Die Seidenstickerin
Ursachen von Krankheit und Seuchen wusste, befürchtete man nun im Schloss, dass der Graf d’Angoulême seine rätselhafte Krankheit auf Alix übertragen haben könnte.
Hatte sie sich etwa mit diesem tödlichen Virus angesteckt, der Charles dahingerafft hatte? Musste sie jetzt auch sterben, wo sie doch so sehr auf Jacquous Rückkehr wartete?
Nach einer Besprechung, die einen ganzen Abend dauerte, beschlossen die drei Frauen, Alix in einem Nebengebäude zu isolieren, getrennt von den Kindern und Dienstboten für den Fall, dass sie eine ansteckende Krankheit hatte.
Nur Louise, die am wenigsten Angst vor einer Ansteckung hatte und der Meinung war, dass Alix einfach von ihrer Schwangerschaft erschöpft und depressiv war, machte ihr jeden Tag einen Besuch, während das Begräbnis von Charles vorbereitet wurde.
Als sie ihr eines Morgens einen Heiltrank bringen wollte, damit sie wieder etwas zu Kräften kam, hatte Alix hohes Fieber.
Während sie an ihrem Bett wachte, führte Alix wirre Selbstgespräche. So erfuhr Louise zu ihrer großen Verwunderung, dass ihr junger Schützling offenbar schon mit Jacquou verheiratet war, dessen Name in dem Fieberwahn ständig fiel.
Als Alix dann zu sich kam, sagte sie erst einmal nichts dazu. Sie schien sie aber nicht mehr zu erkennen, und so wagte Louise es nicht anzusprechen, was sie verstanden zu haben glaubte. Noch am selben Abend verschlechterte sich Alix’ Zustand, und Louise beschloss, einen der Ärzte zu rufen, die ihren Gatten behandelt hatten. Manchmal tauchte Alix aus ihrem Delirium auf und hatte wache Momente; einen davon nutzte Louise, um das schwierige Thema anzusprechen.
»Habt keine Angst, Alix. Ich lasse einen Doktor aus Angoulême kommen. Aber vorher müsst Ihr mir die Wahrheit sagen.«
»Welche Wahrheit, Louise?«
»Im Fieberwahn habt Ihr so einiges erzählt.«
»Was habe ich denn ausgeplaudert?«, fragte Alix, die schrecklich blass war.
Louise sah sie mitleidig an und nahm sich fest vor, nicht aufzugeben, ehe sie mehr erfahren hatte.
»Bitte versucht doch, meine Bedenken zu verstehen, Alix. Ich muss das wissen, für den Fall, dass Euch ein Unglück geschieht und das Kind ohne Mutter sein sollte. Ich weiß, dass Jacquou der Vater ist, aber wie genau steht Ihr zu ihm? Seid Ihr verheiratet?«
Alix bekam einen panischen Schrecken und brach in Tränen aus. Kalter Schweiß lief ihr über die Stirn, nach kurzer Zeit war ihr ganzer Körper schweißgebadet. Ihre Hände zitterten, das Herz schlug ihr bis zum Hals, und ein heftiger Fieberanfall machte alles noch schlimmer.
Louise nahm ihre Hand, woraufhin sie sich sofort ein wenig beruhigte.
»Macht Euch keine Sorgen. Im Gegensatz zu den anderen weiß ich, dass Eure Krankheit nicht ansteckend ist. Deshalb besuche und pflege ich Euch auch.«
»Ich weiß nicht, wie ich Euch das jemals danken soll, Louise«, murmelte Alix mit Tränen in den Augen. »Es macht mich nur so verzweifelt, dass ich so krank bin.«
»Deshalb müsst Ihr mir jetzt alles sagen. Ich muss die Wahrheit wissen. Das bleibt aber unter uns – ich schwöre es Euch beim Haupt meines Sohnes François, der einmal König von Frankreich wird.«
Alix nickte. Mittlerweile kannte sie die Geschichte des kleinen François, des mutmaßlichen Thronerbens. Sie wusste, dass François d’Angoulême, falls Königin Anne dem König keinen Sohn schenken sollte, nach dem Tod seines Vaters Charles an zweiter Stelle in der Thronfolge stand, seit Louis d’Orléans als König von Frankreich den Thron bestiegen hatte.
Alix hatte sich mit diesen ganzen Thronfolgegeschichten vertraut gemacht, und sie wog die einzelnen Möglichkeiten gegeneinander ab, als wäre sie selbst in die Thronfolge verwickelt.
Wenn Louise beim Haupte ihres Sohnes schwor, konnte sie ihr wirklich vertrauen. Sie sah sie mit ihren fiebrig glänzenden Augen an, legte die Hand auf ihren Bauch, seufzte und begann mit leiser Stimme:
»Der Vater von Jacquou ist Pierre de Coëtivy.«
»Coëtivy, der große Weber!«
»Ja, genau der. Er hat Jacquou mit der Frau gezeugt, von der Ihr mir erzählt habt und die Ihr aus dem Turm von Schloss Bourges gerettet habt, als Ihr noch ein kleines Mädchen wart.«
»Léonore!«
»Ja, die Tochter des Webermeisters aus Brügge.«
»Großer Gott! Das hätte ich mir eigentlich denken können, als wir von ihr gesprochen haben.«
»Meister Coëtivy ist nun aber leider strikt gegen unsere Verbindung.«
»Und warum, was hat er dagegen?«
»Vermutlich will er seinen Sohn,
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