Die Seidenstickerin
ihren Hofleuten bestellt wurden, war, dass sie sich auch von Land zu Land als Tauschware eigneten. Die historische Teppichweberei galt als eine ebenso prestigeträchtige wie nützliche Kunst.
Wenn der kleine Guillemin weinte und ungeduldig zappelte, hatte er meistens Hunger. Dann schob Arnaude einen Träger ihres Mieders herunter und gab ihm die Brust. Sobald das Kind satt war, beruhigte es sich auch wieder.
Draußen herrschten Minustemperaturen. Ein harter und erbarmungsloser Winter kündigte sich an, der tödlich war für jeden, der sich nicht wärmen konnte; wegen der jüngsten Überschwemmungen standen viele Flächen noch immer unter Wasser und verwandelten sich jetzt in spiegelglatte Eisbahnen.
Im Herd prasselte das Feuer, und die Suppe, die Alix gekocht hatte, duftete nach Kohl und geräucherter Wurst. Alix seufzte zufrieden. Dazu hatte sie auch allen Anlass, die angebliche Cousine von Arnaude, die so gastfreundlich in dem behaglichen Nest dieses jungen Paars aufgenommen worden war, das nur sein neues Familienglück im Sinn hatte.
Sie ging der jungen Mutter zur Hand und erzählte ihr ein paar kleine Geschichten aus der Werkstatt, von der sich Arnaude noch immer nicht trennen konnte. Doch plötzlich tat das Herz von Alix einen Luftsprung. Es klopfte laut an der Tür, dann öffnete sie sich weit und ließ einen Luftzug herein, der so eisig war, dass Arnaude ihren kleinen Sohn beschützend an sich drückte.
Und Alix, die schon so lange auf diesen Augenblick gewartet hatte, ja eigentlich seit einer Ewigkeit, seit dem Tag, an dem ihr der zärtliche Blick ihres geliebten Jacquou durch und durch ging, auch wenn sie damals noch ein kleines Mädchen war, sprang auf.
Mit einem Satz landete sie in seinen Armen und ließ sich drücken, küssen und herzen. Arnaude war baff vor Staunen, und auch Arnold wunderte sich nicht wenig. Sie hatten zwar schon verstanden, dass diese beiden jungen Leute sich einmal sehr geliebt hatten, aber das war ja nun schon ziemlich lange her; außerdem waren sie da in einem Alter, in dem man schnell vergisst. Doch die Zeit macht nichts vergessen, das sahen sie sehr schnell ein, und das Abendessen wurde nicht nur von dem Weinen des kleinen Kinds unterbrochen, sondern auch von Küssen, Seufzern, verliebtem Schmachten und zärtlichen Versprechen.
Für Alix und Jacquou gab es nichts Schöneres, als sich eng aneinanderzuschmiegen, und das gefiel ihnen so gut, dass sie sich nach dem Abendessen auch gar nicht trennen wollten.
»Jacquou muss aber nach Hause«, meinte Arnaude und schaukelte ihr Kind in den Schlaf. »Seine Zimmervermieterin hat die Verantwortung für ihn. Das hat ihr Meister Coëtivy aufgetragen. Bestimmt macht sie sich jetzt schon Sorgen, weil er nicht zum Abendessen nachhause gekommen ist.«
»Sie weiß doch, dass ihr mich ab und zu einladet.«
»Was willst du denn jetzt machen?«, ließ Arnaude nicht locker, während Arnold sich lieber nicht in diese heikle Angelegenheit einmischen wollte.
»Ich tu so, als ob ich nach Hause komme«, erklärte Jacquou. »Wenn Dame Marguerite glaubt, dass ich in meinem Zimmer bin, geh ich Alix holen.«
»Du kannst sie doch nicht bei der Kälte und allein draußen warten lassen«, protestierte Arnaude. »Außerdem ist es schon spät, vielleicht wird sie auch noch von irgendeinem Gauner überfallen! Das ist alles sehr unvernünftig und gefällt mir gar nicht.«
»Ach, Arnaude, bitte!«, rief Alix den Tränen nahe. »Bitte, bitte, ich möchte es doch so gern.«
»Meinetwegen«, sagte die junge Frau, die noch immer ihr Kind wiegte, dem allmählich die Augen zufielen, »dann gehst du aber mit, Arnold. Du bleibst bei Alix, bis Jacquou sie holen kommt.«
Alix war überglücklich, fiel ihrer Freundin um den Hals und drückte ihr einen dicken Kuss auf die Backe.
»Komm morgen früh nachhause, ehe es hell wird. Du musst etwas essen, bevor du zur Arbeit gehst. Jacquous Zimmerfrau wird dich kaum mitfüttern.«
Es war so eisig kalt, dass der Boden gefroren war und Arnold sich ein bisschen nach seinem warmen, behaglichen Bett sehnte. Was für ein Unsinn, sich dieser Eiseskälte auszusetzen, um die verrückten Pläne der beiden Turteltäubchen zu unterstützen. Aber er mochte Alix sehr, und außerdem wollte er unbedingt, dass Jacquou genauso glücklich wurde wie er.
Zu ihrem großen Glück mussten sie nicht lange warten, weil ihnen die Kälte schon die Beine hochkroch, obwohl sie mit den Füßen stampften und in die Hände klatschten.
Jacquou kam
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