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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Königs argumentierten zwar, dass der junge Herzog damals dem Druck des unnachgiebigen Louis XI. ausgesetzt war, aber die Kirchenkommission in Rom lehnte diese These ab.
    Der zweite Teil dann war besonders heikel und langwierig, weil hier der Nicht-Vollzug der Ehe verhandelt wurde. An dem Tag, als diese Prozessphase eingeläutet wurde, fühlte sich Jeanne bereits stark genug, um ihren Buckel nicht zu verstecken und ihr Gesicht mit der großen Bourbonennase erst recht zu erheben.
    Und obwohl sie die Gerichtsbeamten mit einem Missbehagen beobachteten, das sich in ihren Gesten und ihrer Haltung kundtat, und obwohl die Zuschauer anfingen, ungeduldig auf den Bänken herumzurutschen, gönnte sie sich den Luxus eines Lächelns, das sie dem alten François de Paule schenkte, der gerade hinten im Zuschauersaal Platz genommen hatte.
    Acht Geschworene waren dazu ernannt, das Problem jeweils von Grund auf zu beurteilen, drei weitere hatten den Auftrag, die Schlussfolgerungen zu bewerten, die sich daraus ergeben mussten.
    »Die Angeklagte möge vortreten.«
    Mit einem Seufzer, den sie aber sofort unterdrückte, um nicht ein spöttisches Grinsen auf den Gesichtern ihrer Folterknechte sehen zu müssen, richtete sich Jeanne auf und sah starr geradeaus. Dann erhob sie sich und steuerte hinkend auf den Halbkreis zu, den die Geschworenen bildeten.
    »Kann mir bitte jemand sagen, welches Verbrechens ich angeklagt bin?«, fragte sie mit sanfter Stimme, aber so laut, dass man ihre Frage auch noch ganz hinten im Saal verstehen konnte.
    Ein Geschworener hustete, ein anderer vertiefte sich in die Lektüre einer Akte, die er in der Hand hielt. Der Richter sah sie sichtlich verlegen an und sagte dann in einem Ton, der gebieterisch sein sollte, aber plötzlich nachgiebig und unsicher klang:
    »Das sehen wir später. Schwört Ihr, die Wahrheit zu sagen, nichts als die Wahrheit?«
    »Ich schwöre es.«
    Einer der drei Geschworenen – der bei ihrer Frage nicht mit der Wimper gezuckt hatte – stand auf und trat zu ihr.
    »Euer Name, Eure Titel und Euer Alter.«
    »Jeanne de France und de Valois, jüngere Tochter von Louis XI., der 1483 verstorben ist, und von Charlotte de Savoie, der Schwester von Charles VIII., gestorben 1498, verheiratet mit Louis, Herzog von Orléans, Valois durch seinen Vater Charles d’Orléans.«
    Auf einmal war es ganz still. Die Zuschauer raunten nicht mehr ungeduldig, sondern lauschten plötzlich gespannt. Edelleute, vornehme Damen und einfaches Volk saßen aufgereiht auf harten Holzbänken, hörten mit offenem Mund zu und rissen Augen und Ohren auf, um nur ja keine noch so kleine Einzelheit zu verpassen, die vielleicht später Gegenstand heftiger Diskussionen würde.
    Am Ende einer Bank, ganz hinten im Saal, saß der Mönch François de Paule, dessen Gesicht man unter seiner braunen Wollkapuze kaum erkennen konnte. In den Händen hielt er einen Rosenkranz aus Buchsbaumperlen, und auf seiner eingefallenen Brust ruhte ein großes silbernes Kreuz. Er sah Jeanne unverwandt an und schien ihr zusätzliche Kräfte einflößen zu wollen für den Fall, dass sie ein Vorwurf vernichtend treffen sollte.
    Nun erhob sich der Staatsanwalt, der bislang sitzen geblieben war und sich scheinbar nur für das Publikum interessiert hatte, und ging auf Jeanne zu. Er betrachtete sie eine Zeit lang unnachsichtig, dann richtete er seinen Blick auf den Geschworenen, der sie nach Namen, Titel und Alter gefragt hatte, und setzte sich neben ihn.
    Der Staatsanwalt war groß und kräftig und zwei Köpfe größer als Jeanne. Noch einmal musterte er sie überheblich und betrachtete mit Argusaugen ihre kleine bucklige Gestalt.
    »Ihr habt Euer Alter nicht genannt.«
    »Ich bin vierunddreißig, bald fünfunddreißig, Herr Staatsanwalt.«
    Der Richter wandte sich mit einem breiten Lächeln an die Zuschauer, wedelte mit seinem weiten, duftigen Ärmel durch die Luft und ging dann wieder zu Jeanne.
    »Eure Kindheit und Jugend lassen wir beiseite, weil sie für diesen Prozess nicht von Belang sind. Kommen wir also zum Tag Eurer Eheschließung.«
    Jeanne fühlte sich so schrecklich winzig neben diesem imposanten Mann, der sie mit seinen Adleraugen gnadenlos fixierte, dass ihr beinahe schwindlig geworden wäre; mit der Kraft der Verzweiflung, die ihr wohl nur der gütige Himmel geschenkt haben konnte, fing sie sich aber wieder.
    »Der Bericht über meine Jugend ist meines Erachtens unbedingt notwendig, Herr Staatsanwalt, wenn man verstehen will, was sich

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