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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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hast wirklich keinen Trick versucht?« »Nein. Das war kein Trick.« »Mit anderen Worten, du hast das ernst gemeint?« »Ja.« »Und . . . gilt das immer noch, oder hat sich daran inzwischen etwas geändert?« Wenn es um solche Dinge geht, können Jungs furchtbar umständlich sein, und irgendwie war es beruhigend, dass Armand trotz seiner übernatürlichen Kräfte da keine Ausnahme bildete. Aber auf diese Weise hätte es bis Sonnenaufgang weitergehen können, und so beugte ich mich einfach vor und gab ihm einen Kuss.

Kapitel 16 |
    Ich schlief traumlos wie ein Stein, und das Erwachen am nächsten Morgen war, als habe jemand einen Presslufthammer an die Felswand gesetzt. Ein dröhnendes Knattern zerriss meinen Schlaf, und als ich träge mit den Augen blinzelte, drang helles Licht unter meine Lider. Ich wälzte mich knurrend auf die andere Seite, aber das störende Geräusch blieb, ja, wurde sogar immer lauter . . . Ich merkte, wie jemand neben mir hochfuhr. Armand. »Marie!« Aber es war schon zu spät. Hinter den Fenstern waren plötzlich Bewegungen auszumachen, Schreie schallten durch den Garten, Stiefelschritte durch das Haus, dann wurde die Tür zum Schlafzimmer aufgetreten. Männer stürmten herein, in Lederjacken oder Regenmänteln, mit Pistolen bewaffnet, und noch ehe wir ganz wach waren, hatten sich die einen im Zimmer verteilt und die anderen sich auf Armand gestürzt. Sie packten ihn, zu viert, fünft, riesige Männer mit Bärenkräften, rissen ihn aus dem Bett und hielten ihn fest, dass er sich nicht mehr rühren konnte. Abgehackte Befehle auf Französisch gellten hin und her, von denen ich kein Wort verstand, und noch mehr Leute kamen herein, als ob das kleine Zimmer nicht schon voll genug gewesen wäre. Geheimdienstleute, schätze ich mal. Sie redeten auf Armand ein, der sie nur finster ansah und kein Wort sagte, gestikulierten aufgeregt herum und schienen insgesamt sehr nervös zu sein. Ich zog mir unterdessen die Decke hoch bis ans Kinn und bemühte mich, klein wie ein Mäuschen zu sein. Erstens weil ich völlig entsetzt war – mein Herz wummerte wie ein Hammerwerk; noch nie im Leben war ich unsanfter aus dem Schlaf gerissen worden –, zweitens weil ich . . . nun ja, sagen wir, unvollständig bekleidet war. Ein Mann mit einer großen Ledertasche kam herein, ein Arzt offenbar, dem die Männer um Armand herum Platz machten, ohne Armand selber auch nur einen Moment loszulassen. Der Arzt griff nach Armands Arm, streckte ihn und sagte etwas zu einem seiner Aufpasser, der daraufhin schraubstockartig Armands Handgelenk packte und in der gestreckten Haltung festhielt. Unterdessen zog der Arzt ein Gummiband hervor und schnürte es mit einer geübten Bewegung um Armands Oberarm. Mit einem Spray und einem Tupfer desinfizierte er die Armbeuge, dann förderte er aus seiner Tasche eine fertig vorbereitete Spritze zu Tage, in der eine klare, grünlich schimmernde Flüssigkeit aufgezogen war: ohne Zweifel Antipsychen. Ich sah Armand an. Er warf mir einen kurzen Blick zu, in dem zu gleichen Teilen Ratlosigkeit wie Bedauern zu lesen war. Er konnte sich offenbar auch nicht erklä ren, wie sie ihn gefunden hatten. Dann verfolgte er mit ausdruckslosem Gesicht, wie der Arzt die Spritze aus ihrer Schutzfolie schälte, sie ins Licht hielt, ihren Stempel hineindrückte, bis an der Spitze der Kanüle ein winziger Tropfen sichtbar wurde, und schließlich damit in die Vene der Armbeuge stach. Während der Arzt das Mittel langsam injizierte, beobachtete er unentwegt Armands Augen, und Armand schien die Prozedur gut zu kennen, denn er erwiderte den Blick des Arztes bereitwillig, ohne sich zu widersetzen. Endlich war die Spritze leer. Der Arzt packte sie weg, drückte einen Tupfer auf die Einstichstelle, löste das Gummiband und fühlte noch rasch Armands Puls. Nach kurzem Zählen nickte er den Männern in den Regenmänteln zu, die daraufhin den Gorillas, die Armand gepackt hielten, ein paar rasche Befehle erteilten. Diese ließen ihn los, und im ganzen Zimmer schien die Nervosität spürbar nachzulassen: Armands unheimliche Kräfte waren bis auf weiteres zuverlässig ausgeschaltet. Und sie hatten ihn wieder eingefangen. Ein hagerer, grauhaariger Mann betrat ohne sichtbare Eile das Zimmer, die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben. Es schien sich um einen hohen Befehlshaber zu handeln, denn die anderen hatten es eilig, ihm Platz zu machen. Vor Armand blieb er stehen und betrachtete ihn mit undurchdringlicher Miene. Armand

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