Die Seltsamen (German Edition)
und ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken. »Vielleicht hast du gehört, dass die Mischlinge hohl waren? Bestimmt hast du das. Die Zeitungen haben einen solchen Wirbel darum gemacht. Warum waren sie nur so bestürzt, frage ich mich. Irgendeine Fee im Alten Land, die sich nichts Böses denkt, sieht sich plötzlich mit den dampfenden Innereien eines Mischlings konfrontiert. Sie waren nicht genug, die anderen neun. Sie waren zu gewöhnlich. Zu sehr Fee oder zu sehr Mensch. Aber Kind Nummer elf. Hettie. Sie ist die Tochter eines Sídhe. Sie ist ideal.«
Bartholomew schluckte. »Ich bin ihr Bruder. Er ist auch mein Vater. Ich werde das Portal sein.«
»Du?« Der Feenpolitiker klang, als würde er gleich loslachen. Doch dann hielt er inne und musterte Bartholomew eingehend. Bartholomew meinte, Überraschung in diesen schwarzen Augen zu sehen. »Du möchtest das Portal sein?«, fragte die Fee. »Du möchtest sterben?«
»Nein«, sagte Bartholomew leise. »Aber ich möchte, dass Hettie am Leben bleibt. Ich möchte, dass sie nach Hause zurückkehrt. Bitte, Sir, ich werde das Portal sein. Nur lassen Sie Hettie gehen.«
Mr. Lickerish betrachtete ihn lange. Ein spöttisches Grinsen umspielte seine Mundwinkel. Schließlich sagte er: »Was für ein törichter Wunsch.« Damit wandte er sich zu der Rattenfee um. »Bring ihn wieder nach unten ins Lagerhaus und beseitige ihn. Ich dachte, er könnte uns gefährlich werden. Aber er ist nicht gefährlich. Er ist nicht einmal stark. Er ist nur seltsam.«
Die Rattenfee starrte Mr. Lickerish an. Die Ratten rutschten auf dem Boden umher und quiekten. »Melusine«, sagte sie leise. »Was ist mit Melusine?«
»Das Lagerhaus, Jack Box. Sofort.«
Die Rattenfee stieß Bartholomew zur Tür.
»Wo ist Hettie?«, schrie Bartholomew und wand sich im Griff der Rattenfee. »Wo ist meine Schwester?«
Doch Mr. Lickerish biss nur hämisch in seinen Apfel und blieb ihm die Antwort schuldig.
Mr. Jelliby blieb völlig reglos hinter dem Vorhang stehen. Die Bahnen aus schwarzem Samt legten sich um ihn und drohten ihn mit ihrem Geruch nach altem Wachs und verwelkten Blüten zu ersticken. Ihm brach der Schweiß aus, und der Stoff klebte ihm am Gesicht. Er wich noch ein Stück weiter in die Fensternische zurück, bis er das kalte Glas an der Wange spürte. Verflixt. Die Tür war von außen abgeschlossen gewesen. Ein klarer Beweis, dass noch jemand im Zimmer war.
Auf der anderen Seite des Vorhangs ließ der Feenbutler den Blick aus seinem grünen Auge über die Wände schweifen; der Mechanismus klickte und surrte, während es sich immer wieder scharfstellte. Die Falte im Teppich, das eingedrückte Kissen, die Fingerabdrücke auf dem Porzellanknopf…
»Forellenbauch? Bist du hier? Kleines Mädchen, ist dieser degenerierte Gnom bei dir?«
Hettie gab keine Antwort, und der Feenbutler wartete auch keine ab. Er schritt durchs Zimmer, schaute hinter den Schrank, öffnete Schubladen, kickte Seidenkissen über den Teppich.
»Jack Box? Selenyo pekkal! Für Spielchen ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt!«
Der Feenbutler stand direkt vor den Vorhängen. Mr. Jelliby konnte seinen pfeifenden Atem hören, spürte seine Gegenwart wie ein Gewicht auf der anderen Seite des Samts. Das grüne Auge des Feenbutlers wurde schmal. Er streckte den Arm aus, um die Vorhänge beiseite zu ziehen. Mr. Jelliby hatte die Hände zu Fäusten geballt. Noch ein Augenblick, und er würde aus seinem Versteck stürzen und wie ein Verrückter um sich schlagen. Doch dann klingelte ein Sprechapparat an der Wand, schrillte und rasselte wie ein zorniger Vogel.
Die Fee wandte sich um und nahm die Sprechmuschel ab.
»Mi Sathir?«
Schweigend trieb die Rattenfee Bartholomew den Korridor entlang. Bartholomew hatte erwartet, dass die Kreatur wieder Drohungen ausstoßen und ihn verhöhnen würde, sobald sie außer Hörweite des Arbeitszimmers waren, aber Jack Box hielt den Mund fest geschlossen.
Sie stiegen die ausladende Treppe hinab. Vor ihnen lag das Foyer des Luftschiffs. Die Rattenfee hielt sich mit scharrenden Krallen hinter Bartholomew und hatte ihm die Arme auf den Rücken gedreht.
»Mr. Lickerish wird Ihnen nicht helfen, das ist Ihnen doch klar, oder?«, sagte Bartholomew mit schriller Stimme. »Ich weiß nicht, wie Sie das glauben können. Ich habe keine Ahnung, was mit der pflaumenfarbenen Dame los ist, aber Mr. Lickerish ist es jedenfalls egal. Er behält Sie nur bei sich, weil Sie für ihn nützlich
Weitere Kostenlose Bücher