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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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zeigt Ihr diese Zeichnungen erstmal ihm. Er kann Meister Gauthier sagen, dass Ihr meine Cousine seid. Dann wird er sie schon nicht ablehnen, allerdings …«
    Es klang fast so, als wollte sie sich für ihren Vorschlag entschuldigen. Und damit Alix nicht zu enttäuscht war, wenn ihr Mann die Zeichnungen nicht wollte, erklärte sie:
    »Allerdings müsst Ihr wissen, dass wir nur sehr selten Zeichnungen verwenden, die zum Sticken gedacht sind. Weben ist eben ganz anders.«
    Aber Alix wusste nur zu gut, dass das Weben von Gobelins sich viel zu sehr von den Stickereiarbeiten unterschied, als dass man die entsprechenden Entwürfe einfach austauschen konnte.
    Und dann überlegte sie, wenn Arnaude sie zu sich nach Hause einlud, sollte sie das Thema Jacquou vielleicht besser auf einem anderen Weg als über die Kartons ansprechen.
    »Wollt Ihr mit mir nach Hause kommen, Alix?«, wiederholte Arnaude ihre Einladung.
    »Ja, sehr gern.«
    »Ich wohne hier ganz in der Nähe. Ich darf jetzt schon gehen, weil Meister Gauthier gesehen hat, dass ich etwas erschöpft bin, und mir erlaubt hat, die Werkstatt ausnahmsweise früher zu verlassen. Es könnte allerdings gut sein, dass ich gar nicht wiederkomme, wenn die Wehen heute Nacht oder morgen früh stärker werden.«
    »Soll ich Euch vielleicht helfen?«
    Alix nahm sie behutsam am Arm und führte sie zu dem Haus, in dem Arnaude wohnte. Das Hochwasser der Loire ging allmählich zurück, und man konnte nach und nach wieder ihre Ufer sehen. Aber die Sandbänke in der Flussmitte standen noch immer unter Wasser.
    Vor einem lang gestreckten Gebäude mit verwitterten Dachziegeln blieben sie stehen. Holzbalken zierten die Fassade, und gleich nebenan purzelten auf dem Schild eines Buchbinders die goldenen Buchstaben in einer Krone durcheinander, die von einer Feder durchkreuzt wurde.
    Das Gebäude hatte nur ein Stockwerk; drei Häuser waren aneinandergebaut, von denen sie das mittlere betraten. Der sich anschließende Garten, den sich die drei Mieter teilten, wirkte jetzt im Winter ziemlich öde.
    Arnaude hielt sich noch immer den Bauch und bat Alix ins Haus, das einen recht behaglichen Eindruck machte. Es gab zwei geräumige Zimmer und einen Hängeboden, der Speicher, Abstellkammer und Werkstatt in einem war. Sie gingen in die Küche, wo die schwer atmende Arnaude das Herdfeuer entfachen wollte.
    »Lasst mich das machen«, sagte Alix und legte ein großes Holzscheit in die Glut. »Ruht Euch lieber ein bisschen aus. Ihr seid müde, und das Kind wird ungeduldig und will raus. Spürt Ihr schon, ob es kommen will?«
    Arnaude nickte.
    »Gibt es jemanden, der Euch helfen kann, wenn das Kind kommt und Euer Mann nicht da ist?«
    »Ich wüsste nicht, wie mir Arnold da helfen sollte, außer dass er nervös auf und ab läuft, vor lauter Angst Nägel kaut und auf dumme Gedanken kommt. Aber ich habe Nachbarn, die mir helfen könnten.«
    »Dann macht Euch keine Sorgen, und ruht Euch jetzt erstmal aus«, sagte Alix beruhigt. »Wenn das Kind kommt, geh ich sie holen.«
    Einige Stunden später hatte sich Arnaude hingelegt und versuchte sich zu auszuruhen. Arnold kümmerte sich regelmäßig um Nachschub für das Feuer, damit es die ganze Nacht angenehm warm im Haus blieb.
    »Meister Coëtivy hat wirklich ein strenges Auge auf seinen Schützling«, sagte er und schüttelte dazu missbilligend den Kopf. »Deshalb würde es mich sehr wundern, wenn er ihm plötzlich freie Hand lassen würde.«
    Das Abendessen war schon lange vorbei, und Arnold hatte so viel Verständnis für Alix gezeigt, dass sie sich den beiden schließlich doch anvertraute und ihnen alles erzählte. Ihre erste Begegnung mit Jacquou, als sie erst acht Jahre alt war! Von dem Kloster! Von ihrem kurzen Besuch in der Werkstatt! Ihre unfreiwillige Rückkehr nach Nantes zu Meister Yann. Von den letzten beiden Jahren und wie ihr schließlich der Prälat Jean de Villiers versprochen hatte, sich um sie zu kümmern!
    »Was für eine Geschichte!«, rief Arnaude und verzog wieder vor Schmerzen das Gesicht.
    Arnold wollte zu ihr stürzen, aber die junge Frau schüttelte den Kopf.
    »Nein, heute Nacht kommt es nicht. Vielleicht morgen oder aber erst übermorgen. Das Kind scheint sich beruhigt zu haben.«
    »Was willst du denn jetzt machen?«, fragte sie dann an Alix gewandt und duzte sie einfach, weil sie sich so gut verstanden.
    »Das ist wohl nicht die richtige Frage«, meinte Arnold. »Du solltest wohl eher fragen, was kannst du machen?«
    »Oje! Von der

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