Die Shakespeare-Morde
Einer der Polizisten zückte den Schlagstock, um die
Scheiben einzuschlagen. Ben hob den Revolver.
»Mensch, Kumpel«,
sagte der zweite Polizist. »Das ist ein Schloss. Mach nichts kaputt.
Noch nicht.« Sie liefen weiter, und ich atmete auf.
Als die Schritte verklungen
waren, schob Ben den Riegel zurück und winkte uns hinter sich her.
»Nicht rennen«, sagte er knapp, während wir unter seinem
Arm hindurch in die Nacht hinausschlüpften.
Wir hatten keine Zeit zu
verlieren. Wir liefen an der Mauer entlang nach Süden, in die
Richtung, aus der die Polizei gekommen war. An der Ecke führte der
Weg quer über die Wiese zu einem kleinen Fluss. Rechts von uns sahen
wir die Bühne, die nach Süden ausgerichtet war. Das Publikum saß
an Tischen und auf Decken auf dem Rasen und blickte ehrfürchtig zum
Schloss herauf. »In die Menge«, flüsterte Ben.
Wir waren mitten auf der
offenen Wiese, als wir hörten, wie hinter uns ein Fenster aufging.
Jemand rief »Halt!«, doch Ben zischte: »Los!« Wir
begannen zu rennen.
Als wir die Menge erreichten,
erlosch das Licht bis auf einen Scheinwerfer, der auf die Bühne
gerichtet war. Die letzten Worte, die ich von Ben hörte, waren:
»Verteilt euch.« Dann erhob sich ein einsamer Tenor in der
Nacht. Non nobis Domine. »Nicht unser, o Herr, nicht unser, sondern
Dein Name sei gepriesen.«
Ben bahnte sich den Weg durch
die Tische; ich folgte ihm in die gleiche Richtung, doch auf einem anderen
Weg. Zuerst blieben wir fast unbemerkt, so versunken war die Menge. Der
Chor setzte ein, von Streichern getragen,
dann stimmten auch die Bläser mit ein. Ein paar Zuschauer drehten die
Köpfe nach uns, doch wir erreichten unbehelligt das Ufer. Der letzte
Spurt hatte Sir Henry alle Kraft gekostet; er war bleich, und seine Wunde
blutete wieder. Wieder nahm Ben den älteren Mann beim Arm, half ihm
hinunter zum Bach und auf die andere Seite. Ich folgte ihnen. Das Wasser
war kalt, aber seicht.
Als wir die Böschung am
anderen Ufer erreichten, sah ich mich um. Dunkle Gestalten liefen über
die Wiese zur Bühne. Der Erste erreichte das Licht, und ich erkannte
ihn. DCI Sinclair. Er war uns auf den Fersen.
Die Bläser peitschten
die Musik in den nächtlichen Himmel hinauf, und jetzt standen die
Zuschauer auf und begannen sich umzusehen. »Lauf«, sagte Ben,
und ich drehte mich um und rannte den Hügel hinauf auf den dunklen
Wald zu, der Deckung versprach. Als wir den Waldrand erreichten, schwoll
die Musik zu einem letzten Crescendo an. Ein Schuss löste sich auf
der anderen Seite des Feldes, und der dumpfe Knall erschütterte die
Nacht. Ich stolperte und fiel. Ben zog mich auf die Füße, als
die Explosion den Himmel über uns erstrahlen ließ, gold, grün
und blau.
Feuerwerk. Kein
Pistolenschuss - Feuerwerk! Das traditionelle Finale eines sommerlichen
Konzerts unter dem Sternenhimmel. Wieder schoss eine Garbe bunter Funken
gen Himmel; darunter erhob sich gespenstisch das Schloss der Grafen von
Pembroke.
Auf der anderen Seite liefen
immer mehr Gestalten auf den Fluss zu. Manche wateten durchs Wasser,
andere nahmen die Brücke am oberen Ende des Anwesens. Irgendwo hörte
ich das zweitönige Heulen der britischen Sirenen.
»Kate«, rief Ben
leise.
Ich drehte mich um und lief
in den Wald.
33
Der Wald war stockfinster.
Zweige rissen und zerrten an uns, als wir uns bergauf durchs Unterholz kämpften.
Meine Füße glucksten in den nassen Schuhen. Im Hintergrund war
noch immer das Zischen, Pfeifen und Knallen des Feuerwerks zu hören.
Irgendwo hinter uns rannten Männer durch den Farn. Ab und zu schrie
einer einen Befehl.
Wir erreichten die Kuppe, und
das Gelände fiel wieder ab. Am Fuß des Hügels auf der
anderen Seite stand eine mit Moos und Flechten bewachsene Mauer. Ben lief
an der Mauer entlang, bis er eine Steinbank vor dem Mauerwerk fand. Eine
Marmortafel über der Bank -der Gedenkstein eines vor langer Zeit
geliebten Hundes - bot Händen und Füßen Halt. Ben und ich
halfen Sir Henry hinauf und hinüber, dann kletterten wir hinterher
und versteckten uns in der Böschung einer Straße, die durch den
Wald führte.
Zwei Polizeiwagen rasten
vorbei, mit heulenden Sirenen. Ich wollte gerade aufstehen, als wir in der
Ferne ein Knattern hörten. »Runter«, zischte Ben. Ich
duckte mich wieder, und wir folgten ihm zurück an die Mauer. Dort
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