Die Shakespeare-Morde
schwachen Schein der
Stirnlampe hob sich der Staub der Jahrtausende wie ein dunkler Nebel. Ich
sah mich um. Über mir war Ben halb von den Steinen begraben. Eine
gewaltige Granitplatte lag auf seinem Bein. Weiter oben kniete Matthew und
stöhnte. Dahinter, wo sich der Tunnel befunden hatte, war keine
Öffnung mehr zu sehen -nur eine steile, undurchdringliche Wand aus
Felsbrocken.
Es gab keinen Ausgang mehr.
Ich stand auf und stolperte
auf Ben zu, doch Sir Henry war als Erster bei ihm. »Die besten Pläne,
die der Mensch …«, murmelte er und betrachtete Ben mitleidig.
Er hatte sich meinen Helm
aufgesetzt; von dort kam das Licht. Dann sah ich, dass er auch Bens
Pistole gefunden hatte. Ich begann zu rennen. Doch Sir Henry hob die Waffe
und drückte ab.
Ein paar Meter weiter oben
sank Matthew zusammen und blieb reglos liegen. Sir Henry hatte ihm in die
Brust geschossen. Er stieg an Ben vorbei und beugte sich über
Matthews Körper, dann schoss er eine zweite Kugel durch die Lampe an
seinem Helm.
Ich unterdrückte einen
Schrei, und Sir Henry drehte sich um.
»Tun Sie ihr nichts«,
keuchte Ben. Er atmete flach und kurz.
»Weg da«, sagte
Sir Henry und wedelte mit der Pistole.
»Ich habe dich
umgebracht«, sagte ich. »Bei Athenaide.«
»Geh zurück«,
sagte er wieder.
Ich stolperte rückwärts.
»Aber ich habe dich umgebracht.«
Ein Anflug des Bedauerns
huschte über sein Gesicht. »Du vergisst eins, meine Liebe. Ich
bin Schauspieler.«
»Und das ganze Blut?«
»Das meiste war
Gracielas.« Er verzog das Gesicht. »Du hast mich ein, zwei Mal
erwischt, aber mit dem Großteil der Hiebe hast du, fürchte ich,
einem von Athenaides Sofakissen den Garaus gemacht.« Mit erhobener
Waffe kletterte er über das Geröll.
»Ich verstehe das
nicht.«
»Er ist der Mörder,
Kate«, sagte Ben in das Schweigen hinein. »Der zweite.«
Mein Gehirn schien nur
langsam zu arbeiten. Matthew und Sir Henry. »Du? Du warst Matthews
Komplize?«
»Er war meiner«,
widersprach Sir Henry. »Ein verbissener Denker, aber nicht besonders
agil. Er war gut, solange er dem Skript folgte - aber jedes Mal, wenn ihn
jemand von seinem Text ablenkte, so wie du es am Kapitol getan hast, war
er heillos überfordert. Dabei ist es das Improvisieren, das den großen
Schauspieler ausmacht. Ros zum Beispiel hat mich an das Jubiläum des
Globe-Brands erinnert, und ich habe es benutzt - wobei ich nicht, wie
manche behaupten, das Theater niedergebrannt habe«, erklärte er
pikiert. »Ich habe nur die Verwaltungsgebäude angezündet.
Und du hast mich auf die Idee gebracht, Ros in den alten Hamlet zu
verwandeln, an jenem Nachmittag im Globe. Eine wunderbare Szene mit Jason
war das. Du bist gar nicht schlecht als Hamlet.«
»Du hat Ros umgebracht?«
Sein Bedauern wurde ernster.
»Es musste sie jemand aufhalten. Immerhin war es ein hübscher
Tod. Shakespeares würdig.«
»Matthews Tod war
Shakespeares nicht würdig.«
»Matthew war dabei,
mich zu hintergehen. Er hat Shakespeare nicht verdient.«
»Und die anderen? Wie
viele hast du eigenhändig getötet?«
»Ich will nur die Ehre,
die mir wirklich gebührt. Ophelia und Julius Cäsar waren
Matthews Arbeit.«
»Wie haben Sie ihn dazu
gebracht, die Drecksarbeit für Sie zu erledigen?«, fragte Ben.
Sir Henry hatte das Ende des
Erdrutschs erreicht und blieb stehen. Er wischte sich über die Stirn.
»Geld und Ruhm. Ein leichter Köder.
Aber eigentlich war es der
Neid, der ihn trieb. Er war neidisch auf Ros.« Er sah mich an.
»Und auf dich. Schwieriger war es, ihn bei der Stange zu halten.
Beim Töten war er groß in der Geste, aber schlampig im Detail.
Was einem zweitklassigen Kopf entspricht, würde ich sagen.
Andererseits hat es ihm nichts ausgemacht, sich die Hände schmutzig
zu machen.«
Er verzog das Gesicht.
»Bei der Lavinia-Geschichte, zum Beispiel.« Er zielte mit der
Waffe auf mich, während er mit der anderen Hand die Lampe auf den
Boden richtete. »Natürlich sollte er dich eigentlich erst töten
und dann deine Leiche schänden. Ich schätze, da ihr plötzlich
zu zweit wart, hätte er gut Lavinia und Bassianus in der Grube aus
euch machen können. Aber im Ernst, wozu der Aufwand, wo doch eine
viel hübschere Szene auf der Hand liegt?«
Der Lichtkegel blieb stehen.
»Dort. Siehst du meine Spritze?«
Ich nickte.
»Und wir wissen alle,
wo
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