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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Kästchen
     mit der Brosche.
    »Sie wollen doch nicht
     nach Hause?«, fragte der Taxifahrer.
    »Nein.«
    »Wohin dann?«,
     fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf.
     Wenn der Schattenmann meine Wohnung kannte, war ich nirgends sicher. Ich
     zog die beiden Jacken enger um mich.          
    »Claridge’s«,
     sagte Sir Henry.
    Als wir die breiteren Straßen
     von Mayfair erreichten, wollte ich etwas sagen, doch Sir Henry schüttelte
     kaum merklich den Kopf. Ich folgte seinem Blick und entdeckte die
     neugierigen Augen des Taxifahrers im Rückspiegel. Als er merkte, dass
     ich ihn gesehen hatte, blickte er wieder auf die Straße.
    Vor dem Claridge’s
     Hotel zahlte Sir Henry hastig, dann half er mir aus dem Wagen und führte
     mich in eine elegante Lobby mit Spiegeln wie in Versailles und einem
     schwarz-weißen Artdeco-Fußboden. Hilfsbereit kam uns der
     Nachtportier entgegen.
    »Hallo, Talbot«,
     begrüßte ihn Sir Henry.
    »Immer eine Freude, Sie
     zu sehen, Sir«, antwortete der Mann. »Was kann ich heute Abend
     für Sie tun?«
    »Wir bräuchten
     einen diskreten Ort zum Warten, bitte«, erklärte Sir Henry. »Und einen noch
     diskreteren Wagen mit Fahrer. Der Taxifahrer, von dem wir uns eben
     trennten, war ein wenig zu neugierig. Es kann sein, dass er wiederkommt.«
    »Er kann wiederkommen,
     sooft er will«, sagte Talbot trocken, »er wird keine Spur von
     Ihnen finden, wenn das Ihr Wunsch ist.«
    Er brachte uns in einen
     kleinen Salon mit tiefen Sesseln und Chintzsofas. Während Sir Henry
     ruhelos auf und ab ging und die gläsernen Lalique-Figuren unter die
     Lupe nahm, blieb ich wie angewurzelt in der Mitte stehen und grübelte
     über die Brosche nach. Einmal öffnete ich den Mund, um etwas zu
     sagen, doch Sir Henry schüttelte den Kopf. 
    Wenige Minuten später
     kehrte Talbot zurück und führte uns über einen Flur durch
     einen Personalausgang in eine kleine separate Garage, wo uns ein Wagen mit
     getönten Scheiben und laufendem Motor erwartete. Der Taxifahrer war
     tatsächlich wieder aufgetaucht und hatte behauptet, wir hätten
     etwas in seinem Taxi liegen lassen. Talbot lächelte geheimnisvoll.
     »Er wird Sie heute Abend nicht mehr stören. Ich habe ihn ein
     paar Hinweise finden lassen, die ihn vielleicht zu der Überzeugung führten,
     dass Sie die Nacht in einer unserer Suiten verbringen. Möglich, dass
     er sich, als er sich auf der Personaltreppe herumtrieb, versehentlich in
     einer Besenkammer eingeschlossen hat.«
    »Ich möchte lieber
     nicht fragen, wie das passiert ist«, sagte Sir Henry zufrieden, als
     wir in den Wagen stiegen.
    »Viel Glück, Sir«,
     sagte Talbot leise und schloss die Wagentür hinter uns.
    Als wir losfuhren, sah ich
     mich um. Der Nachtportier stand ausdruckslos am Garagentor und wurde immer
     kleiner, dann war er in der Nacht verschwunden.
    Diesmal gab Sir Henry dem
     Fahrer nur sparsame Anweisungen. Wir kreuzten durch die Straßen von
     Mayfair, dann ließen wir Berkeley Square hinter uns und bogen auf
     die Piccadilly. Wir umrundeten Hyde Park Corner und rollten die
     Knightsbridge entlang, die zu dieser Stunde dunkel und verlassen war, bis
     wir irgendwann in die grünen Sträßchen von Kensington
     einbogen. Wir waren auf dem Weg zu Sir Henrys Haus.
    Obwohl die Straßen
     menschenleer waren, wurde ich das Gefühl der Bedrohung nicht los, die
     in jedem Schatten zu lauern schien. Je weiter wir uns vom Hotel
     entfernten, desto stärker wurde meine Ahnung, bis selbst die Bäume
     gierig nach unserem Wagen zu greifen schienen. Wir hatten Sir Henrys Haus
     fast erreicht, als hinter uns ein Wagen mit aufgeblendeten Scheinwerfern
     auftauchte. Die Panik, gegen die ich den ganzen Abend angekämpft
     hatte, gewann die Oberhand und zog mich in einen eiskalten Strudel. Mein
     Herz raste, und ich klammerte mich fest an den Sitz, den ich mit meinen
     kribbelnden Händen kaum spüren konnte. Wir bogen nach links ab,
     dann machten wir eine schnelle Rechtskurve, doch der Wagen blieb dicht
     hinter uns.
    Schließlich fuhren wir
     knirschend eine kurze Schotterauffahrt hinauf. Noch bevor der Wagen
     ausrollte, stürzte ich aus dem Wagen und rannte auf das Haus zu. Die
     hohe geschnitzte Eingangstür wurde aufgehalten, und ich stürmte
     hinein. Sir Henry war direkt hinter mir. Ich konnte gerade noch sehen, wie
     die roten Heckscheinwerfer am Ende der Straße verschwanden, dann
     schlug die Tür hinter uns zu. Keuchend stand ich in der großen
     Eingangshalle von

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