Die Seilschaft
über den Aufbau des Clubs in den Schatten stellte.
Kilian musste unbedingt mehr über Hilde Michalik in Erfahrung bringen.
Schneider war an der Seite Ute Mayers, Sabine Anschütz schon längst im Feierabend. Wer könnte ihn auf die Schnelle mit konkreten Hintergrundinformationen beliefern?
Werner Schwerdt fiel ihm prompt ein. Der hatte Hilde Michalik bei seinem betrunkenen Auftritt im Parteibüro sogar als
Strippenzieherin
bezeichnet.
Wieso hatte Kilian die Anschuldigung nicht ernst genommen? Gerade Betrunkene sprachen oft die Wahrheit aus.
Schwerdt würde wissen, wer Hilde tatsächlich war.
Doch wo war er abgeblieben? Seit letzter Nacht schien er wie vom Erdboden verschluckt. Sabine wollte sich darum kümmern. Sie hatte bisher keine Informationen geliefert.
Er rief sie an. «Hast du schon etwas über den Verbleib von Werner Schwerdt herausbekommen?»
«Fehlanzeige», antwortete Sabine. «Hat das nicht bis Montag Zeit?»
Bis Montag? Erst jetzt realisierte Kilian, dass es bereits Freitag war. Die letzten Tage waren turbulent gewesen, er hatte jedes Zeitgefühl verloren.
Freitag.
Heute sollte laut Ute Mayers Eintrag in ihrem Terminkalender MP in Schweinfurt sein.
«Wo steckt Schneider?», fragte er Sabine.
«Er hat sich vorhin aus Schweinfurt gemeldet.»
«Was hat er berichtet?»
«Dass alles ruhig sei, keine besonderen Vorkommnisse.»
«Sonst nichts?»
Sabine zögerte. «Doch. Alle seien ziemlich aufgeregt, weil der Ministerpräsident heute Abend eine Wahlkampfrede hält, die im Fernsehen übertragen wird.»
Ministerpräsident. Abgekürzt: MP.
Das war’s also.
HM, Hilde Michalik, hatte für Ute Mayer ein Dossier vorbereitet, das offenbar MP, dem Ministerpräsidenten, schaden sollte.
«Hat Schneider gesagt, wann die Rede stattfindet?»
«Eigentlich jeden Moment. In fünf Minuten, um genau zu sein.»
Nach Schweinfurt waren es rund fünfzig Kilometer. Wenn Kilian in die Inspektion fuhr, ein Fahrzeug organisierte und sich im Feierabendverkehr nach Schweinfurt durchquälte, würden gut neunzig Minuten vergehen. Bis dahin war die Rede des Ministerpräsidenten vorüber.
Er musste auf Schneider vertrauen.
«Kann ich sonst noch etwas für dich tun?», fragte Sabine. «Ich treffe mich gleich mit Freunden.»
«Viel Spaß», antwortete Kilian geistesabwesend und klickte das Gespräch weg.
Was jetzt?
Irgendetwas ging in Schweinfurt vor, etwas, das mit Hilde Michalik, Ute Mayer und dem Ministerpräsidenten zu tun hatte.
Das Dossier.
Würde der Club seiner bewährten Vorgehensweise treu bleiben und den Ministerpräsidenten mit einem kompromittierenden Dossier über seine Verfehlungen aus dem Amt jagen?
Ein gewagtes Unterfangen. Aber die Gelegenheit war günstig. Alle Augen schauten auf den Live-Auftritt des Landesvaters.
Schneider musste informiert werden.
«Wo steckst du?», fragte Kilian.
«Im Saalbau, in dem der Ministerpräsident soeben eintrifft», antwortete Schneider.
Im Hintergrund schwoll Applaus und Marschmusik an.
«Hast du Ute Mayer noch im Blick?»
«Ja, sie sitzt in der ersten Reihe bei den anderen Politikern.»
«Hat sie so etwas wie eine Akte bei sich?»
«Kann ich nicht sagen. Jeder von denen hat irgendetwas dabei.»
«Überprüf es.»
«Was?»
«Tu es! Jetzt.»
Kilian hörte, wie Schneider sich auf den Weg machte. Vorbei an jubelnden Anhängern, bis er eine empörte Ute Mayer am Apparat hatte.
«Was fällt Ihnen ein», fauchte sie ins Telefon, «mich vor allen Leuten bloßzustellen?»
«Ich weiß, was Sie vorhaben», antwortete Kilian ruhig.
«Nichts wissen Sie!»
«Sie wollen den Ministerpräsidenten auf offener Bühne mit einem Dossier in Verlegenheit bringen.»
Er hörte sie förmlich grinsen. «Wenn es nicht so traurig wäre, müsste ich lachen. Sie sind so etwas von ahnungslos …»
Das klang echt. Hatte Kilian sich geirrt?
«Sagen Sie mir, womit Sie dann den Ministerpräsidenten zu Fall bringen wollen.»
«Ich will gar nichts. Das erledigen andere.»
«Andere wie Hilde Michalik?»
«Was wollen Sie von Hilde? Sie hat nichts damit zu schaffen.»
«O doch, Sie hat das Dossier zusammengestellt, das Sie gegen den Ministerpräsidenten einsetzen wollen.»
«Noch einmal. Es gibt kein Dossier.»
«Ich habe es aber in Ihrem Terminkalender gelesen.»
«Sie haben was?»
«Er lag offen herum.»
Ute Mayer hielt für einen Moment inne. «Egal. Sie liegen vollkommen daneben.»
«Auch, dass Hilde Michalik Sie abhören lässt?»
Wieder verstrichen ein paar
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