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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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steuern?«
    Tyler trank.
    »Wahrscheinlich. Eine ziemliche Kunst.«
    »Entartet.«
     Die Lichter erloschen nacheinander. Als Cussick wieder hinüberschaute, sah er Kaminski an einem Tisch kauern; er war nicht mehr auf der Tanzfläche. Wo war Nina? Geraume Zeit konnte er sie nicht entdecken; dann erkannte er ihr Blondhaar. Sie tanzte mit einem der Hermaphroditen; ihr Gesicht war von verzweifelter Erregung entstellt. Der junge Mann hatte den Arm um sie gelegt und tanzte leidenschaftslos und gekonnt.
    Bevor Cussick es selbst begriff, war er aufgesprungen.
    »Warten Sie hier«, sagte er zu Tyler.
    Tyler griff nach Mantel und Handtasche und ging ihm nach.
    »Wir sollten uns lieber nicht trennen.«
     Aber Cussick konnte nur an Nina denken. Seine Frau und der Hermaphrodit gingen Hand in Hand durch den Zugang zu den noch geöffneten Hinterräumen. Er stieß ein paar Leute beiseite und folgte ihnen. Einen Augenblick lang tastete er sich durch undurchdringliche Dunkelheit, dann stand er in einem leeren Flur. Er senkte den Kopf und begann blindlings zu laufen. Nach einer Biegung blieb er stehen.
     Nina lehnte an der Wand und sprach drängend auf den Hermaphroditen ein. Ihr blondes Haar war verwirrt, ihr Körper vor Erschöpfung zusammengesunken, aber ihre Augen funkelten fiebrig. Cussick schritt auf sie zu und sagte: »Komm mit, Süßes. Wir müssen gehen.« Undeutlich bemerkte er, daß ihm Kaminski und Tyler gefolgt waren.
     »Geh du nur zu«, sagte Nina mit gepreßter, metallischer Stimme. »Geh doch. Verschwinde.«
    »Was ist mit dir?« fragte er entsetzt. »Was ist mit Jack?«
     »Zum Teufel mit Jack«, sagte sie plötzlich gequält. »Zum Teufel mit allem – mit deiner ganzen Welt. Ich komme nicht zurück – ich bleibe hier. Wenn du mich brauchst, dann bleib um Gottes willen bei mir.«
     Der Hermaphrodit drehte sich zur Seite und sagte zu Cussick: »Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, Freund. Auf dieser Welt kann jeder machen, was er will.«
     Cussick packte das Wesen beim Hemd und hob es hoch. Der Hermaphrodit trat zurück und verwandelte sich im fließenden Übergang in eine Frau. Mit spöttischem Blick tanzte sie vor ihm davon.
    »Nur zu«, hauchte sie. »Schlag mich.«
    Nina hatte sich umgedreht und ging den Korridor hinunter. Der Hermaphrodit bemerkte es und eilte ihr mit einem gierigen Ausdruck im Gesicht nach. Als das Wesen Nina durch den Flur zu einer Seitentür folgte, glitt Tyler hin und packte sie. Mit einer geschickten Bewegung riß sie das Wesen herum und drehte ihr den Arm auf den Rücken. Der Hermaphrodit verwandelte sich sofort wieder in einen Mann. Cussick trat vor und gab ihm einen Kinnhaken. Lautlos sank der Hermaphrodit zu Boden; er hatte sein Bewußtsein verloren; Tyler ließ ihn los.
     »Sie ist fort«, sagte Kaminski, der sich nur mit Mühe aufrecht hielt. Leute eilten herbei; der Partner des Hermaphroditen erschien, schlug entsetzt die Hände zusammen und kniete weinend nieder, um seinen bewußtlosen Begleiter zu bejammern.
     Tyler schaute sich hastig um und sagte zu Cussick: »Sie kennt sich hier aus. Wenn Sie wollen, daß sie mit Ihnen weggeht, müssen Sie sie überzeugen.« Sie gab ihm einen Stoß. »Beeilen Sie sich.«
     Er fand sie sofort. Sie war vom Korridor in einen Nebenraum geflüchtet, in eine Sackgasse mit nur einem Zugang. Dort stellte er sie, schlug die Tür zu und sperrte sie hinter sich ab. Nina kauerte in einer Ecke; sie wirkte zerbrechlich und bedauernswert; in ihren Augen stand die Angst; zitternd und stumm sah sie zu ihm auf.
     Der Raum war einfach eingerichtet und hygienisch sauber. Die Vorhänge, die Stellung der Möbel verrieten ihm die unerträgliche Wahrheit; nur Nina konnte diesen Raum eingerichtet haben. Dies war ihr Zimmer. Ihre Handschrift war überall zu erkennen.
     Draußen hörte man Geräusche. Kaminski brüllte: »Doug, sind Sie das?«
     Er trat in den Korridor hinaus und starrte Tyler und Kaminski an – »Ich habe sie gefunden. Es fehlt ihr nichts.«
    »Was wollen Sie tun?« fragte Tyler.
    »Hierbleiben. Ihr geht wohl am besten. Findet ihr hinaus?«
    »Sicher«, sagte Tyler verständnisvoll. Sie ergriff Kaminskis Arm und zog ihn weg. »Viel Glück. Kommen Sie, Max. Wir können hier nichts mehr tun.«
     »Danke«, sagte Cussick. Er war keinen Fußbreit von der Tür gewichen. »Wir sehen uns später.«
     Kaminski zog sich protestierend und verwirrt auf Drängen des jungen Mädchens zurück.
     »Rufen Sie mich an«, murmelte er.

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