Die Shakespeare-Morde
Kästchen
mit der Brosche.
»Sie wollen doch nicht
nach Hause?«, fragte der Taxifahrer.
»Nein.«
»Wohin dann?«,
fragte er.
Ich schüttelte den Kopf.
Wenn der Schattenmann meine Wohnung kannte, war ich nirgends sicher. Ich
zog die beiden Jacken enger um mich.
»Claridge’s«,
sagte Sir Henry.
Als wir die breiteren Straßen
von Mayfair erreichten, wollte ich etwas sagen, doch Sir Henry schüttelte
kaum merklich den Kopf. Ich folgte seinem Blick und entdeckte die
neugierigen Augen des Taxifahrers im Rückspiegel. Als er merkte, dass
ich ihn gesehen hatte, blickte er wieder auf die Straße.
Vor dem Claridge’s
Hotel zahlte Sir Henry hastig, dann half er mir aus dem Wagen und führte
mich in eine elegante Lobby mit Spiegeln wie in Versailles und einem
schwarz-weißen Artdeco-Fußboden. Hilfsbereit kam uns der
Nachtportier entgegen.
»Hallo, Talbot«,
begrüßte ihn Sir Henry.
»Immer eine Freude, Sie
zu sehen, Sir«, antwortete der Mann. »Was kann ich heute Abend
für Sie tun?«
»Wir bräuchten
einen diskreten Ort zum Warten, bitte«, erklärte Sir Henry. »Und einen noch
diskreteren Wagen mit Fahrer. Der Taxifahrer, von dem wir uns eben
trennten, war ein wenig zu neugierig. Es kann sein, dass er wiederkommt.«
»Er kann wiederkommen,
sooft er will«, sagte Talbot trocken, »er wird keine Spur von
Ihnen finden, wenn das Ihr Wunsch ist.«
Er brachte uns in einen
kleinen Salon mit tiefen Sesseln und Chintzsofas. Während Sir Henry
ruhelos auf und ab ging und die gläsernen Lalique-Figuren unter die
Lupe nahm, blieb ich wie angewurzelt in der Mitte stehen und grübelte
über die Brosche nach. Einmal öffnete ich den Mund, um etwas zu
sagen, doch Sir Henry schüttelte den Kopf.
Wenige Minuten später
kehrte Talbot zurück und führte uns über einen Flur durch
einen Personalausgang in eine kleine separate Garage, wo uns ein Wagen mit
getönten Scheiben und laufendem Motor erwartete. Der Taxifahrer war
tatsächlich wieder aufgetaucht und hatte behauptet, wir hätten
etwas in seinem Taxi liegen lassen. Talbot lächelte geheimnisvoll.
»Er wird Sie heute Abend nicht mehr stören. Ich habe ihn ein
paar Hinweise finden lassen, die ihn vielleicht zu der Überzeugung führten,
dass Sie die Nacht in einer unserer Suiten verbringen. Möglich, dass
er sich, als er sich auf der Personaltreppe herumtrieb, versehentlich in
einer Besenkammer eingeschlossen hat.«
»Ich möchte lieber
nicht fragen, wie das passiert ist«, sagte Sir Henry zufrieden, als
wir in den Wagen stiegen.
»Viel Glück, Sir«,
sagte Talbot leise und schloss die Wagentür hinter uns.
Als wir losfuhren, sah ich
mich um. Der Nachtportier stand ausdruckslos am Garagentor und wurde immer
kleiner, dann war er in der Nacht verschwunden.
Diesmal gab Sir Henry dem
Fahrer nur sparsame Anweisungen. Wir kreuzten durch die Straßen von
Mayfair, dann ließen wir Berkeley Square hinter uns und bogen auf
die Piccadilly. Wir umrundeten Hyde Park Corner und rollten die
Knightsbridge entlang, die zu dieser Stunde dunkel und verlassen war, bis
wir irgendwann in die grünen Sträßchen von Kensington
einbogen. Wir waren auf dem Weg zu Sir Henrys Haus.
Obwohl die Straßen
menschenleer waren, wurde ich das Gefühl der Bedrohung nicht los, die
in jedem Schatten zu lauern schien. Je weiter wir uns vom Hotel
entfernten, desto stärker wurde meine Ahnung, bis selbst die Bäume
gierig nach unserem Wagen zu greifen schienen. Wir hatten Sir Henrys Haus
fast erreicht, als hinter uns ein Wagen mit aufgeblendeten Scheinwerfern
auftauchte. Die Panik, gegen die ich den ganzen Abend angekämpft
hatte, gewann die Oberhand und zog mich in einen eiskalten Strudel. Mein
Herz raste, und ich klammerte mich fest an den Sitz, den ich mit meinen
kribbelnden Händen kaum spüren konnte. Wir bogen nach links ab,
dann machten wir eine schnelle Rechtskurve, doch der Wagen blieb dicht
hinter uns.
Schließlich fuhren wir
knirschend eine kurze Schotterauffahrt hinauf. Noch bevor der Wagen
ausrollte, stürzte ich aus dem Wagen und rannte auf das Haus zu. Die
hohe geschnitzte Eingangstür wurde aufgehalten, und ich stürmte
hinein. Sir Henry war direkt hinter mir. Ich konnte gerade noch sehen, wie
die roten Heckscheinwerfer am Ende der Straße verschwanden, dann
schlug die Tür hinter uns zu. Keuchend stand ich in der großen
Eingangshalle von
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