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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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legten wir uns ins Unterholz. Durch die Bäume sah ich einen
     Polizeihubschrauber, der mit einem großen Scheinwerfer die Straße
     absuchte.
    Mucksmäuschenstill
     warteten wir ab. Das Ungetüm glitt vorüber, gefolgt von einem
     langsamen Streifenwagen. Ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte, DCI
     Sinclairs Gesicht darin zu erkennen.
    Dann waren sie fort. Langsam
     kam Ben auf die Füße. Geduckt schlich er durchs Unterholz zur
     Straße zurück, dann richtete er sich auf und blieb am Straßenrand
     stehen. Mit einer Kopfbewegung bedeutete er uns, ihm zu folgen.
    Direkt auf der anderen Straßenseite
     begann eine Siedlung mit neueren Häusern. Wir überquerten die
     Landstraße und folgten einem Weg, der in die Siedlung führte.
     Ben marschierte hastig voran, als wüsste er, wo es langging, dann bog
     er ab, einmal, zweimal. Plötzlich flackerte das goldene
     Scheinwerferlicht eines geparkten Wagens auf.
    Es war Sir Henrys Bentley.
     Ben öffnete die Tür des Fonds, und wir stiegen ein.
    Wortlos ließ Barnes den
     Motor an und fuhr auf die Straße. Ben beugte sich vor und wechselte
     leise ein paar Worte mit ihm. Nach einigen Biegungen erreichten wir eine
     kleine Landstraße, die zwischen hohen Hecken über weite,
     mondbeschienene Felder führte. Als die Sirenen im Hintergrund leiser
     wurden, zog sich Sir Henry die nassen Schuhe und Strümpfe aus und
     begann sich mit einem Handtuch, das Barnes ihm reichte, abzutrocknen. Ich
     tat das Gleiche.
    »Der Brief«,
     sagte Sir Henry mit rauer Stimme, der sich immer noch das Taschentuch auf
     die Wunde presste.
    Die Straße stieg an und
     fiel ab und stieg weiter an, bis wir schließlich das Dach des
     englischen Hügellandes erreichten, wo man das schwindelige Gefühl
     bekam, man stünde auf dem Gipfel der Welt. Ben zog die beiden Seiten
     aus der Tasche und legte sie mir in die Hand.
     
    Dem süßesten
     Schwane, der je über den Avon glitt.
     
    Ich hörte, wie Sir Henry
     neben mir nach Luft schnappte, doch er sagte nichts, und so las ich
     weiter.
     
    Nachdem mich eine Flut von
     Zweyfel vnd Unruh trieb, wurde ich schließlich an Land gespült,
     vm mich mit Euch in Accord zu finden. Etwas von den Wolkenschlößern
     - oder wie Ihr sie zu nennen pflegt, vom Tand vnd Spielwerck -, die vnser
     chimärisches Thier einst herauffbeschworen, sollte doch nicht ganz
     von den Schatten der Gierigen Nacht verschlungen werden.
    Nur das spanische Stück
     nehme ich davon auß.
     
    »›Cardenio‹«,
     sagte Ben. Mit großen Augen nickte ich.
     
    Es hat genug in Brandt
     gesetzt, vnd wichtiger noch, die Gräfin, noch immer im Thurme
     einschlossen, fleht vom Widerauffleben ihres Kummers verschont zu bleiben.
     Nun, da sie beynahe zur Familie gehört, bin ich gezwungen, ihren
     Wunsch zu ehren, wie meine Tochter mir stets in Erinnerung ruft. Vnd so
     nehme ich die Pflicht auff mich, an St. Alban zu schreiben vnd vnser
     Schweigen zu entschuldigen.
    Da der Keiler nicht mehr wühlen
     kann, bleibt Euch nur, den Eber zu mästen. Auffgabe der fleißigen
     Ameise ist das Sammeln vnd Scheiden deß Weizens von der Spreu, vnd
     so mag Mr Ben Jonson sich als so gut wie jeder vnd besser als die meisten
     erweisen - wenn auch nie so gut, wie er sich selbst hält. Wenigstens
     verfügt er über die Kenntnisse, hat er doch zuvor Gleiches für
     den Autor getan, den er von allen am allermeisten schätzt - sich
     selbst. Doch er wird, wie der Dreschflegel, klappern bey seinem Handwerk,
     ohne auffungünstige Scherze vnd Sprüche auß seinem
     Schnabel zu achten. Wenn Ihr einen solchen Ein-Mann-Chor zu dirigieren vnd
     zu leiten wißt, so sey es.
    Diese Entscheidung lege
     ich in Eure fähigen vnd honigsüßen Hände.
     
    »Die First Folio
     Edition!«, jubelte Sir Henry. »Er spricht davon, Ben Jonson für
     die Herausgabe der First Folio zu gewinnen.«
    »Und ›Cardenio‹
     wegzulassen«, sagte ich.
     
    Euer Freund, ewig vnd gewißlich,
     
    Ich zeigte auf die
     Unterschrift. In großen klaren Lettern und mit einem Schnörkel
     am Anfangsbuchstaben, der eines Königs würdig wäre, stand
     dort auf der unteren Hälfte der Seite in der Mitte:

    Die Überraschung hallte
     im Wagen wider.
    Dem süßesten
     Schwane, der je über den Avon glitt… Von Will? Wenn es in dem
     Brief um die erste Gesamtausgabe ging, musste einer von beiden Shakespeare
     sein … Aber wer?
    »Es gibt nur einen
     Schwan vom Avon«, sagte Sir Henry nach einem Moment. »Wills
     gibt es an jeder Ecke.

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