Die Seidenstickerin
Waisenmädchen heiratet.«
»Glaubt Ihr das wirklich?«
»Ich bin mir sogar ganz sicher.«
Alix nickte nur.
»Deshalb habe ich ja auch ein doppeltes Ziel.«
»Ein doppeltes?«
»Ja. Ich will Jacquou heiraten, und ich will Weberin werden; ich will, dass man mich schätzt, weil ich meine Arbeit perfekt beherrsche.«
»Hast du das wirklich vor?«
»Ich bin fest entschlossen, Hochwürden. Deshalb werde ich dann auch später mit den Malern, den Kartonmachern und den Tuchwebern darüber sprechen, was ich dann weiß und arbeiten kann.«
»Sehr gut! Gut, meine Kleine«, sagte der Prälat und nickte zustimmend. »Aber vergiss nicht, wenn du erst die Frau von Meister Jacques Cassex bist, dass der Hauptsitz der Teppichweber in Brügge ist. Geh dorthin, und hol dir Hilfe und Unterstützung, wenn du sie brauchst.«
»Ich werde es nicht vergessen«, sagte Alix ernst.
Als Jean de Villiers darauf schwieg und seinen Gedanken nachzuhängen schien, murmelte sie gerade so laut, dass er es hören konnte:
»Was hättet Ihr gemacht, wenn sich Meister Coëtivy nicht um Jacquou gekümmert hätte?«
»Dann hätte ich ihn bei mir behalten. Nur dass er dann bestimmt ein anderes Schicksal gehabt hätte und jetzt vermutlich in einem Kloster wäre – mit Tonsur und einer weißen oder braunen Kutte, je nachdem, welchen Orden er gewählt hätte. Gewiss wäre er jetzt kurz davor, Prälat zu werden, so wie ich in seinem Alter.«
»Und wie es Olivier bald sein wird«, sagte Constance, die ihnen mit einem Ohr zugehört hatte.
»Das stimmt, Constance«, erwiderte Jean, »aber dein Bruder hat seinen Weg selbst gewählt, so wie auch ich. Jacquou hingegen hätte mir nur Gehorsam geleistet und sich mir angepasst. Damals verfügte ich nicht über die Mittel, ihm ein anderes Leben als das im Kloster zu bieten, wofür er dann im Gegenzug als Dank für Kost und Logis und kostenlose Erziehung Priester hätte werden müssen.«
Die Kutsche fuhr langsamer, weil starker Wind aufkam. Der Himmel verdunkelte sich mit einem Mal und färbte sich bedrohlich schwarz, je mehr es auf den Abend zuging.
Beinahe hätte ein heftiger Windstoß den Kutscher vom Bock geweht, und er konnte nur das Gleichgewicht bewahren, weil sich eines der Pferde instinktiv auf die andere Seite gelehnt hatte – andernfalls wären sie mit Sicherheit umgekippt.
Anselme musste anhalten, um sich wieder in seinen weiten Umhang zu wickeln, der ihn von Kopf bis Fuß einhüllte, und weil er den Pferden zum Schutz vor dem Regen Decken überlegen wollte – weshalb sie dann natürlich noch langsamer wurden.
Ein wenig eingeschüchtert von dem wütenden Sturm hatte Jean den Wagen verlassen, während Anselme den Pferden die wasserdichten Decken über die Kruppe legte.
»Ist alles in Ordnung?«, schrie ihm Jean zu. »Oder brauchst du Hilfe?«
Der Sturm übertönte seine Stimme, aber der Kutscher wusste, was er hatte fragen wollen, und winkte ab. Anselme konnte sich voll und ganz auf Jeans Unterstützung verlassen, der ein geschickter Reiter und Gespannlenker war. Und ihm war sehr wohl bekannt, dass der sonst so ruhig wirkende Prälat schon in weitaus gefährlicheren Situationen bewiesen hatte, dass er zupacken konnte.
Jean wartete trotzdem einige Minuten und kletterte erst beruhigt zurück in den Wagen, als er sah, dass Anselme wieder auf dem Kutschbock Platz nahm.
Constance war nicht besonders gesprächig. Während sie sich bei der gesamten Vorbereitung ihrer Reise äußerst mitteilungsfreudig gezeigt hatte, träumte sie jetzt wohl nur von den Freuden ihres neuen Lebens. Und das sollte so gut wie möglich beginnen, hatte ihre Mutter gesagt. Deshalb hatte sie sie mit guten Ratschlägen, ihren Hoffnungen und ihrem eigenen Geld versehen, weil Julien für die Tochter von Isabelle seinen Geldbeutel nicht aufschnüren wollte.
Und wenn schon! Noch nie zuvor war Constance so glücklich gewesen. Die Vorbereitungen für ihre Abreise waren lang und anstrengend gewesen, aber auch fröhlich und sehr unterhaltsam. Und an dieser Vorbereitung war ihre Mutter maßgeblich beteiligt gewesen, denn drei weitere Wagen voll mit ihren Kleidern und persönlichen Gegenständen sollten in den nächsten Tagen denselben Weg nehmen.
Mützenmacher, Bandweber, Parfümeure, Schuhmacher und Schneider waren auf Isabelles Befehl ins Schloss geeilt und hatten sich vor Bestellungen kaum retten können. Constance reiste mit einer Garderobe nach Amboise, bei deren Anblick ihre Gefährtinnen vor Neid erblassen
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