prinzessin?
    Nun – er kehrte ihr den Rücken, sobald er sie geziemend begrüßt hatte und verließ den Raum, ehe Jeanne Gelegenheit fand, mit ihrer sanften Stimme etwas Liebevolles zu ihm zu sagen.
    Blieb aber die heikle Frage der ehelichen Pflicht, die immer wieder von dem gnadenlosen Louis XI. aufgeworfen wurde und an die er den jungen Herzog ständig erinnerte.
    Als er schließlich nachgeben musste, hieß es, Louis hätte Mädchen kommen lassen, die frech und verführerisch vor der Tür von Jeannes Zimmer warten mussten, um ihn in Empfang zu nehmen, sobald er es verlassen hatte.
    Was die besagte eheliche Pflicht anbelangt, behaupteten einige, dass sich in dem Zimmer überhaupt nichts abgespielt hätte, andere berichten von seltsamen Geräuschen und Gemurmel. Wie auch immer – Jeanne wurde nie schwanger, und Louis klammerte sich an den Gedanken, dass er eines Tages wieder frei sein würde.
    Die folgenden Jahre waren für Jeanne sehr einsam, für Louis sehr stürmisch. Nach dem Tod Louis XI. sah man ihn ständig die Politik der Beaujeu hintertreiben; das ging sogar so weit, dass er Aufstände gegen das französische Heer anzettelte, als es die Bretagne anzugreifen drohte.
    Louis beteiligte sich erbittert am »Verrückten Krieg«; wahrscheinlich um sich an Anne de Beaujeu zu rächen, die einerseits früher einmal Gefühle für ihn gehegt, andererseits nichts unternommen hatte, um ihn vor dieser tristen Ehe zu bewahren, ergriff er Partei für François II., den Herzog von Bretagne. Dieser wiederum hatte ihm für seine loyalen Dienste die Hand seiner Tochter, der kleinen Herzogin Anne, versprochen.
    Dann nahm der Krieg zwischen Frankreich und der Bretagne größere Ausmaße an, und als François II. starb, musste Louis d’Orléans fliehen, um sich einer Gefangennahme zu entziehen.
    Doch da hatte er sich gründlich verrechnet, weil Anne de Beaujeu glaubte, dass er großen Anteil an der Niederlage der Bretagne gehabt hatte, und ihn deshalb in den Festungsturm von Bourges sperren und gnadenlos vier lange Jahre festhalten ließ. Dort besuchte ihn dann seine treue Jeanne regelmäßig, brachte ihm zu essen und pflegte ihn, weil er aus Mangel an Bequemlichkeit, Licht und Fürsorge häufig krank wurde.
    Immer noch voller Groll auf seine Gattin, die ihm zufolge der einzige Grund für seinen Widerwillen und seinen Widerstand gegen Frankreich war, dankte Louis seiner Frau kaum die hingebungsvolle Pflege, die sie ihm schenkte.
    Aber Jeanne sah über Louis’ Undankbarkeit hinweg und setzte ihre häufigen und großzügigen Besuche fort; ja, sie ging sogar so weit, heftig bei ihrer Schwester zu intervenieren,

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