Die Seilschaft
auf die Uhr.
«Es geschieht gerade eben.»
Er erhob sich, öffnete den Wandschrank, in dem ein Fernsehgerät eingelassen war, und schaltete auf den Kanal, der die Rede aus dem Saalbau in Schweinfurt übertrug.
«Was ist daran kriminell?», fragte Kilian ironisch.
«Warten wir noch einen Moment. Gleich müsste es so weit sein.»
Gemeinsam verfolgten sie die Rede, bis Kilian die Geduld verließ.
«Ich kann daran nichts …»
Er wurde von einer Reporterin eines Besseren belehrt. Sie berichtete live aus dem Vorraum des Saalbaus.
«Wir unterbrechen die Rede für eine Sondermeldung. Die Ehefrau des Spitzenkandidaten der Opposition, Charlotte Henning, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Spitze der Partei. Sie behauptet, das Privatleben ihres Mannes sei vom ehemaligen Generalsekretär Werner Schwerdt ausspioniert worden. Ziel sei es gewesen, etwaige
Schwachstellen
zu erkunden, um sie im Wahlkampf gegen ihn einzusetzen. Dies sei nicht nur mit Duldung der Parteiführung geschehen, sondern sogar in ihrem Auftrag.» Die Kamera schwenkte zur Seite. Charlotte Henning trat ins Bild. «Das sind ungeheure Vorwürfe, die Sie erheben, Frau Henning. Wie können wir Ihnen das glauben?»
Charlotte Henning schien auf ihren Fernsehauftritt bestens vorbereitet. Aus einer Akte nahm sie ein Bild heraus und hielt es in die Kamera.
«Dies ist die Aufnahme einer Wohnung in der Nähe der Münchner Wies’n. Am Fenster kann man Werner Schwerdt gut erkennen. Ich wurde unter Vorgabe falscher Tatsachen dorthin gelockt …»
«Welche falschen Tatsachen?», fragte die Reporterin.
«Es hieß, mein Mann sei in Gefahr.»
«Welche Art von Gefahr?»
«Gefahr für sein privates, aber auch politisches Leben.»
«Haben Sie das nicht sofort der Polizei mitgeteilt?»
«Nein.»
«Warum nicht?»
«Ich wollte meinen Mann gegen falsche Anschuldigungen schützen und mir erst selbst ein Bild machen, bevor ich die Polizei offiziell einschaltete. Es gibt viele Anfeindungen im politischen Leben, die sich im Nachhinein als haltlos herausstellen.»
Und was geschah dann an diesem Ort?
«Als ich die Wohnung betrat, empfing mich Werner Schwerdt. Erst wollte ich sofort wieder gehen, dann zeigte er mir aber Unterlagen, die meinem Mann ruinieren würden.»
«Welche Unterlagen?»
«Dazu möchte ich im Moment nichts weiter sagen, doch der Großteil hat sich jetzt als infame Lügen und Fälschungen herausgestellt.»
«Was passierte dann?»
«Er zwang mich, Einzelheiten aus unserem privaten Umfeld und aus der politischen Arbeit meines Mannes mit ihm zu teilen.»
«Sie meinen, Werner Schwerdt hat Sie erpresst?»
«So kann man es nennen.»
«Das sind schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Generalsekretär und die Spitze der Partei.»
«Ich weiß», unterbrach Charlotte Henning, «dass mir diese Anschuldigung als politisches Störfeuer ausgelegt wird. Doch ich bitte Sie, mir zu glauben. Ich habe einen Zeugen, einen sehr glaubhaften, der alles bestätigen kann.»
Ein Mann trat an ihre Seite.
«Wer sind Sie?», fragte die Reporterin.
«Mein Name ist Dieter Ferch, und ich bin der ehemalige Büroleiter Werner Schwerdts.»
«Können Sie die Anschuldigungen, die Frau Henning erhoben hat, bestätigen?»
Er wirkte betroffen. «Es hat sich alles so zugetragen, wie Frau Henning es beschreibt. Ich erhielt von Herrn Schwerdt den Auftrag, eine Wohnung anzumieten, wo das Treffen stattfinden konnte. Aus Gründen der Tarnung lief die Wohnung unter dem Namen einer Verwandten. Die Miete hat sie im Zuge eines vorgetäuschten Praktikantenplatzes erhalten.»
«Wer wusste noch von dieser ominösen Wohnung?»
«Der Vorgang wurde streng geheim gehalten, mit einem wöchentlichen Bericht nach oben.»
«Wer oder was ist
oben
?»
«Ganz oben.»
«Wurde die Wohnung auch noch zu einem anderen Zweck genutzt als zur Erpressung Charlotte Hennings?»
«Ja.»
«Zu welchem?»
«Werner Schwerdt hat sich dort mit verschiedenen Frauen getroffen.»
«Welchen Frauen? Wozu?»
«Darauf möchte ich nicht antworten. Jeder mit einem gesunden Menschenverstand kann es erahnen.»
«Gibt es dafür Beweise?»
Wieder wurde die Akte bemüht, die Charlotte Henning in den Händen hielt. Sie nahm ein Foto heraus. Eine unbekannte junge Frau war mit Werner Schwerdt am Fenster der Wohnung zu sehen.
Die Reporterin seufzte. «Das sind tatsächlich sehr überzeugende Aufnahmen von einer konspirativen Wohnung im Münchner Westen, die von Mitgliedern der Parteispitze genutzt wurde. In der Pause
Weitere Kostenlose Bücher