Die Seltsamen (German Edition)
schlüpfte in die Küche und rannte weg.
Mr. Jelliby blickte ihm nach, und ihn verließ der Mut. Das ist der Dank, wenn man barmherzig ist, dachte er verbittert. Der kleine Teufelsjunge hat mich im Stich gelassen. Und dann hob die pflaumenfarbene Dame geziert einen Finger, und Mr. Jelliby wurde von den Füßen gerissen und über die Straße geschleudert.
Er krachte durch das Schaufenster eines Schusters und schwebte für einen Augenblick, von Stiefeln und Finsternis umgeben, mitten in dem geschlossenen Geschäft. Dann wurde er wieder hinaus- und über die Straße gezerrt, wo er mit solcher Wucht gegen eine Tür krachte, dass er sich an den Metallbolzen die Haut auffetzte.
Etwas verhakte sich im Stoff seiner Jacke und zerriss sie in zwei Teile. Eine Glasscherbe bohrte sich ihm in die Hand. Er sah Blutstropfen rubinrot schillernd durch die Luft fliegen.
Das also war das Ende. Fast beiläufig kam ihm dieser Gedanke, als sein Kopf gegen ein gemaltes Firmenschild schlug. Das war das Ende. Er würde gleich sterben.
Aber auf der Straße unten geschah irgendetwas. Er hörte einen Tumult, Füße eilten über das Pflaster, gefolgt von einem verzweifelten Schrei: »Da ist sie! Helfen Sie ihm! Helfen Sie ihm, sie bringt ihn um!«
Der Junge? Mr. Jelliby zwang sich, die Augen zu öffnen. Er hing in etwa drei Metern Höhe über dem Ladenschild eines Hufschmieds. Unter ihm standen zwei uniformierte Polizisten mit Schnurrbart und blickten völlig entgeistert zwischen ihm und der pflaumenfarbenen Dame hin und her. Ihre Verwirrung schien grenzenlos zu sein. Dann stürzten sie mit ausgestreckten Armen auf die Dame zu, um sie wie ein Kind zu ergreifen.
Die pflaumenfarbene Frau zuckte nicht einmal mit der Wimper. Während sie Mr. Jelliby noch immer mit einer Hand in der Schwebe hielt, fuhr sie mit der anderen durch die Luft und richtete sie, mit der Handfläche nach außen, auf einen der Polizisten. Sein Gesicht wurde plattgedrückt wie von einer Glasscheibe, er taumelte nach hinten und hielt sich die Nase. Der andere Polizist hatte die pflaumenfarbene Dame fast erreicht, als auch er stehenblieb. Plötzlich begann er, wie ein Aufziehsoldat zu marschieren, und lief schnurstracks gegen eine Häuserwand.
Mr. Jelliby segelte unterdessen wieder durch die Luft. Etwas hatte ihn von dem Schild heruntergezogen, und das Pfeifen von Flügeln schrillte ihm in den Ohren. Bis auf Dachhöhe wurde er emporgerissen, dann losgelassen und nur Zentimeter, bevor er auf dem Pflaster aufschlug, wieder abgefangen. Er schoss an der Dame vorbei, und seine Finger streiften Haare und verschrumpelte Haut.
Ihm blieb nur der Bruchteil einer Sekunde. Der Bruchteil einer Sekunde, um nachzudenken, und noch weniger, um zu handeln, aber genau das tat er. Seine Faust traf das kleine Gesicht genau in den Mund. Die pflaumenfarbene Dame taumelte nach vorn – Mr. Jelliby wurde von nichts mehr gehalten und stürzte ab.
Ein schreckliches schmerzerfülltes Keuchen schallte durch die Gasse. Mr. Jelliby landete im Rinnstein, und das Keuchen dauerte an, schabte ihm durch Mark und Bein. Die Dame begann, sich wie eine Tänzerin auf einer Bühne im Kreis zu drehen. Der Rand ihres Rockes und die Spitzen ihrer Finger verwandelten sich in schwarze Federn, die im Licht glänzten und glitzerten. Dann stürzte der Polizist mit der blutigen Nase auf sie zu und packte sie. Die beiden Gestalten rangen miteinander, während schwarze Federn um sie aufstoben. Die Dame zappelte und kreischte, doch das half ihr nichts. Das Flattern wurde schwächer. Und in einem einzigen Augenblick war es vorbei. Die Flügel waren verschwunden, ebenso der rauschende Wind. Auf der Straße herrschte Totenstille.
Bartholomew, die Dame, die Polizisten – alle standen sie wie zu Stein erstarrt da. Dann brandete der Lärm der Stadt wieder um sie auf: Rufe und Dampfsirenen und andere wohlvertraute Geräusche.
Die Polizisten bewegten sich als Erste. Sie legten der Dame Metallhandschellen an, und einer von ihnen führte sie ab.
Mr. Jelliby kroch aus dem Rinnstein, völlig außer Atem und mit Schmerzen am ganzen Leib. Bartholomew machte Anstalten, im steinernen Durchgang zu verschwinden und in der Menschenmenge auf der Hauptstraße unterzutauchen, aber der andere Polizist packte ihn an der Kapuze.
»Mit dir sind wir noch nicht fertig, Koboldchen. Und ich fürchte, mit Ihnen ebenso wenig, mein Herr. Sieht so aus, als würden wir alle einen hübschen kleinen Ausflug aufs Revier
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