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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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rief: »Wir haben einen König! Lang lebe Jakobus der I.«
    Doch durch den Schlag auf den Rücken hatte sich der Krümel in Jacobs Hals gelöst, denn dieser war es, der den Hustenanfall bei dem unglücklichen Knecht verursacht hatte, und nicht etwa die Bohne. Jakob hustete erneut, und Tränen liefen ihm über die Wangen, doch er schüttelte den Kopf. Der König stand noch nicht fest. Voller Spannung wandten sich alle wieder ihrem Kuchen zu.
    Fygen spürte es mit der Zunge zuerst. Da war sie, fest und glatt. Vorsichtig prüfte sie mit den Zähnen, ob es wirklich die Bohne war. Ja, kein Zweifel. Sie, als Gast, hatte die Bohne bekommen. Ein schalkhaftes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, und wieder war es Rudolf, der die Stimme erhob: »Du hast sie, nicht wahr? Du hast die Bohne erwischt.«
    Fygen nickte, und so vornehm es eben möglich war, spuckte sie die Bohne auf ihre Handfläche.
    »Es ist Fygen! Fygen ist König«, krähten die Zwillinge.
    »Du musst deinen Hofstaat bestimmen, so will es der Brauch«, drängte Rudolf.
    Fygen blickte in die Runde. Als Königin wählte sie die dralle Lena, Rudolfs Vater machte sie zum Kanzler. Und selbstverständlich wurde Rudolf zum Narren auserkoren.
    »Das muss gefeiert werden«, verkündete der Kanzler. »Es ist des Königs Pflicht, zwei Quart Wein zu spendieren. Alles Weitere geht auf Haushaltskosten.«
    Bestürzt griff Fygen in die Rocktasche und brachte ihren Albus zum Vorschein. »Das ist alles, was ich habe«, sagte sie und legte das Geldstück auf den Tisch.
    »Dafür bekommt man eine Menge Wein«, beruhigte sie ihr Kanzler. »Vergesst nicht, Euer Hoheit, wir sitzen hier an der Quelle. Majestät erlauben«, sagte er und nahm mit einer tiefen Verbeugung das Geldstück auf. Er verschwand in Richtung Schankstube, um kurz darauf mit zwei großen Karaffen dunkelroten Weines an den Tisch zurückzukehren. Das Wechselgeld ließ er beiläufig in Fygens Hand gleiten. Das Mädchen öffnete die Hand. Da lagen ein Schilling und zehn Pfennige. Rudolfs Vater hatte ihr den Wein für ganze zwei Pfennige gelassen.
    Schnell drückte er ihre Hand zu, rief: »Wir trinken auf das Wohl des Königs«, und erhob sein Glas.
    »Das Wohl des Königs.«
    »Auf den König«, taten es ihm die anderen gleich und leerten ihre Becher.
    »Was sollen wir unter deiner Herrschaft tun?«, wollte Rudolf wissen.
    »Zunächst einmal gehörig speisen«, wies der Kanzler an, und alle, außer König und Königin, trugen die Speisen auf, die in der Küche bereits vorbereitet worden waren.
    »Meine Regentschaft ist friedfertig, wir sollten daher nur mit dem Löffel essen«, bestimmte König Fygen. »So etwas Gewalttätiges wie Messer haben an meiner Tafel nichts verloren. Und damit es nicht zu einfach wird, essen wir alle nur mit der linken Hand.«
    Die Königin brachte daraufhin unter allgemeinem Gelächter das Tischtuch in Sicherheit.
    Es war kein leichtes Unterfangen, eine kalte Hühnerkeule auf den Löffel zu bugsieren. Dann auch noch davon abzubeißen stellte sich als wirkliche Herausforderung dar. Mit den Bratenscheiben verhielt es sich ähnlich, und so geriet das Festmahl zu einer ziemlich ausgelassenen Geselligkeit, zumal alle gehörig dem guten Roten aus dem van Bensbergschen Keller zusprachen.
    Fygen wusste nicht, wann sie das letzte Mal so ausgelassen gelacht hatte, und als Rudolf sie spät in der Nacht nach Hause brachte, dankte sie ihm herzlich. Es war dunkel in den Gassen, und Rudolf leuchtete ihnen den Weg mit einer Fackel. Mitten auf dem Alten Markt blieb er plötzlich stehen und legte einen Arm um Fygens Schultern. Leicht betrunken zog er sie an sich und suchte mit seinen Lippen die ihren. Fygen schrak angeekelt zurück. Sofort stieg Übelkeit in ihr auf, und sie stieß ihn heftig von sich. Mit einem Schlag war sie klar und nüchtern, und die wunderbare Stimmung war verschwunden. »Rudolf, hör auf mit dem Blödsinn«, schalt sie. »Du bist mir lieb, aber mach nicht den schönen Abend kaputt. Ich bitte dich.«
    »Oh, entschuldige. Ich dachte nur … Sei bitte nicht böse.«
    Im schwachen Licht der Fackel sah Fygen, wie er betreten den Kopf hängen ließ. »Ich bin nicht böse, wenn du versprichst, das nie wieder zu tun«, sagte sie. »Nie wieder, hörst du?«

14. Kapitel
    E rst zu St. Sebastianus besserte sich das Wetter. Es wurde kalt, doch die Wintersonne schien, als gelte es, einen Preis zu gewinnen. Nach den Feierlichkeiten der letzten Wochen stand nun noch eine letzte, allerdings

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