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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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als der Himmel ihre Gebete wenigstens zum Teil erhört hatte, weil der zweifelsohne freizügige und sorglose Gatte, den man für sie ausgesucht hatte, wider Erwarten sehr nachsichtig mit seiner jungen Frau war und äußerst aufmerksam jeden noch so kleinen Wunsch von ihr erhörte und ihr mit seinen bescheidenen Mitteln zu erfüllen versuchte.
    Dabei schien diese Verbindung für Charles d’Angoulême, einen entfernten Verwandten der königlichen Familie, nur wenig einträglich – zumindest glaubte er das am Tag seiner Vermählung mit Louise.
    Seine Jugendstreiche hatten ihm über alle Maßen geschadet, und die Tochter von Louis XI. strafte diesen Ungehorsam gnadenlos, weil eine derart glanzlose Hochzeit ihrem ungestümen Verwandten die Flügel stutzen musste. Deshalb traf sie ihn genauso heftig wie es ihr Vater mit Philippe de Bresse getan hatte. Und wenn Louise ihrerseits auch sehr schnell die Vorteile dieser Umstände erkennen konnte, hatte sie doch nicht so bald begriffen, welche Nachteile sie mit sich brachten.
    Als ihr Charles etwas später zärtliche Worte ins Ohr flüsterte, begleitet von Liebkosungen, deren Tragweite ihr damals noch nicht bekannt war, hatte sich Louise an seine breite Brust gedrückt mit schüchterner Kleinmädchenstimme gemurmelt:
    »Ich werde Euch einen Sohn schenken, Charles, seid unbesorgt!«
    Wie hätte sie auch kalt und gleichgültig bleiben können, als sie der Graf d’Angoulême an seine starke Brust drückte, ihr einen Kuss auf den Mund gab und lachend erwiderte:
    »Gewiss, mein Herzchen, einen schönen, kräftigen und wohlgestalteten Jungen, der meinen Töchtern alle Ehre machen soll.«
    Doch das Schicksal hatte es – jedenfalls zunächst – nur zum Teil gut mit Louise gemeint, weil sie ein Mädchen zur Welt brachte, dem man den Namen Marguerite gab.
    Louise machte sich unendlich viele Sorgen, als sie sah, dass sie dem Grafen keinen Sohn geschenkt hatte und diesen Fehler irgendwie gutmachen wollte. Da kam ihr auf einmal wieder diese verrückte Reise in den Sinn, die sie unternommen hatte, um den alten Eremiten François de Paule um Rat zu fragen.
    Dieser große, hagere und irgendwie fast schon jenseitige Mann, dessen Alter keiner kannte und der Wahrsager und Mönch zugleich war, hatte damals den Verkündigungsengel gespielt.
    Dabei hatte der heilige Mann nur kurz ihr Gesicht berührt. Mit gesenkten Augen betrachtete er das Kreuz aus Metall, das auf seiner eingefallenen Brust hing, und seine mageren und gebeugten Schultern schienen sich nie wieder aufrichten zu wollen.
    Dann machte er einige unentschlossene Schritte, schwankte, nahm seinen Kopf in die langen knochigen Hände, kehrte zu Louise zurück und sah sie lange an.
    »Ihr bekommt einen Sohn, und dieser Sohn wird König«, sagte er plötzlich mit leiser, hohler und kaum hörbarer Stimme, so als sei er selbst erstaunt, sich eine derartige Prophezeiung machen zu hören.
    Louise blieb der Mund offen stehen, und sie sah ihn ungläubig mit weit aufgerissenen Augen an.
    Dabei war er selbst am meisten betroffen! War er nun erleuchtet oder verrückt? Wie konnte er so etwas zu dieser Frau sagen, die wie viele andere besorgt war, weil sie keine Kinder oder nur Mädchen gebären konnte? Gab ihm diese Gabe – man sagte ihm nämlich nach, er hätte die Gabe, Frauen fruchtbar zu machen – das Recht, eine solche Behauptung zu äußern?
    »König! König! König!«, murmelte er und ließ die Perlen seines hölzernen Rosenkranzes durch die Finger laufen.
    Das Wort hinterließ einen seltsamen Nachhall in ihrem Kopf. Es hatte etwas Magisches, einen eindringlichen, faszinierenden Ton. Es war ein Wort wie ein Blitz, wie Sonne, wie Hoffnung. Ein Wort, das sie nie wieder vergessen würde.
    Natürlich hatte sie keiner Menschenseele davon erzählt, aber jeden Morgen sah sie nach, ob ihr Körper seine Form veränderte, und als Charles d’Angoulême dann eines Tages die ungewohnten Rundungen ihres Bauches mit den Händen streicheln konnte, hörte sie ihn ihr ins Ohr flüstern:
    »Es ist schon besser, dass du es bist, die mir diesen Sohn schenkt, meine süße Gattin. Es hätte mir nämlich gar nicht gefallen, wenn er nur ein kleiner Bastard geworden wäre.«
    Wären da nicht noch Jeanne und Antoinette gewesen, hätte ihn Louise beinahe lieben können – so erstaunt war sie. François kam dann an einem warmen Herbsttag zur Welt, als ihr Gatte bereits längst wieder zu den raffinierten Vergnügungen zurückgekehrt war, die ihm seine beiden Geliebten

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