Die Shakespeare-Morde
geschrieben haben sollte, hat
kein Mitwisser je ausgepackt - was zu jener Zeit und in einem Milieu, das
so schwatzhaft, bissig und professionell witzig war wie das an den Höfen
von Elisabeth I. und Jakob I., kein kleiner Stolperstein wäre.
Heutzutage gibt es zahlreiche
Fraktionen von »Anti-Stratfordianern« - angefangen bei
akademischen Forschungsgruppen bis hin zu Verschwörungstheoretikern.
Viele graben triumphierend chiffrierte Botschaften aus, die diverse
Schriftsteller als den eigentlichen Verfasser der Werke, die unter dem
Namen »William Shakespeare« veröffentlicht wurden, bestätigen
sollen. Die beiden Favoriten mit den meisten - und glaubwürdigsten -
Anhängern sind der Graf von Oxford und Sir Francis Bacon. Andere
Dauerbrenner sind Christopher Marlowe, Edmund Spenser, Sir Philip Sidney
und seine Schwester Mary Herbert Gräfin von Pembroke, Königin
Elisabeth, Sir Walter Raleigh, die Grafen von Southampton, von Derby und
von Rutland -oder ein verdecktes Komitee, bestehend aus allen oben
Genannten, unter der Führung von wahlweise Bacon, Oxford oder beiden.
Absurd dagegen sind die Kandidaten Henry Howard Graf von Sussex (der etwa
44 Jahre vor der ersten Aufführung eines Shakespeare-Stücks geköpft
wurde) und Daniel Defoe (der circa siebzig Jahre nach der ersten Aufführung
geboren wurde). Der jüngste Neuzugang, der ernsthafte Beachtung
findet, ist ein kleinerer Höfling namens Sir Henry Neville.
Edward de Vere, der 17. Graf
von Oxford, ist der derzeitige Favorit bei den Anti-Stratfordianern. Die
Anagramme und Wortspiele, die ich in diesem Buch zitiere, dienen ihnen als
Beweis. Wie Athenaide hervorhebt, ist sein Familienname Vere mit dem
lateinischen ›verus‹, ›wahr‹, verwandt; das
Familienmotto - ›Vero nihil verius‹, ›Nichts ist
wahrer als die Wahrheit‹ - spielt auf diese Verbindung an. Und so
finden seine Partisanen in der wirklichen Welt im ganzen Shakespeare
»eindeutige« und »dringende« Verweise auf die
Wahrheit; das Gleiche gilt für das Lieblingswort ›ever‹.
Der erste ernsthafte Oxfordianer war J. Thomes Looney (ausgesprochen wie
»Loney«), dessen Buch ›»Shakespeare«
Identified‹ 1920 herauskam und unter anderem Sigmund Freud überzeugte.
Sir Francis Bacon dagegen war
der erste Kandidat überhaupt für den Mann hinter Shakespeares
Maske: Bereits in den 1850er-Jahren wurden von Delia Bacon und anderen
Gelehrten ernsthafte Argumente für Bacon vorgebracht. Mit
beispiellosem Eifer haben Bacons Befürworter Shakespeares und andere
Renaissance-Werke durchkämmt und Anagramme, Akrostichen, numerische
Codes und Doppeldeutigkeiten (häufig ›hog‹ und ›bacon‹)
aufgespürt, die ihren Helden als den Verfasser der Stücke
ausweisen (und darüber hinaus als Sohn der Königin). Manche
haben sogar zu so verzweifelten Mitteln wie Séancen und Grabraub
gegriffen. Doch nicht alle Bacon-Anhänger lassen sich so leicht
abtun. Es waren Wissenschaftler, Schriftsteller, Anwälte und Richter
darunter, aus England und Amerika. Der unterhaltsamste Text, der für
Bacon eintritt, ist Mark Twains Essay »Ist Shakespeare tot?«
von 1909.
Wer immer er sonst noch
gewesen ist, Bacon war ebenso gewieft wie brillant: Als zeitweiliger
Hauptberater der Krone entwickelte er unter anderem die bewundernswert
komplexe Geheimschrift, die in diesem Roman von Jem Granville benutzt
wird. Die Chiffre wurde 1623 veröffentlicht, im gleichen Jahr, als
Shakespeares First-Folio-Ausgabe erschien.
Hauptverteidiger von William
Stanley, des sechsten Grafen von Derby, war der berühmte französische
Literaturhistoriker und Professor am Collège de France Abel Leftanc
in den ersten Dekaden des zwanzigsten Jahrhunderts. Doch trotz Derbys
Vornamens (William), seinen Initialen (W.
S.) und der passenden Lebenszeit scheint seine Kandidatur weniger
stichfest als die von Bacon und Oxford zu sein.
Der beste fachliche (und
unparteiische) Überblick über die Debatte der Autorschaft ist
John Mitchells ›Who Wrote Shakespeare?‹ (›Wer schrieb
Shakespeare?‹, 2000). Shakespeare aus Stratford wird von Scott
McCrea in ›The Case for Shakespeare‹ (2005) verteidigt und
in Deutschland von Hildergard Hammerschmidt-Hummel in ›William
Shakespeare. Seine Zeit - sein Leben - sein Werk‹ (2003).
Das ursprüngliche Globe
Theatre brannte am 29. Juni 1613 ab (an einem Dienstag, nach dem alten
Weitere Kostenlose Bücher