Die Seidenstickerin
hatte sie zu Alix gesagt, als sie sich von ihr verabschiedete. »Pass gut auf dich auf, meine Kleine, und komm zu uns zurück, wenn Jacquou aus Flandern wiedergekommen ist. Ich bin sicher, sein Vater wird dich verstehen und euch nachgeben.«
Aubert hatte still vor sich hin gegrinst und Arnold spöttische Blicke zugeworfen, während sich Meister Gauthier zu beruhigen versuchte, indem er mit großen Schritten in der Werkstatt auf und ab ging.
Nein! Und wenn ihr Benoîte noch so gut zuredete, Alix wusste, dass sich Coëtivy niemals umstimmen lassen würde. Vielleicht suchte er sogar für seinen Sohn eine reiche Kaufmannstochter aus Brüssel, Lille oder Enghien? Gott sei Dank war Jacquou ja jetzt ihr Ehemann. Und sie wünschte sich nichts sehnlicher herbei als den Tag, an dem sie ihm von der bevorstehenden Geburt des Kindes erzählen konnte, das sie erwartete.
Selbst wenn Jacquou Coëtivy aus irgendeinem Grund gestehen müsste, dass er verheiratet war – was konnte ein noch so angesehener Webermeister gegen den Segen eines Kardinals aus dem Vatikan ausrichten? So verrückt war Coëtivy dann doch nicht, dass er sich mit der ganzen Geistlichkeit anlegte. Wenn er sich dem Willen des Papstes widersetzte, würde ihn die gesamte Gesellschaft ächten. Nicht einmal die Könige wagten es, dem päpstlichen Willen zuwiderzuhandeln.
Obwohl Alix Jacquou eigentlich ständig schmerzlich vermisste, war sie doch ganz guter Dinge. Arnaude hatte ihr beim Abschied das Versprechen abgenommen, zurückzukommen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten sollte, und Arnold hatte Meister Gauthier gebeten, ihr ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg zu geben.
»Ich hätte dich gern behalten, Kleine, weil du eine gute, fleißige und kluge Arbeiterin bist«, hatte Meister Gauthier ihr gesagt, als er ihr den Lohn ausbezahlte. »Leider bin ich aber nicht der Eigentümer dieser Werkstatt, und Coëtivy hat es nun einmal so beschlossen.«
»Das verstehe ich schon, Meister Gauthier.«
»Jetzt pass einmal auf, am besten gehst du nach Poitiers und meldest dich in der Werkstatt von Meister Antonin Noailles. Dort habe ich gelernt. Antonins Vater ist zwar schon tot, aber er hat die Werkstatt übernommen, und ich habe gehört, dass er Leute braucht. Er ist ein guter Mensch, ich kenne ihn schon, seit er ein ganz kleiner Junge war. Ich bin sicher, dass du ihn in wenigen Tagen von deinen Fähigkeiten überzeugen kannst.«
Aber Alix war nicht nach Poitiers gegangen. Sie war in Niort geblieben, wo sie auf dem Marktplatz Amandine gekauft hatte.
Seltsamerweise hatte sie das Tier dann zu einer freundlichen Bauersfrau geführt, deren Mann gerade gestorben war und ihr drei Kinder hinterlassen hatte. Das noch ganz junge Muli entwickelte bald einen starken Willen, und Alix begriff, dass es zu seiner Mutter wollte, zu einem genauso schönen grauen Maultier, das in dem Stall auf dem Bauernhof stand, aus dem es kam. Amandine bestimmte von Anfang an über ihre Herrin.
Alix erklärte, woher sie kam, und blieb auf Einladung der Bauersfrau erst eine Nacht, dann eine zweite und eine dritte; sie schlief im Stall bei den beiden Mulis, Mutter und Kind, und ein paar Milchkühen.
Nach einiger Zeit fasste sie sich ein Herz und erledigte einige kleinere Hausarbeiten, um die Bäuerin zu entlasten, machte sich dann immer nützlicher, indem sie das Haus putzte und die Mahlzeiten zubereitete, bis ihr die Frau einen interessanten Vorschlag unterbreitete: Alix sollte die drei Kinder der Bauersfrau während der Feldarbeit und Erntezeit hüten und bekam dafür freie Kost und Logis. Für Alix spielte es keine Rolle, womit sie sich ihren Lebensunterhalt verdiente, weil sie nur eins im Sinn hatte: Jacquous Rückehr. Sie hatte nicht einmal wirklich Lust, bei einem anderen Weber zu arbeiten. So vergingen die Monate wie im Flug, und sie schob nun einen richtig dicken Bauch vor sich her wie damals Arnaude, als sie ihr an der Werkstattür zum ersten Mal begegnet war.
Doch dann nahm das Schicksal eine ungünstige Wendung. Als sich gerade alles eingespielt hatte, die Kinder sie in ihr Herz geschlossen hatten und sie sich vorgenommen hatte, ihr Kind auf diesem Bauernhof zur Welt zu bringen, ließ sich die freundliche Bäuerin, die erst um die dreißig und noch sehr ansehnlich war, eines Tages gegen Ende des Sommers von einem Wanderarbeiter verführen. Einem dieser Männer, von denen es damals viele gab, die sich Saisonarbeiter nannten und zur Saatzeit und zur Erntezeit auf den Bauernhöfen Arbeit
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