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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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schwachen Schein der
     Stirnlampe hob sich der Staub der Jahrtausende wie ein dunkler Nebel. Ich
     sah mich um. Über mir war Ben halb von den Steinen begraben. Eine
     gewaltige Granitplatte lag auf seinem Bein. Weiter oben kniete Matthew und
     stöhnte. Dahinter, wo sich der Tunnel befunden hatte, war keine
     Öffnung mehr zu sehen -nur eine steile, undurchdringliche Wand aus
     Felsbrocken.
    Es gab keinen Ausgang mehr.
    Ich stand auf und stolperte
     auf Ben zu, doch Sir Henry war als Erster bei ihm. »Die besten Pläne,
     die der Mensch …«, murmelte er und betrachtete Ben mitleidig.
    Er hatte sich meinen Helm
     aufgesetzt; von dort kam das Licht. Dann sah ich, dass er auch Bens
     Pistole gefunden hatte. Ich begann zu rennen. Doch Sir Henry hob die Waffe
     und drückte ab.
    Ein paar Meter weiter oben
     sank Matthew zusammen und blieb reglos liegen. Sir Henry hatte ihm in die
     Brust geschossen. Er stieg an Ben vorbei und beugte sich über
     Matthews Körper, dann schoss er eine zweite Kugel durch die Lampe an
     seinem Helm.
    Ich unterdrückte einen
     Schrei, und Sir Henry drehte sich um.
    »Tun Sie ihr nichts«,
     keuchte Ben. Er atmete flach und kurz.
    »Weg da«, sagte
     Sir Henry und wedelte mit der Pistole.
    »Ich habe dich
     umgebracht«, sagte ich. »Bei Athenaide.«
    »Geh zurück«,
     sagte er wieder.    
    Ich stolperte rückwärts.
     »Aber ich habe dich umgebracht.«
    Ein Anflug des Bedauerns
     huschte über sein Gesicht. »Du vergisst eins, meine Liebe. Ich
     bin Schauspieler.«
    »Und das ganze Blut?«
    »Das meiste war
     Gracielas.« Er verzog das Gesicht. »Du hast mich ein, zwei Mal
     erwischt, aber mit dem Großteil der Hiebe hast du, fürchte ich,
     einem von Athenaides Sofakissen den Garaus gemacht.« Mit erhobener
     Waffe kletterte er über das Geröll.
    »Ich verstehe das
     nicht.«
    »Er ist der Mörder,
     Kate«, sagte Ben in das Schweigen hinein. »Der zweite.«      
    Mein Gehirn schien nur
     langsam zu arbeiten. Matthew und Sir Henry. »Du? Du warst Matthews
     Komplize?«
    »Er war meiner«,
     widersprach Sir Henry. »Ein verbissener Denker, aber nicht besonders
     agil. Er war gut, solange er dem Skript folgte - aber jedes Mal, wenn ihn
     jemand von seinem Text ablenkte, so wie du es am Kapitol getan hast, war
     er heillos überfordert. Dabei ist es das Improvisieren, das den großen
     Schauspieler ausmacht. Ros zum Beispiel hat mich an das Jubiläum des
     Globe-Brands erinnert, und ich habe es benutzt - wobei ich nicht, wie
     manche behaupten, das Theater niedergebrannt habe«, erklärte er
     pikiert. »Ich habe nur die Verwaltungsgebäude angezündet.
     Und du hast mich auf die Idee gebracht, Ros in den alten Hamlet zu
     verwandeln, an jenem Nachmittag im Globe. Eine wunderbare Szene mit Jason
     war das. Du bist gar nicht schlecht als Hamlet.«
    »Du hat Ros umgebracht?«
    Sein Bedauern wurde ernster.
     »Es musste sie jemand aufhalten. Immerhin war es ein hübscher
     Tod. Shakespeares würdig.«
    »Matthews Tod war
     Shakespeares nicht würdig.«
    »Matthew war dabei,
     mich zu hintergehen. Er hat Shakespeare nicht verdient.«
    »Und die anderen? Wie
     viele hast du eigenhändig getötet?«
    »Ich will nur die Ehre,
     die mir wirklich gebührt. Ophelia und Julius Cäsar waren
     Matthews Arbeit.«
    »Wie haben Sie ihn dazu
     gebracht, die Drecksarbeit für Sie zu erledigen?«, fragte Ben.
    Sir Henry hatte das Ende des
     Erdrutschs erreicht und blieb stehen. Er wischte sich über die Stirn.
     »Geld und Ruhm. Ein leichter Köder.
    Aber eigentlich war es der
     Neid, der ihn trieb. Er war neidisch auf Ros.« Er sah mich an.
     »Und auf dich. Schwieriger war es, ihn bei der Stange zu halten.
     Beim Töten war er groß in der Geste, aber schlampig im Detail.
     Was einem zweitklassigen Kopf entspricht, würde ich sagen.
     Andererseits hat es ihm nichts ausgemacht, sich die Hände schmutzig
     zu machen.«
    Er verzog das Gesicht.
     »Bei der Lavinia-Geschichte, zum Beispiel.« Er zielte mit der
     Waffe auf mich, während er mit der anderen Hand die Lampe auf den
     Boden richtete. »Natürlich sollte er dich eigentlich erst töten
     und dann deine Leiche schänden. Ich schätze, da ihr plötzlich
     zu zweit wart, hätte er gut Lavinia und Bassianus in der Grube aus
     euch machen können. Aber im Ernst, wozu der Aufwand, wo doch eine
     viel hübschere Szene auf der Hand liegt?«
    Der Lichtkegel blieb stehen.
     »Dort. Siehst du meine Spritze?«
    Ich nickte.
    »Und wir wissen alle,
     wo

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