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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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großer, breitschultriger Mann stand über Armand gebeugt, und er merkte sofort, dass ich wach wurde, denn er drehte sich zu mir um und das Ding, das er mir vors Gesicht hielt, war ein Revolver.

Kapitel 13 |
    Ich glotzte erst den Revolver an, dann den Mann, und ich muss dabei ein ziemlich dummes Gesicht gemacht haben. Jedenfalls war ich noch zu verschlafen, um zu erschrecken oder aufzuschreien. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die die Augen aufschlagen und sofort hellwach sind. Es dauert im Gegenteil immer eine ganze Weile, bis ich im Stande bin, Traumgestalten und Wirklichkeit auseinander zu dividieren, und in diesem Fall stellte sich heraus, dass der Mann keine Traumgestalt war und sein Revolver auch nicht. Er zischelte etwas, das sehr bedrohlich und sehr gefährlich klang, bloß verstand ich kein Wort. Seine Waffe sprach eine deutlichere Sprache. Bestimmt wollte er, dass ich mich nicht rührte und auch keine Hilfeschreie von mir gab, und ich beschloss ihm zu gehorchen. Ich wusste zwar nicht, was hier gespielt wurde, aber zweifellos würde der Spuk im Nu vorbei sein, sobald Armand erwachte und seine telekinetischen Kräfte einsetzte. Ich sah zu ihm hinüber und hatte plötzlich das dumpfe Gefühl, dass ich irgendetwas Wichtiges verpasst hatte. Armand hatte die Augen geschlossen, aber es sah nicht so aus, als schliefe er noch. Er stöhnte und keuchte und drehte unruhig den Kopf von einer Seite zur anderen, als habe er Schmerzen. Der Mann mit dem Revolver richtete sich auf und zog sich mit einem raschen Schritt zur Abteiltür zurück. Ich betrachtete ihn argwöhnisch. Er trug eine abgeschabte schwarze Lederjacke und war ein Schrank von einem Mann, mit welligem schwarzem Haar und Tränensäcken unter den Augen. Nicht mehr der Jüngste. Und er hatte diesen gefährlich aussehenden Revolver in den Pranken. Was ging hier vor? Was war mit Armand los? Armand schlug mühsam die Augen auf und sein umflorter Blick glitt verständnislos und wie geistesabwesend von mir zu dem Mann und wieder zurück. Seine linke Hand wanderte unterdessen langsam an den rechten Oberarm, und als sie dort angelangt war, verzog Armand das Gesicht. Er schien tatsächlich Schmerzen zu haben, und zugleich schien er in die Wirklichkeit zurückzufinden. Sein Kopf ruckte herum, und er sah den Fremden in jähem Begreifen an. »Antipsychen!«, stieß er hervor. »Très bien, Monsieur Armand«, sagte der Mann und grinste hässlich. »Enchanté de vous voir. Comment-allez vous?«
    Die Art, wie er sprach, hatte nur eine höchst entfernte Ähnlichkeit mit der, die man uns in der Schule unter der Bezeichnung Französisch beizubringen versuchte. Armand gab etwas von sich, das ich auch noch nie gehört habe und auch nicht verstand, doch eigentlich konnte es nur ein wüster französischer Fluch gewesen sein. Dann redeten die beiden eine ganze Weile miteinander, aber derart knatternd schnell, dass ich nicht einmal ansatzweise mitbekam, worum es ging. Schließlich, offenbar auf eine Anweisung des Mannes hin, wandte Armand sich an mich und erklärte: »Das ist Julien, einer der Sicherheitsleute des Instituts. Er will, dass wir jetzt mit ihm zum Schaffner gehen. Er hat mir nicht gesagt, warum, aber ich könnte mir denken, dass er per Zugfunk die Polizei verständigen und uns am nächsten Bahnhof festnehmen lassen will.« »Ja, und?«, erwiderte ich irritiert. »Warum setzt du ihn nicht telekinetisch außer Gefecht?« Armand sah mich unglücklich an. »Ich kann nicht. Er hat mir Antipsychen gespritzt, eine Droge, die mein Gehirn teilweise betäubt. Meine telekinetische Fähigkeit ist für die nächsten zehn bis zwölf Stunden gelähmt.« Julien verstand anscheinend kein Deutsch, aber bei dem Wort »Antipsychen« zog er grinsend eine zerknautschte, durchsichtige Kunststoffampulle mit angeschraubter Injektionsnadel aus der Tasche. In der Ampulle war noch ein Rest einer klaren blassgrünen Flüssigkeit zu sehen. »Und er hat es schlecht gespritzt, nom de Dieu!«, zischte Armand wütend. Er rieb sich den Arm, offenbar die Einstichstelle. »Antipsychen muss intravenös gegeben werden, aber dieser fumier hat mir die Nadel einfach in den Muskel gerammt.« »Allons-y!«, sagte Julien und winkte befehlend mit dem Revolver.
    »Imbécile!«, gab Armand zurück und kam schwerfällig auf die Beine. Er sah schrecklich aus, wirklich wie unter Drogen, und weiß wie eine Wand noch dazu. »Müssen wir wirklich?«, flüsterte ich entsetzt. »Ja«, erwiderte er leise. »Ich fürchte,

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