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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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verbrachte sie die Tage faul auf ihrem Bett liegend und starrte Löcher in die Luft.
    »Was gibt es hier zu kichern? Wenn ihr Zeit für Unsinn habt, habt ihr auch Zeit, mehr zu arbeiten.« Mettels scharfe Zurechtweisung zerstörte die fröhliche Stimmung, als die Lehrherrin, direkt gefolgt von ihrer Tochter, die Werkstatt betrat. Längst hatte sie es aufgegeben, herausfinden zu wollen, warum Lehrmädchen lachten, kicherten oder worüber sie getuschelt hatten. Es war müßig, und die Wahrheit würde sie ohnehin nie erfahren. So erwartete sie keine Antwort auf ihre Frage, sondern nahm die Webstühle in Augenschein. Ihr geübtes Auge erkannte sofort, dass Fygen gute Arbeit geleistet hatte – weit bessere, als Grete es vermochte. Doch die Arbeit ging insgesamt zu langsam voran. Immer wieder mussten Katryn und Fygen ihre Arbeit unterbrechen, um Hylgen beim Aufscheren des leeren Webstuhles zur Hand zu gehen, eine Arbeit, die nun einmal schwerlich allein zu bewerkstelligen war.
    Fygen sprang von ihrem Sitz und wandte sich zur Tür.
    »Wo willst du hin?«, wollte Grete argwöhnisch wissen.
    »Austreten, oder willst du mich daran hintern – äh, hindern?«, fragte Fygen mit gespielt unschuldigem Blick. Wusste sie doch, dass allein die Erwähnung dieses Wortes Grete in Rage versetzte.
    Es war jedoch Mettel, die sie anfuhr: »Du solltest mehr Mitleid haben mit deiner armen verletzten Base, du herzloses Ding. Schlimm genug, dass sie solche Schmerzen leidet. Du musst sie nicht noch verspotten.«
    Mettel war höchst unzufrieden mit der Menge der gewebten Stoffe. So ginge das nicht weiter. Die Mädchen würden einfach schneller arbeiten müssen. Nun, sie würde ihnen schon Beine machen. »Ihr solltet euch vielmehr bemühen, Grete eine Freude zu machen, indem ihr schneller arbeitet und ihre Aufgaben mit erledigt. Ihr müsst euch mehr anstrengen«, fuhr sie, an alle gewandt, fort. »Ich erwarte, dass ihr euch von nun an ein bisschen beeilt«, verkündete sie und rauschte aus der Werkstatt, gefolgt von ihrer leidenden Tochter, die es nicht versäumte, Fygen einen triumphierenden Blick zuzuwerfen.

    Irgendetwas bei ihren Vorkehrungen gegen die zunehmende Macht der bösen Geister, die Grete am Johannistag vorgenommen hatte, musste falsch gewesen sein. Denn schon wenige Tage darauf wurde das Elnersche Haus erneut von einem Schicksalsschlag heimgesucht. Einem, der die Arbeitsleistung der Seidenweberei erneut deutlich verringern sollte. Einem wirklichen Schicksalsschlag diesmal.
    Nach der kurzen Mittagspause, Mettel hatte ihnen wie in den vergangenen Tagen nur eine Viertelstunde eingeräumt, in der sie hastig ihre dünne Kohlsuppe löffeln konnten, um sie dann wieder an die Werkstatt zu scheuchen, platzte Fygen der Kragen. »Jetzt reicht es mir. Ich arbeite wirklich gerne, aber das hier ist eine Frechheit. Wir haben ohnehin die längsten Tage im Jahr und arbeiten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang«, schimpfte sie.
    Die Schufterei war wirklich unerträglich geworden. Mehrmals am Tag kam Grete herein, um sie anzutreiben oder zu meckern, dass dieses oder jenes noch nicht getan war. Ihr selbst jedoch diente ihr verbrannter Hintern nach wie vor als guter Grund, sich von der Arbeit fernzuhalten.
    »Du hast recht«, stimmte Katryn zu. Auch sie hatte eine Riesenwut auf Mettel und ihre Schinderei, doch befürchtete sie, Fygen könnte die Situation durch ihren Zorn noch verschlimmern. »Soll die alte Hexe doch wettern«, fuhr sie diplomatisch fort. »Ich finde, wir haben eine längere Pause verdient. Und wir verbinden das Angenehme mit dem Nützlichen. Kennt ihr eigentlich den Unterschied zwischen Taft und Köper? Kommt her.« Trotz aller Arbeit versuchte Katryn immer noch zusätzlich, Fygen und Hylgen etwas beizubringen, denn außer ihr tat das niemand, und sie wusste, wie wissbegierig gerade Fygen war, wenn es um die Seidenweberei ging. Ihre Rechnung ging auf. Fygen ließ sich ablenken und beeilte sich, mit Hylgen neben Katryn Aufstellung zu nehmen. Diese deutete auf die Fäden an ihrem Webstuhl und fing an zu erklären: »Ihr seht ja hier, wie sich Kett- und Schussfäden im Wechsel über- und untereinanderlegen, nicht wahr? Diese Verkreuzung heißt Bindung. Die einfachste Form der Bindung, also einen Faden rauf, den nächsten Faden runter, den folgenden wieder rauf, heißt üblicherweise Leinenbindung. Wir jedoch in der Seidenweberei nennen sie Taftbindung. Wir benötigen nur zwei Schäfte zur Herstellung, und der Stoff wird sehr fest.

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