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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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erschossen?«
     »Ich war acht Jahre alt – zu jung zum Erschießen. Einer der Parteichefs adoptierte mich, ein sehr netter, alter Chinese, der noch Laotse las und Gravuren in den Goldzähnen hatte. Ich war ein Mündel der KP, als der Krieg zu Ende ging und der Parteiapparat zerbrach.« Sie schüttelte den Kopf. »Es war alles so sinnlos – der Krieg hätte sich so leicht vermeiden lassen. Wenn die Menschen nur etwas weniger fanatisch gewesen wären.«
    Nina war aufgestanden.
     »Liebling«, sagte sie zu ihrem Mann, »bitte, könntest du mir einen Gefallen tun? Ich möchte tanzen.«
     Ein Teil des überfüllten Raums war zum Tanz ausgeräumt worden; einige Paare schoben sich mechanisch hin und her.
     »Hast du wirklich Lust dazu?« fragte Cussick vorsichtig, als er aufstand. »Einen Augenblick, vielleicht.«
     »Sie ist sehr schön«, sagte Nina leise, als sie auf die Tanzfläche traten.
     »Interessant, daß sie Hoffs Material unter Parteifunktionären verbreitet hat.«
    Plötzlich umklammerte Nina ihren Mann.
     »Ich wünsche mir – « Ihre Stimme brach. »Können wir denn nicht umkehren?«
    »Umkehren?« sagte er verblüfft. »Wohin?«
    »Dahin, wo wir waren. Daß wir nicht die ganze Zeit streiten.«

    X

     Nach dem Tanz führte er sie zum Tisch zurück und umklammerte ihre kleinen Finger fest, bis sie wieder saßen. Kaminski saß halb schlafend und zusammengesunken da und murmelte Unverständliches vor sich hin. Tyler hatte ihr Glas geleert und ein neues Getränk bestellt. »Noch eine Runde?« fragte Nina mit bemühter Fröhlichkeit.
     »Wir sind so weit voneinander entfernt. Wir verstehen uns nicht mehr.«
    Er preßte seine Frau an sich. Ihr Körper wirkte zerbrechlich.
     »Das ist diese verdammte Geschichte – eines Tages wird sie vorbei sein, und wir sind zusammen wie früher.«
    Nina sah ihn flehend an.
     »Muß es denn vorbei sein? Muß man das loswerden? Können wir das nicht akzeptieren?«
    »Nein«, sagte Cussick. »Ich akzeptiere es nie.«
     Ninas Nägel gruben sich vergeblich in seinen Rücken. Eine Weile legte sie den Kopf an seine Schulter, und er spürte das lange, blonde Haar in seinem Gesicht. Ihr vertrauter Duft stieg ihm in die Nase, das süße Parfüm ihres Körpers, die Wärme ihres Haars. All dies, die Glätte ihrer nackten Schultern, der seidige Stoff ihres Kleids, die Feuchtigkeit auf ihrer Oberlippe. Er drückte sie sehnsüchtig und stumm an sich. Sie hob den Kopf, lächelte schwach und küßte ihn auf den Mund.
     »Wir versuchen es«, sagte sie leise. »Wir tun unser Bestes. Ja?«
     »Gewiß«, sagte er ernsthaft. »Es ist zu wichtig – wir dürfen uns unser Leben nicht so aus den Händen gleiten lassen. Und jetzt, seit wir Jack haben…« Seine Hände umfaßten ihren Hals, hoben dabei ihr schönes, schweres Haar. »Wir wollen ihn doch nicht den Aasgeiern überlassen.«
     Sie winkte dem Roboter und bestellte. »Max, Sie sehen aus, als müßten Sie hier sterben.«
    Kaminski hob mühsam den Kopf.
     »Madame«, sagte er, »lassen Sie einem Mann wenigstens etwas.«
    Der Abend neigte sich seinem Ende zu; einige Gäste verließen das Lokal und stiegen die Treppe zur Straße hinauf. Auf der Bühne war das Paar wieder aufgetaucht, zog sich aus und begann erneut mit seinem Tanz. Cussick beachtete sie kaum; er versank in dumpfes Brüten, trank aus seinem Glas, nahm das Gemurmel nur undeutlich wahr. Als die Vorstellung beendet war, erhob sich die Mehrzahl der Gäste und drängte zum Ausgang. Der Raum war schon halb leer. Von der Treppe strömte eisige Morgenluft herein und ließ die noch an den Tischen sitzenden Leute frösteln.
    »Es ist spät«, sagte Cussick.
    Auf Ninas Gesicht zeigte sich panische Angst.
     »Sie schließen noch lange nicht«, protestierte sie klagend. »Und hinten wird überhaupt nicht zugemacht. Tanz noch einmal mit mir, bevor wir gehen.«
    Cussick schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid, Süßes. Ich würde umfallen.«
    Nina war aufgestanden. »Max, tanzen Sie mit mir?«
     »Gewiß«, sagte Kaminski. »Ich mache alles. Genießen wir die Zeit, die uns noch bleibt.« Er hielt ungeschickt ihren Arm und zog sie durch die abwandernden Gäste nach vorn. Dort schwankten einige betrunkene Paare hin und her. Die zwei Hermaphroditen, jetzt beide Frauen, tanzten mit Männern. Nach einer Weile verwandelten sie sich in Männer, wanderten zwischen den Tischen herum und suchten weibliche Partner.
     Cussick, der sitzengeblieben war, sagte: »Können sie das

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