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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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schlafen.«
    »Aber weiter warst du noch nicht?«, wollte Bertille wissen.
    »Nein.«
    Constance richtete sich auf, wobei ihr Oberkörper von dem vielen Wein, der ihr zu Kopf gestiegen war, ein wenig schwankte, und sagte:
    »Meine Mutter hat mir gestern erzählt, dass Königin Anne prüde und fromm ist und dass sie schon darauf achten würde, dass ich mich nicht in irgendeiner Ecke vom Schloss mit einem Mann herumdrücke. Sie will, dass ihre Zofen ein Vorbild an Vernunft und Zurückhaltung sind.«
    »Wie willst du das denn dann anstellen, wenn du nicht mit einem Geliebten in ein stilles Eckchen gehen kannst?«, fragte Bertille, die Constance mittlerweile einfach duzte.
    »Das weiß ich schon! Meine Mutter hat auch gesagt, dass es in Amboise große Gärten und Parks gibt mit allen möglichen Kiosken, Wäldchen und abgeschiedenen Alleen. Da wird die Königin ja wohl nicht ständig überall sein. Also kann man da bestimmt sehr gut ein Rendezvous verabreden.«
    »Bestimmt, bestimmt.«
    Bertille nickte überzeugt. Fragte sich nur noch, welchen Mann sie nahm.
    »Du musst dir einen schönen, starken Mann aussuchen. Es macht nämlich schon Spaß, wenn einen so ein großer Kerl umarmt und einen drückt, dass man kaum noch Luft kriegt. Da weißt du gar nicht mehr, was du sagen oder denken sollst. Du lässt dich einfach gehen.«
    Und die drei lachten und schwatzten weiter wie verrückt; ab und zu wischten sie sich den Schweiß von der Stirn, so heiß war es am Herd.
     
    Alix blieb länger als geplant bei Pierrot und Bertille, der es nie an Gesprächsstoff mangelte. Sie sprachen über alles: das Wetter, die Jahreszeiten, die anderen Leute, die Kinder, Vergnügen und Sorgen. Aber als ihr Alix einmal von einem Einhorn erzählte, das in magisch leuchtenden Farben auf feines Pergament gemalt war, hörte ihr Bertille zu, ohne ein Wort zu sagen.
    »Jacquou zeigt dir das Einhorn seiner Großmutter, wenn wir dich besuchen kommen«, versprach sie ihr noch kurz bevor das Gespann von Hochwürden Jean de Villiers vor dem Häuschen von Bertille hielt. »Er trägt es immer bei sich. Es ist sein Talisman, sein Glücksbringer. Und wenn ich eines Tages mal eine große Weberin werde, dann weil ich der Webergilde aus dem Norden eine Arbeit vorgelegt habe, auf der ein aus Goldfaden gewebtes Einhorn zu sehen ist.«
    Weiter kam sie aber nicht mit ihrem Traum, den sie ständig weiterschmiedete, weil Constance in Bertilles Haus platzte.
    »Es geht los, Alix!«, rief sie. »Wir fahren nach Amboise. Ach, bei allen Heiligen des Himmels – bin ich glücklich!«
    Sie fiel Bertille um den Hals und drückte ihr einen dicken Kuss auf die Backe.
    »Nimm! Das ist für dich«, sagte sie und gab ihr einen gut gefüllten kleinen Geldbeutel. »Als Dank für alles, was du für mich getan hast.«
    Dann setzte sie eine halb traurige, halb wichtigtuerische Miene auf.
    »Ich weiß leider nicht, wann wir uns wiedersehen. Vielleicht nie wieder! Wir werden sehen.«
    »Was soll denn das heißen?«, fragte Bertille besorgt und stemmte die Hände in die Hüften. »Das will ich doch hoffen, dass wir uns wiedersehen, Demoiselle Constance.«
    Und dann blieb ihr vor Staunen der Mund offen stehen, weil Hochwürden Jean de Villiers plötzlich in ihrer Hütte stand. Das war nun wirklich ein Erlebnis, das sie im Leben nicht wieder vergessen würde. Ein Kardinal in ihrem Haus! Und Pierrot war nicht da!
    »Hochwürden«, sagte sie und machte einen ungeschickten Knicks.
    Der Prälat lächelte und sah sich in der bescheidenen Behausung um. Wie tief musste er in seiner Erinnerung kramen, um sich an die ärmlichen Häuschen in den Wäldern zu erinnern, in denen er so oft auf seinen Wanderungen untergekommen war, als er noch ein einfacher Mönch aus dem Bistum Tours gewesen war?
    »Lasst Euch nicht stören, gute Frau«, sagte er und lächelte sie freundlich an. »Wir wollen nur die Freundin von Demoiselle Constance abholen.«
    Alix fühlte sich in der Gesellschaft des Prälaten, der trotz seiner etwa fünfzig Jahre noch recht stattlich wirkte, sehr unsicher. Zwar kam er ihr freundlich und nachsichtig vor, aber seine glänzenden dunklen Augen blickten ziemlich hart drein. Doch sie ließ sich nicht aus der Fassung bringen und war selbst überrascht, als sie sich mutig sagen hörte:
    »Ihr bringt mich also nach Tours, Hochwürden?«
    »Constance hat mich darum gebeten, und ich erfülle ihr diesen Wunsch, weil es um Jacquou geht, und ich möchte, dass er sich in jeder Beziehung glücklich

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