Die Seidenstickerin
eine andere Bedeutung, Ihr ordnet es neu.«
Sie merkte, dass sie Antoinettes schwachen Punkt getroffen hatte, als sie von ihren Töchtern sprach.
»Jehanne ist am Hof in Amboise, wo es ihr sehr gut gefällt, wie Ihr wisst«, fuhr sie fort. »Bald wird sie die Königin verheiraten. Und da wollt Ihr Euch irgendwo einsperren und nur noch ein Schatten Eurer selbst sein?«
Antoinette seufzte nur, aber Louise entdeckte in ihren Augen einen winzigen Schimmer, den sie anfachen wollte.
»Und denkt nur einmal an Madeleine! Glaubt Ihr denn, dass ich jetzt, nach Charles’ Tod, in der Lage bin, mich ganz allein um die überaus schwierige Aufgabe zu kümmern, sie irgendwo als Nonne unterzubringen? Dabei weiß sie noch nicht einmal, welchem Orden sie beitreten will!«
»Das stimmt leider«, sagte Antoinette mit Bedauern in der Stimme.
»Ihr seht also, dass Ihr Euch unbedingt noch um Eure Töchter kümmern müsst. Vergesst nicht, dass sie auch die Kinder von Charles sind, Antoinette, und dass Ihr sie nicht einfach im Stich lassen und Euch in irgendeinem Konvent vergraben könnt.«
»Ach was! Ihr seid doch genauso verzweifelt wie ich, meine liebe Louise.«
»Das ist keine Ausrede. Es dauert nicht mehr lange, und dann sind wir ganz in der Nähe des Königs von Frankreich; ich weiß nämlich mittlerweile, dass er keinen Sohn bekommen wird.«
»Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein?«
Louise brach in Gelächter aus.
»Ach, das ist mein Geheimnis, meine liebe Antoinette, und das werdet Ihr nie erfahren. Zerstreut Euch jetzt ein wenig, geht im Park spazieren; diese Jahreszeit färbt unsere Bäume so schön bunt, und sie leuchten so herrlich in der Wintersonne. Unsere Bäume, Antoinette, der einzige prächtige Schmuck unserer Güter! Wollt Ihr etwa auch die Bäume im Stich lassen? Immerhin wart Ihr es, die mich auf den Geschmack langer Spaziergänge durch die Landschaft hier gebracht hat, die ich damals noch nicht kannte.«
Sie nahm ihre Hand und drückte sie zärtlich.
»Später macht Ihr dann ein bisschen Musik oder stickt etwas zusammen mit Souveraine, wenn Ihr nicht in der Stimmung seid, zu Madeleine in die Kapelle zu gehen und mit ihr zu beten.«
Jetzt lächelte Antoinette schüchtern und sah nicht mehr ganz so abweisend und gleichgültig aus. Louise merkte, dass sie ein wenig heiterer war und nutzte die Gelegenheit.
»Außerdem ist da ja noch Marguerite, die Souveraine über alles liebt, und Souveraine, die ganz verrückt nach François ist. Was sollten sie denn tun, wenn sie auf einmal nicht mehr zusammen wären? Wir sind eine große Familie, Antoinette, und wir müssen zusammenhalten, um uns besser auf den Tag vorzubereiten, an dem wir den Hofstaat übernehmen müssen.«
Aber Antoinette zuckte nur müde und gelangweilt die Schultern, obwohl ihr die gut gemeinten Ratschläge von Louise mit einem Mal sehr klug vorkamen.
»Ich habe eine Idee! Macht doch einen Besuch bei der kleinen Alix«, schlug Louise jetzt vor. »Seit wir sie aus Angst vor Ansteckung aus dem Schloss verbannt haben, ist sie sehr einsam. Nur ich besuche sie regelmäßig. Aber wir wissen ja jetzt alle, dass sie nicht ansteckend, sondern nur geschwächt, ein wenig fiebrig und besorgt ist. Seht doch nach ihr, sie freut sich bestimmt sehr über Euren Besuch.«
»Ich glaube gern, dass sie sich wie ein braves Mädchen benimmt, Louise.«
Louise musste lächeln. »Darf ich Euch daran erinnern, dass sie schwanger und kein kleines Mädchen mehr ist.«
»Aber sie erst vierzehn! So alt wie Madeleine, also noch sehr jung.«
»Deswegen mache ich mir ja auch solche Sorgen um sie. Es kommt mir vor, als hätte sie sich aufgegeben. Ich fürchte, unter diesen Umständen wird die Entbindung sehr schwierig. Sie ist in keiner guten Verfassung – ganz im Gegenteil. Ich bitte Euch, Antoinette, macht ihr einen Besuch.«
»Aber ich kenne sie ja eigentlich gar nicht, Louise.«
»Ich muss doch bitten, Antoinette! Ohne sie hättet Ihr Euren Gatten nicht lebend wieder gesehen und müsstet jetzt vor seinem Sarg weinen, ohne Euch in Frieden von ihm verabschiedet zu haben. Muss ich Euch wirklich daran erinnern?«
Louise sah sich nun also gezwungen, die verschiedenen Verpflichtungen des Grafen d’Angoulême zu übernehmen, verbunden mit einer ganz neuen Verantwortung, an die sie nicht gewöhnt war und die ihr große Schwierigkeiten bereitete, weil ihr Charles außerdem auch nur ein sehr mageres Erbe hinterlassen hatte.
Zur Beerdigung kamen Freunde und Verwandte, die
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