Die Shakespeare-Morde
Übersetzers von
›Don Quixotes falls nicht er selbst der Übersetzer ist -eine
schöne Ausgabe von Shakespeares First Folio Edition mit seinem
Wappen.
Pater Shelton lässt das
Buch in der Bibliothek des Kollegs zurück und geht nach Neuspanien,
wo er unter den Indianern stirbt, irgendwo im Südwesten von Santa Fe,
wo genau, weiß keiner.
Es sei denn, Jem Granville
hatte ihn gefunden.
Woher hatte Jem gewusst, wo
er suchen musste?
Er stand in Verbindung mit
Ophelia Fayrer, die wiederum mit Delia Bacon in Verbindung stand, die
glaubte, dass in Shakespeares Grab geheime Informationen über den
Dichter versteckt seien.
Was Menschen Übles tun,
das überlebt sie, das Gute wird mit ihnen oft begraben.
Ophelia glaubte, sie und Jem
hätten gegen Gott und die Menschen gesündigt; sie tat ihr
Bestes, um die Sache wiedergutzumachen, indem sie Dinge zurückgab.
Sei mit dem Leib mein Name
eingesargt, hatte Derby geschrieben.
Genau das, glaubte Delia
Bacon, war in Shakespeares Grab in der Kirche von Stratford verborgen: die
wahre Identität des Genies, das sie wie wahnsinnig verehrte.
War es verrückt, den
Spuren einer Verrückten zu folgen?
37
Die Nacht kam mit unerträglicher
Langsamkeit. Der Regen ließ nach, und es nieselte nur noch. Gegen
zehn hatte sich der steingraue Himmel endlich zu einem verwaschenen
Tintenschwarz verdunkelt. Um halb elf ließ ich mich überreden,
mein Faksimile der First Folio Edition und Chambers’ ›Elisabethanische
Bühne‹ mit den Briefen Barnes zu übergeben. Dann brachen
Ben, Sir Henry und ich zu Fuß auf. Wir teilten uns auf: Sir Henry
ging seiner eigenen Wege, und Ben folgte mir im Abstand von ein paar
Metern mit der Sporttasche.
Scheinwerfer glänzten im
Nieselregen. Leute rannten von Türen zu wartenden Autos. Zwei Häuser
weiter - an der Stelle, wo einst New Place gestanden hatte - war die Luft
vom nächtlichen Duft der Glyzinien erfüllt. Falls die
bewaffneten Gärtner noch da waren, sah ich sie nicht, und sie
schienen von einem einsamen dunkelhaarigen jungen Mann keine Notiz zu
nehmen. Mit eingezogenen Schultern bog ich links ab und schlenderte die
Chapel Lane hinunter, die zu dieser Stunde menschenleer war.
Am Ende der Gasse befand sich
das Swan Theatre - im viktorianischen Flügel des Royal Shakespeare
Theatre untergebracht -, und ein paar Theaterbesucher lungerten nach der
Aufführung vor der Tür herum, in der Hoffnung, einen der
Schauspieler zu Gesicht zu bekommen. Ich bog nach rechts ab, dann holte
Ben auf, und wir gingen gemeinsam die Straße hinunter, die den trägen
Windungen des Flusses folgte. Unsere Schritte hallten laut in der leeren
Nacht. Vorbei am Dirty Duck, dessen
Biergarten wegen des Regens verlassen war; die Stammkunden drängten
sich im kleinen Schankraum zusammen. Vorbei an der Seilfähre und dem
Bootsverleih, vorbei an dem Park, der zwischen Straße und Ufer
breiter wurde.
Über uns hatten die
Wolken den Mond verschluckt. Wir folgten der nächsten Biegung, und
dann lag der Kirchhof vor uns. Ben blieb stehen. Links tauchte Sir Henry
aus dem Park auf. Ben gab uns ein Zeichen zu warten, dann lief er voraus
und blieb an der Tafel vor der Kirche stehen. Er tat, als würde er
sich den Gottesdienstplan durchlesen. Einen Moment später winkte er
uns herbei.
Hinter dem Tor führte
eine kleine gepflasterte Allee, die von martialisch beschnittenen Linden
gesäumt wurde, zur Dreifaltigkeitskirche hinauf, die dunkel im
Hintergrund thronte. Die Laternen schienen im Nebel zu schweben und
tauchten das Pflaster in gespenstisches Licht. Zu beiden Seiten breitete
sich dichte, samtige Dunkelheit aus. Nur schemenhaft konnte ich die
Grabsteine ausmachen, die kreuz und quer im hohen Gras standen.
Wir glitten ins Dunkel und
versteckten uns hinter zwei hohen Grabsteinen. Kurze Zeit später hörte
ich Schritte auf dem Pflaster. Jemand pfiff ein Liedchen. Aus der anderen
Richtung kamen leisere Schritte durchs Gras.
»’n Abend, George«,
sagte eine Männerstimme.
»Hat gegossen wie aus Kübeln
heute, was?«, antwortete George leutselig, der über die
gepflasterte Allee auf die Kirche zuging. Der Küster, wie es schien.
Zwischen den Grabsteinen
schlenderte ein Polizist direkt auf uns zu. Sein bleiches Gesicht hüpfte
wie ein Irrlicht in der Dunkelheit auf und ab. In dem Augenblick, als er
uns passierte, schlich sich Ben lautlos von hinten
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