Die Seidenstickerin
und schien seinen Körper in tausend Stücke zu zerreißen, während seine Beine und Arme auf einmal völlig kraftlos waren und sein Kopf von heftigen Schmerzen gemartert wurde.
»Verdammt! Ich werde doch nicht etwa krank?«
Er stieg vom Pferd, taumelte und konnte sich gerade noch an den Zügeln festhalten. Dann lehnte er sich an Pardaille, um sich ein wenig vor der Kälte zu schützen, und wartete unter der großen Eiche, dass der Sturm nachließ, damit er sich wieder auf den Weg machen konnte.
Als das Unwetter nicht mehr ganz so heftig tobte, beschloss Charles, wieder aufzubrechen. Er bestieg sein Pferd, aber seine Kräfte verließen ihn mit jedem Satz, den das Pferd machte, bis er sich schließlich nur noch an seinen Rücken schmiegte und sich Pardailles sicherem Instinkt anvertraute.
Erst vor den Toren von Poitiers richtete er sich mühsam wieder auf, aber seine Hände zitterten und seine Augen waren glasig vom Fieber.
»Lauf weiter, Pardaille! Such einen Bauernhof, ein Haus oder eine Schenke, irgendjemanden, der mir hilft, sonst sterbe ich hier auf deinem Rücken.«
Aber schon nach wenigen Schritten musste das Pferd langsamer werden, weil es spürte, wie sein Reiter beinahe herunterrutschte. Der arme Graf versuchte, wieder richtig aufzusitzen, aber er hatte nicht mehr die Kraft dazu.
»Geht es Euch nicht gut, mein Herr?«, hörte er jemanden fragen.
Pardaille wieherte sofort laut. Dann kam jemand mit einer Fackel und leuchtete Charles ins Gesicht.
»Darf ich Euch helfen, mein Herr? Ich wohne hier ganz in der Nähe. Oh!«, sagte er und streckte seine Hand aus, um den Grafen d’Angoulême aufzufangen, der beinahe vom Pferd gefallen wäre. »Ich sehe schon, es geht Euch wirklich sehr schlecht. Lasst mich das Pferd führen.«
Der Mann war höchstens dreißig und hatte eine freundliche Stimme, die mit dem dichten Nebel in Charles’ Kopf verschmolz, den er nicht mehr zu lichten vermochte. Er schloss seine brennenden Augen und dankte dem Himmel, dass er eine gute Seele gefunden hatte, die ihm helfen wollte.
Als ihm etwas später jemand eine duftende warme Suppe einflößte, kam er wieder zu sich. Eine junge Frau hatte sich über ihn gebeugt.
»Ich bin die Frau von Meister Guillaume«, erklärte sie und stützte seinen Kopf, damit er die heiße Bouillon austrinken konnte.
Langsam öffnete er seine fiebrigen Augen, sah sie an und nickte zum Zeichen, dass er sie verstanden hatte.
»Ich heiße Renaude«, fuhr sie fort und lächelte ihn an, »und ich finde, Ihr seid schon wieder ein wenig zu Kräften gekommen, seit Ihr bei uns seid.«
»Da muss es mir ja wirklich sehr schlecht gegangen sein!«, murmelte er.
Er richtete sich auf und musterte seine hübsche Gastgeberin. Sie hatte ein schönes Gesicht und grüne Mandelaugen, die auch noch dem keuschesten Mönch den Kopf verdreht hätten. Der schlanke Hals, der aus dem Mieder ihres schwarzen Samtkleids herausschaute, ließ auf einen entzückenden Körper schließen. Ihr Kleid fiel in weiche Falten, und seine weiten Ärmel wehten bei jeder Bewegung anmutig durch die Luft.
»Wo ist mein Pferd, schöne Gastgeberin?«, fragte er sie und nahm ihre Hand.
»Macht Euch keine Sorgen«, gab sie zur Antwort und legte seine Hand behutsam auf die warme, weiche Decke zurück, mit der sie ihn zugedeckt hatte. »Guillaume hat ihm Hafer gegeben, und wenn Ihr Euch nach einer guten Nacht erholt habt, könnt Ihr Euch wieder auf den Weg machen.«
Die Tür ging auf, und ein junger, großer, sehr gut aussehender Mann mit blauen Augen und schwarzen Augenbrauen kam herein.
»Sieh nur, Guillaume«, rief die junge Frau, »unser Schwerkranker scheint sich ganz gut zu erholen. Ich habe ihm ein schmerzlinderndes Mittel und etwas gegen das Fieber gegeben. Wenn es so weitergeht, kann er morgen oder übermorgen wieder weiterreisen.«
Meister Guillaume lachte zufrieden und sagte:
»Nun, mein Herr, nachdem Ihr jetzt scheint’s über den Berg seid, würden wir gern wissen, wie Ihr heißt.«
»Oh, wie unhöflich von mir!«, sagte Charles und rieb sich die Schläfen. »Mein Name ist Charles d’Angoulême, und ich bin auf dem Rückweg von Blois, wo ich meine Cousine Anne de Bretagne besucht habe, die Königin von Frankreich.«
»Die Königin! Sie ist Eure Cousine?«
»Um ehrlich zu sein, eigentlich ist Louis mein Cousin. Wir haben denselben Großvater.«
»Gütiger Himmel!«, rief Renaude und hielt sich den Kopf, »der Cousin des Königs liegt in unserem Bett!«
Da musste Charles
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