Die Seilschaft
«Schön, dass Sie den Weg zu mir gefunden haben.» Landauer stand auf und eilte auf ihn zu. «Was möchten Sie trinken? Wasser, Bier oder einen Prosecco?» Er spielte den Wissenden. «Ihr Franken seid Genießer, Weintrinker. Habe ich nicht recht?»
Kilian lächelte gezwungen. «Das sagt man den Franken vom Main nach. Ein stilles Wasser tut’s aber auch.»
«Stilles Wasser?» Landauer überlegte, dann lachte er. «Sohabe ich das noch nie gesehen. Franken und stilles Wasser. Netter Witz.»
Dann schritt er zur Tür und wies seine Sekretärin an, aus dem vorhandenen Wasser die Kohlensäure zu schütteln. Die schaute pikiert.
«Nun, Herr Kilian», fuhr Landauer fort und wies ihm einen Platz zu. Dabei strich er sich die Krawatte glatt, überlegte, wie er das Gespräch beginnen sollte. «Wie Sie wissen, befinden wir uns in der heißen Phase des Wahlkampfs. Nicht mehr lange, dann gilt es, das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen, damit unser schöner Freistaat wieder zu seiner alten Stärke zurückfindet.»
Wollte der Kerl ihm eine Wahlkampfrede halten, fragte sich Kilian. «Der Wähler wird schon wissen, was er an Ihnen hat.»
Für einen Moment unschlüssig, dann aber wieder ganz der Alte, griff Landauer in eine Plastiktüte und holte eine Handvoll Buttons hervor. Er reichte sie Kilian und legte noch ein paar Lutscher obendrauf.
«Für die Kleinen. Erdbeer- und Maracujageschmack – garantiert aus biologischem Anbau. Bayrischem, versteht sich.»
Kilian schob sie unbeeindruckt zur Seite.
«Lassen Sie uns über den Grund dieses Treffens sprechen.»
Inzwischen kam auch sein stilles Wasser, und er schob es ebenso von sich weg.
«Herr Klein sagte mir, dass Sie uns im Mordfall Petra Bauer behilflich sein können.»
Landauer heuchelte Mitgefühl. «Das ist eine unschöne Sache, und außerdem kommt sie uns sehr ungelegen.»
«Petra Bauer ist keine Sache.»
«Natürlich.» Landauer korrigierte sich eilig. «Das war ungeschickt ausgedrückt. Entschuldigen Sie. Ihr Tod hat uns alle sehr getroffen.»
«Petra Bauer war Ihnen demnach bekannt?»
«Nur peripher. Aber trotzdem auffällig.»
«Inwiefern?»
«Sie hatte etwas an sich, etwas Spontanes, Offenherziges und Gewinnendes. Man könnte sagen, sie war ein Naturtalent.»
«Wofür?»
«Für die Politik natürlich. Mit so einem Gesicht und so einer Ausstrahlung gewinnen Sie jede Stimme.»
«War sie denn politisch aktiv?»
«Sie kam aus unserer Jugendorganisation und machte ein Praktikum in der örtlichen Wahlkampfzentrale. Dabei fiel sie durch ihre Umsichtigkeit und ihre neuen, ja, zum Teil frechen Ideen auf. Sie war begeisternd. Wir hatten große Pläne mit ihr.»
«Welcher Art?»
Landauer schaltete einen Gang zurück. «Das hätte man noch gesehen. Man musste ja abwarten, wie sich entwickelt. Aber ihr Potenzial war unverkennbar.»
«Sie wurde vor vierzehn Tagen als vermisst gemeldet. Das war gleich nach der Veranstaltung Ihrer Partei in der Würzburger Residenz. Ihre Eltern wollen sie dort das letzte Mal gesehen haben.»
«Zuletzt gesehen heißt aber ja nicht, dass sie gleich danach tot war. Sie hat die Veranstaltung bestimmt lebend verlassen und ist wohl erst auf ihrem Weg nach Hause abhandengekommen.»
«Abhanden?»
«Nennen Sie es, wie Sie wollen. Tatsache ist, dass sie während der Veranstaltung putzmunter war. Ich selbst konnte mich davon überzeugen. Wenn wir von ihrem Tod sprechen, dann hat das mit uns überhaupt nichts zu tun.»
«Wer ist
uns
?»
«Die Partei natürlich. Wir sind wie eine Familie. Wir kümmernuns.» Er wies auf ein Wahlplakat, das Schulkinder im Kreise ihrer Eltern an der Seite eines Politikers zeigte.
Kilian machte Anstalten zu gehen. Diese Unterhaltung hätte er sich schenken können. Was hatte sich Klein nur gedacht, ihn mit einem aufgeblasenen, unablässig die Werbetrommel rührenden Politiker zu belästigen?
«Bevor Sie es von anderen hören», setzte Landauer an, «Petra Bauer hatte an jenem Abend ein Gespräch mit unserem Generalsekretär Werner Schwerdt.»
Also darum ging es hier. Landauer war nur der Vorbereiter. Sein eigentlicher Gesprächspartner war dieser Schwerdt. Ein Generalsekretär hatte ein Gespräch mit einer Praktikantin geführt. War daran etwas ungewöhnlich?
«Wer Böses im Sinn hat, könnte darin etwas Verfängliches sehen», schob Landauer nach.
Was war das nun wieder für eine rätselhafte Umschreibung?
«Klären Sie mich auf.»
«Wie gesagt, Petra war alles andere als unattraktiv. Im Gegenteil,
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