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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Einer der Polizisten zückte den Schlagstock, um die
     Scheiben einzuschlagen. Ben hob den Revolver.
    »Mensch, Kumpel«,
     sagte der zweite Polizist. »Das ist ein Schloss. Mach nichts kaputt.
     Noch nicht.« Sie liefen weiter, und ich atmete auf.
    Als die Schritte verklungen
     waren, schob Ben den Riegel zurück und winkte uns hinter sich her.
     »Nicht rennen«, sagte er knapp, während wir unter seinem
     Arm hindurch in die Nacht hinausschlüpften.
    Wir hatten keine Zeit zu
     verlieren. Wir liefen an der Mauer entlang nach Süden, in die
     Richtung, aus der die Polizei gekommen war. An der Ecke führte der
     Weg quer über die Wiese zu einem kleinen Fluss. Rechts von uns sahen
     wir die Bühne, die nach Süden ausgerichtet war. Das Publikum saß
     an Tischen und auf Decken auf dem Rasen und blickte ehrfürchtig zum
     Schloss herauf. »In die Menge«, flüsterte Ben.   
    Wir waren mitten auf der
     offenen Wiese, als wir hörten, wie hinter uns ein Fenster aufging.
     Jemand rief »Halt!«, doch Ben zischte: »Los!« Wir
     begannen zu rennen.
    Als wir die Menge erreichten,
     erlosch das Licht bis auf einen Scheinwerfer, der auf die Bühne
     gerichtet war. Die letzten Worte, die ich von Ben hörte, waren:
     »Verteilt euch.« Dann erhob sich ein einsamer Tenor in der
     Nacht. Non nobis Domine. »Nicht unser, o Herr, nicht unser, sondern
     Dein Name sei gepriesen.«
    Ben bahnte sich den Weg durch
     die Tische; ich folgte ihm in die gleiche Richtung, doch auf einem anderen
     Weg. Zuerst blieben wir fast unbemerkt, so versunken war die Menge. Der
     Chor setzte ein, von Streichern getragen,
     dann stimmten auch die Bläser mit ein. Ein paar Zuschauer drehten die
     Köpfe nach uns, doch wir erreichten unbehelligt das Ufer. Der letzte
     Spurt hatte Sir Henry alle Kraft gekostet; er war bleich, und seine Wunde
     blutete wieder. Wieder nahm Ben den älteren Mann beim Arm, half ihm
     hinunter zum Bach und auf die andere Seite. Ich folgte ihnen. Das Wasser
     war kalt, aber seicht.
    Als wir die Böschung am
     anderen Ufer erreichten, sah ich mich um. Dunkle Gestalten liefen über
     die Wiese zur Bühne. Der Erste erreichte das Licht, und ich erkannte
     ihn. DCI Sinclair. Er war uns auf den Fersen.       
    Die Bläser peitschten
     die Musik in den nächtlichen Himmel hinauf, und jetzt standen die
     Zuschauer auf und begannen sich umzusehen. »Lauf«, sagte Ben,
     und ich drehte mich um und rannte den Hügel hinauf auf den dunklen
     Wald zu, der Deckung versprach. Als wir den Waldrand erreichten, schwoll
     die Musik zu einem letzten Crescendo an. Ein Schuss löste sich auf
     der anderen Seite des Feldes, und der dumpfe Knall erschütterte die
     Nacht. Ich stolperte und fiel. Ben zog mich auf die Füße, als
     die Explosion den Himmel über uns erstrahlen ließ, gold, grün
     und blau.
    Feuerwerk. Kein
     Pistolenschuss - Feuerwerk! Das traditionelle Finale eines sommerlichen
     Konzerts unter dem Sternenhimmel. Wieder schoss eine Garbe bunter Funken
     gen Himmel; darunter erhob sich gespenstisch das Schloss der Grafen von
     Pembroke.
    Auf der anderen Seite liefen
     immer mehr Gestalten auf den Fluss zu. Manche wateten durchs Wasser,
     andere nahmen die Brücke am oberen Ende des Anwesens. Irgendwo hörte
     ich das zweitönige Heulen der britischen Sirenen.
    »Kate«, rief Ben
     leise.
    Ich drehte mich um und lief
     in den Wald.

 
    33
    Der Wald war stockfinster.
     Zweige rissen und zerrten an uns, als wir uns bergauf durchs Unterholz kämpften.
     Meine Füße glucksten in den nassen Schuhen. Im Hintergrund war
     noch immer das Zischen, Pfeifen und Knallen des Feuerwerks zu hören.
     Irgendwo hinter uns rannten Männer durch den Farn. Ab und zu schrie
     einer einen Befehl.
    Wir erreichten die Kuppe, und
     das Gelände fiel wieder ab. Am Fuß des Hügels auf der
     anderen Seite stand eine mit Moos und Flechten bewachsene Mauer. Ben lief
     an der Mauer entlang, bis er eine Steinbank vor dem Mauerwerk fand. Eine
     Marmortafel über der Bank -der Gedenkstein eines vor langer Zeit
     geliebten Hundes - bot Händen und Füßen Halt. Ben und ich
     halfen Sir Henry hinauf und hinüber, dann kletterten wir hinterher
     und versteckten uns in der Böschung einer Straße, die durch den
     Wald führte.
    Zwei Polizeiwagen rasten
     vorbei, mit heulenden Sirenen. Ich wollte gerade aufstehen, als wir in der
     Ferne ein Knattern hörten. »Runter«, zischte Ben. Ich
     duckte mich wieder, und wir folgten ihm zurück an die Mauer. Dort
    

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