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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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was es sein mochte. Schließlich rückte er damit heraus. »Du weißt, dass es nur ein Schlafzimmer gibt?« Ich nickte. »Ja.« Ein riesiges Doppelbett stand darin, mit dicken Federbetten, vor Jahrzehnten bezogen und seither nicht mehr benutzt, und darüber lag eine graugrüne Tagesdecke. Mich schauderte bei dem Gedanken, dass die Tagesdecke womöglich in Wirklichkeit knallgrün war und das Grau einfach nur Staub. »Das kriegst natürlich du«, beeilte sich Armand zu sagen. »Ich werde im Wohnzimmer auf der Couch schlafen. Oder mir irgendwas aus Kissen auf dem Boden basteln, das ist kein Problem.« Ich musterte ihn stirnrunzelnd. »Was geht denn in deinem Hirn gerade vor, wenn ich fragen darf?« »Oh, nichts. Ich meinte nur. Man...man muss so was ja klären, oder?« »Also, ganz ehrlich, mir ist das völlig egal. Ich bin so müde, dass ich auf einem Haufen Steine schlafen könnte.« Armand nickte und versicherte, ihm ginge es genauso. Irgendetwas im Klang seiner Stimme ließ mich trotz aller steinerweichenden Müdigkeit aufhorchen. Ich betrachtete ihn von der Seite. Er hatte doch irgendwas. Irgendeinen Kummer, den er sich von der Seele reden musste. Ich ahnte, was. Ein Kummer, an dem ich nicht ganz unschuldig war. »Du denkst immer noch über das nach, was wir im Zug geredet haben, stimmt’s?«, riet ich aufs Geratewohl. Treffer, versenkt. Armand zuckte förmlich zusammen und sah mich mit so großen Augen so entsetzt an, dass ich heute denke, er hat mindestens ein paar Sekunden lang geglaubt, ich sei auch eine Telepathin. Doch dann nickte er schließlich und bekannte: »Ja.« Ich seufzte. Das war es also, tatsächlich. Eigentlich hatte ich vorgehabt, diese unangenehme Episode so bald wie möglich zu vergessen, aber irgendwie klappt so etwas bei mir nie. »Es tut mir Leid«, sagte ich einigermaßen hilflos. »Ich meine, was ich gesagt habe. Das war gemein.« Armand sah mich an, unverkennbar verwirrt und in einem ganz anderen Film unterwegs. »Wie? Was du...?Ach so, das. Nein, daran habe ich jetzt gar nicht gedacht. Das ist vorbei. Vergiss es.« Er zögerte. »Ich musste an das denken, was ich gesagt habe. Davor. Ich hätte das auch nicht sagen dürfen. Es tut mir Leid. Ich meine – ich wollte, ich wüsste etwas zu sagen, das sich nicht nach einer billigen Entschuldigung anhört. Es ist nur...Ich will, dass du weißt . . .« Er brach ab und sah mich hilflos an. Ich weiß nicht mehr, welche verrückten Gedanken mir in diesem Augenblick durch den Kopf schossen. Ich weiß nur noch, dass ich reglos dagesessen und Armand mit großen Kulleraugen angestarrt haben muss wie ein hypnotisiertes Kaninchen. »Ja?«, brachte ich schließlich hervor, mit einer Stimme, wie ich sie noch nie von mir gehört hatte. Er war kaum zu hören, als er endlich weitersprach. »Ich habe blöd reagiert. Ich ...Eskam so überraschend für mich. Ich habe nicht viele Erfahrungen mit Mädchen. Eigentlich überhaupt keine. Ich war noch nie mit einem Mädchen so lange zusammen wie mit dir, weißt du? Ich bin das nicht gewöhnt. Ich habe keine Ahnung, wie man sich da benimmt. Ob ich etwas Richtiges oder etwas Falsches sage.« Ich schwieg. Und ich spürte, dass sich die Härchen auf meinen Armen aufstellten. »Als du gesagt hast, dass du...naja, dass du mich vielleicht magst, da dachte ich einfach, du probierst einen Trick. Wirklich.« Er warf mir einen unsicheren Blick zu. »Im Institut habe ich nur zwei Arten von Leuten gekannt. Die einen haben mich bewundert, und die anderen hatten Angst vor mir. Verstehst du? Es kam mir völlig unwahrscheinlich vor, dass jemand mich gern haben könnte. Dass das für mich irgendeine Rolle spielen könnte. Das war etwas, was ich nur aus dem Fernsehen kenne.« »Du meine Güte«, murmelte ich. »Aber jetzt«, fügte er leise hinzu, »wollte ich dir nur sagen, dass ich dich gut leiden kann. Ich meine, darüber habe ich mir überhaupt keine Gedanken gemacht, als ich dich gezwungen habe mitzukommen. Ich habe nur an mich gedacht, an meine Flucht . . . ich wollte um keinen Preis wieder eingefangen werden. Aber jetzt ist es so, dass ich gern mit dir zusammen bin. Ich weiß nicht, warum. Es ist einfach . . . schön, dass du da bist. Verstehst du das?« Er sah mich an. »Ich meine, wir werden uns wahrscheinlich bald trennen, und ich weiß nicht, unter welchen Umständen das sein wird. Und deswegen wollte ich dir das rechtzeitig vorher gesagt haben.« »Ja«, nickte ich mit einem Mund so trocken wie die Wüste. Er zögerte. »Du

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