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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Frühling ging zu Ende und kündigte einen heißen, trockenen Sommer an. Schon seit einigen Wochen ging Alix nicht mehr zum Schlafen nach Hause, sondern blieb jede Nacht bei Jacquou in der Werkstatt. Die Arbeit an den Teppichen ging langsamer als vorgesehen voran, weil sich eine wichtige Fadenlieferung verzögert hatte. Dabei handelte es sich um Fäden aus Spanien, die ganz besonders dünn waren und die man mit Seidenfäden mischte, damit das Laubwerk der Bäume besonders schön grün glänzte.
    Es war noch früh am Morgen. Kerzen, Talglichter und Fackeln beleuchteten die Maschinen, Rahmen und Webstühle, an denen Jacquou und Arnold arbeiteten.
    Die Tür ging auf, und Arnaude kam mit ihrem Kind auf dem Arm herein. Der Kleine lernte gerade sprechen, war aber zum Glück noch nicht sehr unternehmungslustig. Alix setzte ihn in eine Ecke, wo er mit aussortierten Fäden spielen konnte; manchmal gab sie ihm ein Stück Zeichenkohle und einen alten Karton in die Hand, auf dessen Rückseite sich der junge Künstler verewigen konnte.
    Wenig später erschienen Mathias und Florine Arm in Arm. Florine beugte sich zu Guillemin, nahm den Kleinen auf den Arm und gab ihm einen dicken Kuss auf die Backe.
    »Da! Is dich!«, sagte der Junge und gab ihr seinen vollgekritzelten Karton.
    »Was hat er gesagt?«, fragte Florine lachend.
    »Das ist für dich. Er schenkt dir sein Bild.«
    »Oh, vielen Dank, Guillou!«
    Der Kleine wurde Guillou genannt. Das runde, fröhliche Kind brabbelte ständig vor sich hin und war sehr lebhaft. Arnaude platzte schier vor Stolz über ihren Sohn und behauptete jetzt schon, dass er einmal einer der größten Weber aller Zeiten werden würde.
    Inzwischen war jeder an seinem Platz, und die Maschinen arbeiteten so schnell es ging. Jacquou und Arnold bedienten die beiden Hochwebstühle, Alix und Arnaude die zwei Flachwebstühle; sie mussten zwei kleinere Arbeiten fertig stellen, die auch recht bald abgeliefert werden sollten.
    Alix beugte sich über Florine, die an einem kleinen Webrahmen saß.
    »Du musst dir dein Motiv ganz genau ansehen«, sagte sie zu ihrer Freundin und deutete auf die Konturen eines Gesichts, das nicht der Vorlage entsprach. »Die linke Seite muss genauso aussehen wie die rechte. Sonst stimmen die Rapports nicht, und dann kennst du dich gar nicht mehr aus.«
    Florine hörte ihr zu, hielt sich plötzlich die Hand vor den Mund und sprang auf. Als Alix sah, dass sie durch die Tür auf den kleinen Innenhof stürzte, lief sie ihr besorgt nach.
    Florine musste sich erbrechen.
    »Oje, was ist denn mit dir los?«
    Die junge Frau war sehr blass. Sie richtete sich langsam auf, beugte sich aber sofort wieder nach vorn und würgte, dass es sie nur so schüttelte.
    Arnaude hatte Florine auch aus der Werkstatt laufen sehen und wollte wissen, was los war. Als sie die Kollegin in gebeugter Haltung im Hof stehen sah, musste sie laut lachen.
    »Ich wette, du bist schwanger!«
    »Schwanger!«, sagte Florine erschrocken und zitterte am ganzen Leib.
    »Ja, bestimmt. Ich glaube, Arnaude hat Recht. Du bekommst ein Kind«, meinte jetzt auch Alix.
    »Ich bekomme ein Kind«, murmelte Florine mit ersterbender Stimme.
    »Ja, und freust du dich denn nicht?«, fragte Alix vergnügt. »Sollen wir vielleicht tauschen? Ich wäre gern Mutter.«
    »Ach Gott!«, sagte Florine nur und fing an zu schluchzen.
    »Aber was ist denn los? Was hast du denn?«, fragten die beiden Freundinnen angesichts der Tränenflut.
    »Ich …«
    »Ja, was ist mit dir?«
    »Ich … Das war nicht vorgesehen. Und ich fürchte, ich weiß gar nicht, wie man eine Mutter wird.«
    Ihre Freundinnen brachen in Gelächter aus. »Ach, du kleines Dummchen!«
    Im Hof wehte ein frisches Lüftchen und brachte wieder etwas Farbe in Florines bleiches Gesicht. Mathias, der wohl etwas geahnt hatte, war mittlerweile auch aus der Werkstatt gekommen und freute sich über den Anblick der drei hübschen Mädchen. Als er aber sah, dass seine junge Frau weinte, lief er erschrocken zu ihr und rief: »Florine!«
    »Ich werde Mutter, Mathias! Stell dir vor, ich werde Mutter«, platzte Florine dann doch mit der Neuigkeit heraus.
    Als Alix und Arnaude seine verdutzte Miene sahen, mussten sie laut lachen.
    »Das heißt aber auch, dass du Vater wirst. Hast du das verstanden, Mathias?«
    »Potztausend!«, entfuhr es ihm da nur.
     
    Die Wochen vergingen, und Alix wurde wieder melancholisch. Vielleicht noch sieben oder acht Monate und Florine würde ihr Kind bekommen. Gott, wie

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