Die Seilschaft
Bender freilassen. Sein Anwalt hat darauf bestanden. Er steht ja nicht mehr unter Tatverdacht.»
Das war zwar noch nicht ausgeschlossen, aber Benderwar Kilians kleinstes Problem. Der verschwundene Werner Schwerdt beunruhigte ihn.
«Telefonier mal rum, ob du Schwerdt ausfindig machen kannst. Wenn du ihn hast, dann bestell ihn ein. Ich habe ein paar Fragen an ihn.»
«Sollte das nicht Schneider erledigen?»
«Ich habe ihn Ute Mayer an die Seite gestellt. Er soll zweimal täglich Bericht erstatten, ob sich in ihrem Umfeld etwas tut. Gibt es sonst was Neues?»
«Ein paar Anrufe. Ich habe sie notiert. Liegt alles auf deinem Schreibtisch.»
Kilian ging die Telefonnotizen durch. Es war nichts Dringendes dabei. Einzig ein Anruf eines gewissen Bruder Vinzenz ließ ihn aufmerken. Er bat um Rückruf.
«Wer ist Bruder Vinzenz», rief Kilian ins Nebenzimmer hinüber, «und was wollte er?»
«Er hat’s mir nicht gesagt. Er wollte unbedingt mit dir sprechen.»
Während Kilian seine Nummer wählte, las er seinen Namen ein ums andere Mal.
Vinzenz.
Vinzenz begann mit einem V.
Konnte mit diesem V der Eintrag in Ute Mayers Terminkalender gemeint sein?
«Bruder Vinzenz», hörte er am anderen Ende der Leitung.
«Kilian hier, Kripo Würzburg. Sie hatten angerufen.»
Vinzenz schien erleichtert. «Herr Kilian … schön, dass Sie anrufen. Ich möchte gern mit Ihnen sprechen.»
«Worum geht’s?»
«Das möchte ich Ihnen lieber persönlich sagen.»
«Gut, dann kommen Sie in die Weißenburger Straße.»
«Das wäre mir sehr unangenehm. Ein Priester bei der Polizei. Manche könnten da auf falsche Gedanken kommen.»
«Hören Sie, ich bin sehr …»
«Ich weiß … beschäftigt. Aber in diesem Fall bitte ich Sie, eine Ausnahme zu machen. Es handelt sich um eine sehr delikate Angelegenheit.»
Kilian seufzte. Einzig das Rätsel um den Buchstaben V ließ ihn ein zweites Mal über die Bitte nachdenken.
«Nun gut. Wo finde ich Sie?»
Bruder Vinzenz gab ihm seine Adresse. Er wohnte in der Nähe des Kardinal-Döpfner-Platzes. Kilian wollte so schnell wie möglich vorbeikommen.
Zuvor galt es, ein zweites Telefonat zu führen.
Er wählte eine Nummer des Bundesnachrichtendienstes und verlangte nach Peter Müller. Kilian hatte in seiner Zeit beim Landeskriminalamt nie herausgefunden, ob das sein richtiger Name war.
«Müller.»
«Kilian hier.»
«Jo?»
«Exakt.»
«Warte, ich schalte dich um.»
Die Verschlüsselung wurde eingeschaltet. Sie sollten jetzt auf einer abhörsicheren Leitung sprechen.
«Kilian, alter Schwede, wie geht’s?»
«Überraschend gut», antwortete Kilian und presste sein Leben der letzten Jahre in eine Fünf-Minuten-Version. Dann schilderte er ihm sein Anliegen.
Wurde Ute Mayers Handy abgehört?
«Davon ist mir nichts bekannt», antwortete Müller, «und es ist höchst unwahrscheinlich. Du weißt, wir arbeiten mittlerweile verstärkt für die Bundeswehr. Der Verfassungsschutz könnte eher dein Ansprechpartner sein.»
«Kannst du dich für mich umhören? Es ist wichtig.»
«Das wird aber ein bisschen dauern.»
«Meldest du dich?»
Müller versprach es und legte auf.
Wenn Ute Mayers Handy tatsächlich abgehört wurde, Müller würde es herausbekommen. Er war seit Ewigkeiten beim Dienst und hatte die entsprechenden Kontakte.
Kilian fühlte sich müde, ungeduscht und hungrig.
«Ich bin dann mal weg», sagte er.
«Wohin gehst du?»
«Offiziell bin ich bei diesem Bruder Vinzenz.»
«Und inoffiziell?»
«Zu Hause unter der Dusche. Wenn was ist, klingle durch.»
Auf dem Weg zu seiner Wohnung besorgte er sich eine Tüte Antipasti vom Italiener und eine Stange Weißbrot. Bis ins Badezimmer hatte er die Hälfte davon bereits verspeist.
Und als er das warme Wasser der Dusche auf seinem Körper fühlte, erinnerte ihn das an seine Zeit im Süden.
Sonne, Strand und Meer.
Gleich nachdem sein Kind zur Welt gekommen war, würde er Urlaub einreichen und mit Pia und dem Kleinen eine Woche verschwinden.
Aber konnte man das einem Säugling überhaupt zumuten? Kilian hatte nicht den blassesten Schimmer.
33
Sein Handy surrte die Melodie von
Mission Impossible.
Kilian war auf der Couch eingeschlafen. Er tastete nach dem Unruhestifter.
«Kilian.»
Das Erste, was er hörte, war das Klingeln einer Straßenbahn. Darauf meldete sich eine verzerrte, aber bekannte Stimme. Es war Peter Müller.
«Offiziell nein», sagte er, «zehn null neun, dreiundzwanzig. Viel Glück.»
Dann legte er
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