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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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zusammen mit dem Ruß auch gleich die Haut von den Händen schrubben. »Wie geht es dir eigentlich?«, fragte ich nach einer Weile. »Es geht«, erwiderte Armand und hielt inne, als horche er in sich hinein. »Ich glaube, es ist überstanden. Wahrscheinlich ist das Zeug inzwischen in der Blutbahn angekommen. Jedenfalls habe ich nur noch dieses taube Gefühl im Kopf, und das wird wohl bis morgen Mittag oder so anhalten.« »Du scheinst dich gut auszukennen mit diesem Mittel.« »Na ja. Ein wenig zu gut, wenn du mich fragst.« Er machte sich wieder über seine Fingernägel her. »Andererseits hat es so, wie es ist, auch Vorteile.« »Kann mir nicht vorstellen, welche«, brummelte ich schläfrig. »Antipsychen«, erklärte Armand bedächtig, »blockiert nicht nur meine telekinetischen Fähigkeiten. Es blockiert überhaupt alles, was mein Gehirn ausstrahlt. Soweit ich das verstanden habe, hat man keine Ahnung, warum und wie das funktioniert – nur dass es so ist.« Ich sah ihn mit gefurchter Stirn an. Mein eigenes Gehirn kam mir gerade auch ziemlich blockiert vor. »Alles, was dein Gehirn ausstrahlt? Was heißt das?« Armand schien mit dem Ergebnis seiner Reinigungsaktion zufrieden, legte die Bürste beiseite, ließ das Wasser ablaufen und sah sich nach einem Handtuch um. »Bei den Versuchen hat sich herausgestellt, dass Pierre meine Gedanken nicht lesen kann, wenn ich unter Antipsychen stehe. Einmal konnte ich mich sogar an ihn anschleichen und ihn erschrecken – das ist normalerweise völlig unmöglich.« Ich sah ihn an mit einem eigenartigen Gefühl, von dem ich erst mit Verzögerung begriff, dass es Erleich terung war. »Das heißt, dank Julien sind wir jetzt unauffindbar?« »Exactement.« Ein Handtuch war nicht zu finden. Armand trocknete sich die Hände an der uralten Küchengardine ab, so gut es ging, und setzte sich dann auch an den Tisch. »Nicht einmal, wenn Pierre im Hubschrauber direkt über uns hinwegfliegt. Ich bin die nächsten Stunden taub wie eine Nuss.« »Vielleicht saß er ja in einem der Hubschrauber, die wir gesehen haben.« »Ja. Und vielleicht sind sie deshalb weitergeflogen.« »Toll«, sagte ich. »Ist doch toll, oder?« Vermutlich klang ich nicht gerade überschwänglich begeistert, aber zu größeren Gefühlsausbrüchen fühlte ich mich einfach nicht mehr im Stande. »Auf jeden Fall können wir die Verschnaufpause gut brauchen«, meinte Armand. Irgendetwas ließ ihn stutzen und nachdenklich vor sich hin starren, so als sei ihm mit dem, was er gerade gesagt hatte, etwas herausgerutscht, das ihm zu denken gab. »Was essen könnte ich«, sagte ich und griff nach meiner Umhängetasche, doch alles, was sich noch darin fand, war ein Müsliriegel von der Sorte, die bei uns eigentlich nur meine Mutter isst. Armand förderte die fast leere Keksrolle zu Tage und eine vertrocknete Mandarine, der man ansah, dass die Jahreszeit für Mandarinen längst vorüber war. Er gab sie mir. »Du kannst alles haben«, meinte er. »Ich habe keinen großen Hunger.«
    Ich schälte den Riegel aus seiner Verpackung und brach ihn in der Mitte durch. »Kommt nicht in Frage. Das kann man hervorragend teilen.« Ich riss die Keks-rolle vollends auf. »Hier. Das sind noch zwei für jeden.« Armand sträubte sich nicht weiter und so machten wir uns über unseren kargen Mitternachtsimbiss her. Danach schwieg er und ich hatte auch keine Lust mehr, viel zu reden. Stattdessen drückte ich gedankenverloren die Mandarinenschalen aus und beobachtete, wie die winzigen Tröpfchen zischend in den Kerzenflammen verbrannten. Ein angenehmer Orangenduft verbreitete sich in der Küche und überlagerte den allgegenwärtigen muffigen Geruch mit einem Hauch von Frische. Armand starrte schweigend in die Kerzenflammen. Der gusseiserne Ofen knisterte gemütlich vor sich hin und hinter den Schlitzen der Ofentür flackerte feuerrot die Glut. Nach all den Strapazen war ich von einer wohltuenden Müdigkeit erfüllt, die mich mit jeder Minute schwerer werden ließ und mich wahrscheinlich demnächst hier am Tisch, auf diesem uralten, unbequemen, wackligen Küchenstuhl, einschlafen lassen würde. »Alles ist so friedlich«, flüsterte Armand in die aufkommende Stille hinein. Es war wirklich friedlich. Und so still, dass man es kaum glauben konnte. »Mmmhm«, machte ich. »Vielleicht haben wir sie abgeschüttelt.«
    »Mmmh, ja, vielleicht.« Er zögerte. Ich konnte spüren, dass da etwas war. Ich war nur viel zu müde, um darüber nachdenken zu können,

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