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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Irgendwo hinter mir kratzte ein leises Geräusch
     an der Stille. Ich spitzte die Ohren. Wir wurden beobachtet. Ich wusste es
     so sicher, als hätten die gemeißelten Heiligen und Dämonen
     über uns die Augen plötzlich aufgeschlagen.
    Langsam stand ich auf und
     drehte mich um. Die Dunkelheit war undurchdringlich.
    Auf einmal blendete mich ein
     gleißendes Licht. Sinclair, dachte ich panisch.
    »Katharine«,
     sagte eine Stimme. Doch sie gehörte nicht Sinclair. Auch nicht der
     Polizei. Athenaide. »Treten Sie vom Grab zurück«, sagte
     sie.
    Ich zögerte.
    »Tu es«, sagte
     Ben leise.
    Ich trat einen Schritt zur
     Seite, aus dem Scheinwerferlicht, und dann sah ich, was er meinte.
     Athenaide stand vor dem Chorgestühl und hatte eine Pistole mit einem
     seltsam verlängerten Lauf auf mich gerichtet. Eine Pistole mit
     Schalldämpfer.
    »Weiter.«
    Ich ging noch einen Schritt.
    »Sie hat nicht, was Sie
     wollen«, rief Sir Henry.
    »Ich will Katharine«,
     sagte Athenaide.
    »Nein.« Ben trat
     vor.
    »Noch eine Bewegung,
     und ich schieße, Mr Pearl.«
    Er blieb stehen.
    »Was wollen Sie von
     mir?«, fragte ich und versuchte meiner Stimme einen festen Klang zu
     geben.
    »Sie vor einem Mörderpaar
     retten.«
    »Was?«
    »Denk nach, Kate«,
     sagte eine zweite Stimme aus dem Chorgestühl an der Nordwand.
     Matthew. »Wer war da, jedes Mal, wenn jemand ums Leben gekommen ist?
     Wer war mit dir im Preston Archive?«
    »Ich«, sagte Ben.
    »Genau«, sagte
     Matthew, und ich hörte die Schärfe in seiner ruhigen Stimme.
     »Das waren Sie.«
    Sinclair hatte den gleichen
     Verdacht geäußert, doch ich hatte ihn ohne weiteren Gedanken
     von mir gewiesen. Auch jetzt sträubte ich mich dagegen. »Nein.«
    Doch Matthew hakte nach.
     »Wo war er, Kate, als Dr. Sanderson starb? Praktisch, dich allein in
     der Bibliothek zurückzulassen, nicht wahr?«
    »Der Mörder hat
     mich angegriffen«, widersprach ich knapp. »Ben hat mich
     gerettet.«
    »Hat er das? Oder hat
     er dich erst angegriffen, um dann den Retter zu spielen?«
    Ich versuchte mich zu
     erinnern, was am Kapitol passiert war. Eine verwackelte Folge von Schlägen,
     Griffen, Schritten - kommenden und fliehenden Schritten.
    »Denk nach, Kate«,
     sagte Matthew wieder. »Denk an jeden Mord, an jeden Überfall.«
    In der Widener-Bibliothek war
     mein Verfolger verschwunden, und wenige Augenblicke später war Ben
     aufgetaucht. Hätte er es sein können? Er hätte sich um die
     Regale schleichen, die dunkle Kleidung ablegen und zwischen den Büchern
     verstecken können. Möglich war es.
    Doch es war absurd.
    In Cedar City hatte er das
     Archiv verlassen, um Sandwichs zu holen. War er umgekehrt und hatte Maxine
     getötet, direkt nachdem ich gegangen war? Es war möglich. Knapp.
     Am Kapitol hatte er mich gerade rechtzeitig unter den Magnolien gefunden,
     um meinen Angreifer zu verjagen. Er hatte selbst die Vermutung geäußert,
     der Überfall sei inszeniert gewesen. Hätte er Sie töten
     wollen, wären Sie tot gewesen, bevor ich dazukam, hatte er gesagt.
     Hatte er auch seine Rettung inszeniert, um mein Vertrauen zu gewinnen?
    Nein. Er hatte mich gerettet.
    Und weiter? Wilton House. In
     Wilton House war er die ganze Zeit bei mir gewesen. »Er konnte Mrs
     Quigley nicht umgebracht haben«, sagte ich, während ich
     verzweifelt versuchte, nicht den Verstand zu verlieren.
    »Dann verwette ich
     meine Seele«, sagte Athenaide, »dass Sir Henry die Möglichkeit
     hatte.«
    Ich runzelte die Stirn. Sir
     Henry war mit Mrs Quigley wie lange verschwunden? Zehn Minuten? Fünfzehn?
     Zwanzig? Lange genug, um sie umzubringen und sich wieder ins Nebenzimmer
     zu schleichen, wo er sich selbst die Wunde zufügte und sich zu Boden
     fallen ließ.
    Ein Mörderpaar, hatte
     Athenaide gesagt. Steckten Ben und Sir Henry unter einer Decke? War das möglich?
     Wieder spulte ich zum Anfang zurück und
     ging die Vorfälle durch. Jedes Mal hatte mich der eine oder der
     andere aus der Klemme geholt - hatte mich mit Kleidung, Transportmitteln
     und Geld versorgt. Sogar mit Pässen. Ben hatte mich nicht nur beschützt,
     er hatte außerdem in zwei Ländern das Gesetz gebrochen.
    Zusammen hätten sie
     jedes der Opfer töten können.
    »Warum?«, fragte
     ich. »Warum die anderen? Und nicht mich?«
    »Sie brauchen Sie«,
     sagte Athenaide.
    Genau das hatte Ben über
     Athenaide gesagt: Sie brauchte mich, um ›Cardenio‹ zu
     finden. Erst dann wäre ich entbehrlich … Hatte er ihr

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