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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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standen auf einer Art Terrasse aus grauen Steinplatten, von denen die meisten zerbrochen waren. Aus den Rissen und Ritzen spross munter allerlei Unkraut. In einer Ecke des Gartens stand eine leere Hundehütte, daneben eine verbeulte Blechbadewanne, randvoll mit Regenwasser. Alles wirkte verlassen, um nicht zu sagen: aufgegeben. Jede Wette, dass seit Jahren niemand mehr in diesem Haus gewesen war. »Tja«, meinte Armand bedauernd. »Das ist nicht so einfach. Mein Hirn fühlt sich ganz matschig an. Bis ich meine telekinetischen Fähigkeiten wieder einsetzen kann, sind wir entweder erfroren oder vom Regen durchweicht.« »Dann schlagen wir eben eine Scheibe ein«, erklärte ich unlustig. Armand ließ den fahlen Lichtkegel durch den Regen wandern. »Wenn wir eine finden«, sagte er und ich sah, was er meinte: Vor allen Fenstern lagen robuste hölzerne Läden, offenbar von innen verriegelt. Ohne Werkzeug würden wir dem Haus, so alt es aussah, nicht beikommen. Ich gab alle Flüche von mir, die mir in meinem Leben je zu Ohren gekommen sind und die ich an dieser Stelle nicht wiederholen will. Armand ging vor der Haustür in die Hocke und betrachtete das Schloss. »Ein Zylinderschloss«, stellte er fest. »Sieht ziemlich massiv aus. Die Leute scheinen Angst vor Eindringlingen gehabt zu haben.« Nun musste ich doch lachen. »Sie haben ja auch allen Grund dazu.« Er richtete sich wieder auf. »Vielleicht finden wir irgendwo einen Schlüssel«, sagte er und begann mit der Suche. Er hob die Fußmatte und leuchtete darunter, tastete die Oberkante des Türrahmens ab, spähte in die Blumentöpfe neben der Tür, aus denen nur noch kahle, trockene Stängel von irgendwas ragten . . . »Wie kommst du darauf, dass da irgendwo ein Schlüssel sein soll?«, fragte ich unwirsch. »Das ist doch viel zu riskant.« Armand schüttelte den Kopf, während er einen Blumentopf nach dem anderen hochhob in der Hoffnung, darunter einen Schlüssel zu finden. »Die meisten Leute riskieren für ihre Bequemlichkeit eine Menge. Stell dir vor, der Besitzer fährt hundert Kilometer bis hierher, um dann festzustellen, dass er den Schlüssel vergessen hat und wieder heimfahren kann. Das passiert ihm nur einmal; spätestens danach versteckt er irgendwo einen Reserveschlüssel. Und die meisten Verstecke sind keine vier Meter von der Haustür entfernt.« Ich schlang die Arme um mich, was zwar nicht wärm te, aber trotzdem gut tat. »Klingt beeindruckend. Hast du einen Kurs bei der Polizei mitgemacht?« »Kam mal im Fernsehen«, erwiderte Armand knapp. Ich sah ihm zu, bis er mit den alten Blumentöpfen durch war, dann fiel mir ein: »Ist die Tür überhaupt verschlossen?« Er sah mich verdutzt an. »Das wäre ja ein Ding«, murmelte er und drückte die Türklinke. Aber es war tatsächlich abgeschlossen. »Hätte ja sein können«, meinte ich. »Hilf mir lieber suchen.« »Mir ist kalt. Und ich habe keine Lust, lange nach einem Schlüssel zu suchen, den es vielleicht gar nicht gibt.« Ich kann ziemlich unleidlich sein, wenn ich in der entsprechenden Stimmung bin, und ich war in der entsprechenden Stimmung. »Dann lass es bleiben«, versetzte Armand gelassen und ging zu der Hundehütte hinüber, um ihr Inneres auszuleuchten. »Warum suchen wir nicht irgendwas, das sich als Brechstange benutzen lässt, und hebeln eines der Fenster auf?« »Durch ein Fenster einzubrechen ist eine Menge Arbeit, das kannst du mir glauben.« Ich glaubte es ihm, blieb stehen, wo ich war, bibberte leise vor mich hin und tat mir Leid. Armand schien die Suche nach einem Schlüssel aufgegeben zu haben; jedenfalls ging er die paar Fenster ab und zog an den Läden, um zu sehen, ob einer vielleicht nachgab.
    »Meine Tante klebt den Reserveschlüssel zu ihrer Wohnung immer mit einem Klebestreifen an die Unterseite eines Blumentopfs«, brabbelte ich vor mich hin. »Sie meint, ein Einbrecher hebt einen Blumentopf zwar hoch, um zu sehen, ob ein Schlüssel darunter liegt, aber er schaut nicht nach, ob einer am Topfboden klebt.« Armand pfiff leise durch die Zähne. »Deine Tante hat gar nicht so Unrecht.« Er ging zurück zur Haustür und hob noch einmal einen Blumentopf nach dem anderen hoch. »Und sie ist nicht die Einzige mit diesem Trick. Hier ist ein Schlüssel.« »Na endlich«, seufzte ich. Er passte sogar. Armand schloss die Tür vorsichtig auf, öffnete sie einen Spalt weit und lauschte dann aufmerksam. »Warte hier, während ich mich rasch umsehe«, sagte er und schlüpfte durch den

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