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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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hatte. Anne de Beaujeu hatte ihrer Gefangenen gestattet, hin und wieder in die Schlossgärten zu gehen, wo ich sie eines Tages traf, als ihr Wächter krank war und nicht wie sonst auf sie aufpassen konnte. Als sie mir erzählte, dass sie in dem Turm gefangen gehalten wurde und eine Tochter in meinem Alter hatte, tat sie mir sehr leid, und ich wollte ihr helfen. Deshalb habe ich ihr dann verraten, dass es ganz hinten im Park einen Geheimausgang gab, den man aber nicht sehen konnte, weil er ganz von Ästen und Efeu zugewachsen war. Ich wollte, dass diese Frau fliehen konnte, um ihre Tochter wiederzufinden. Sie hieß übrigens Léonore.«
    »Léonore!«, wiederholte Alix leise, »wie Jacquous Mutter.«
    »Und diese Léonore«, sagte Louise, die die Bemerkung nicht richtig gehört hatte, »war die Tochter eines großen Webers aus Brügge, Meister Thomassaint Cassex. Soweit ich weiß, hat sie sich nach ihrer Flucht auf den Weg nach Flandern gemacht und ist zu ihrem Vater zurückgekehrt. Später soll sie dann auch Teppichweberin geworden sein.«
    Alix wirkte sehr betroffen.
    »Das ist Jacquous Mutter, da bin ich mir ganz sicher. Es ist Jacquous Mutter«, murmelte sie vor sich hin und bat Louise mit einem Blick, ihr mehr davon zu erzählen.
    Louise war jetzt auch überrascht, zu welchem Rückschluss ihre Geschichte geführt hatte, und fragte aufmerksamer nach.
    »Was macht Euch denn da so sicher?«
    »Monseigneur Jean de Villiers hat mir erzählt, dass Jacquous Mutter irgendwie in den ›Verrückten Krieg‹ verwickelt war. Es gibt ja wohl kaum zwei Léonores, auf die das zutrifft. Das kann nur sie sein.«
    »War Monseigneur de Villiers damals nicht Mönch in Saint-Grégoire-de-Tours?«
    »Doch, aber jetzt ist er im Vatikan.«
    »Dann ist er also der Prälat, den man damals zusammen mit sechs Mönchen wegen Rebellion verurteilt hatte. Ich war da noch sehr jung, aber die Geschichte von den sechs Mönchen, die man hängen ließ, weil sie gegen die Regentin rebelliert hatten, hat mich tief getroffen. Ich habe Anne de Beaujeu nie gemocht, sie war hart und unnachsichtig mit mir. Ich glaube, sie hat mich gehasst, weil ich von Natur aus fleißig und tausendmal klüger als ihre eigene, ziemlich dumme und alberne Tochter, Suzanne, war.«
    Louise schwieg und dachte nach, dann sagte sie:
    »Ich glaube, Ihr habt Recht. Die Frau, von der ich Euch erzählt habe und der ich einen geheimen Fluchtweg aus dem Gefängnisturm von Bourges gezeigt habe, war bestimmt die Weberin, für die Ihr sie haltet.«
    »Was für ein seltsamer Zufall«, sagte Alix nur.
     
    Seit Charles wieder zu Hause war, ging es ihm von Tag zu Tag schlechter; mal klapperte er vor lauter Schüttelfrost mit den Zähnen, dann war seine Stirn wieder glutheiß.
    Marguerite de Rohan machte sich große Sorgen um ihren Sohn und ließ ihn keinen Augenblick allein. Unterstützt von Louise oder Antoinette weigerte sich die alte Frau hartnäckig, sich auszuruhen oder Nahrung zu sich zu nehmen.
    Derweil irrte Charles d’Angoulême vor Fieber keuchend und mit leerem Blick durch das Labyrinth seiner Bewusstlosigkeit, die niemanden mehr an eine vorübergehende Erkrankung glauben ließ. Wenn er ins Delirium fiel, wurde sein Gesicht wachsweiß, er schloss den Mund und presste seine Lippen so fest zusammen, dass sie nicht einmal mehr einen Tropfen von dem Wasser durchließen, das man ihm einflößen wollte.
    Ganz kurz schien er manchmal plötzlich wie aus einem Albtraum aufzutauchen und murmelte wirres Zeug, wobei er immer wieder die Namen von seinem Cousin Louis und seinem Sohn François aussprach, ehe er erneut in ein tiefes Koma versank.
    »Es ist schrecklich«, wiederholte die alte Gräfin de Rohan ein ums andere Mal und stampfte dazu mit ihrem Gehstock auf den Boden, »sein Pferd Pardaille ist heil und gesund zurückgekommen, aber mein Sohn steht auf der Schwelle zum Tod.«
    Doch diese Zornesausbrüche hielten auch nicht lange an, denn je mehr Charles’ Kräfte nachließen und je mehr er ohne Bewusstsein war, umso weniger wurde die alte Marguerite. Ohnehin schon klein und zierlich, war sie bald nur noch ein zusammengeschrumpfter kleiner Zwerg, der darauf wartete, dass ihr armer Sohn – und vermutlich auch sie selbst – erlöst wurde.
    Louise hatte ihre Kinder seit drei Tagen kaum noch gesehen. Seit sie wusste, dass ihr Mann sterben würde, wachte sie gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter und Antoinette ausdauernd und sehr aufmerksam bei ihm. Die blonde Jeanne schaute nur immer wieder

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