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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Richtung Tür.
     »Komm mit.«
    »Ich bin mitten in der
     Probe.«
    »Vertrau mir«,
     sagte sie und beugte sich vor. »Es ist etwas, das du dir nicht
     entgehen lassen willst.«
    Wut wallte in mir auf, und
     als ich aufstand, riss ich ein paar Bücher vom Tisch.
    Mit einem Mal war die kokette
     Geheimnistuerei aus ihren Augen verschwunden. »Ich brauche Hilfe,
     Kate.«
    »Frag jemand anderen.«
    »Deine Hilfe.«
    Meine Hilfe? Ich runzelte die
     Stirn. Ros hatte jede Menge Freunde am Theater; sie musste nicht zu mir
     kommen, wenn sie Fragen zu Shakespeare auf der Bühne hatte. Und das
     einzige andere Thema, das sie interessieren könnte - wo ich mich
     besser auskannte als sie -, lag zwischen uns wie ein Minenfeld: meine
     Dissertation. Ich hatte über den okkulten Shakespeare geschrieben.
     Die alte Bedeutung des Wortes ›okkult‹, beeilte ich mich
     immer dazuzusagen. Nicht das Dunkle, Magische, sondern das, was im
     Verborgenen stattfand. Insbesondere hatte ich mir die vielen seltsamen
     Versuche, speziell des 19. Jahrhunderts, angesehen, kodiertes Geheimwissen
     aus Shakespeares Werken herauszulesen. Ros fand das Thema ebenso
     schillernd und faszinierend wie ich - zumindest hatte sie das behauptet.
     Allerdings hatte ich später um drei
     Ecken erfahren, dass sie kein gutes Haar an meiner Arbeit ließ und
     sogar meine Wissenschaftlichkeit in Zweifel zog. Und jetzt wollte sie
     meine Hilfe?
    »Warum?«, fragte
     ich. »Was hast du entdeckt?«
    Sie schüttelte den Kopf.
     »Nicht hier.« Dann sprach sie leise, drängend: »Wann
     bist du fertig?«
    »Gegen acht.«
    Sie beugte sich weiter vor.
     »Dann treffen wir uns um neun, oben auf dem Parliament Hill.«
    Um neun brach die Dämmerung
     herein, und Parliament Hill war einer der einsamsten Orte in London. Nicht
     die sicherste Zeit, um draußen in Hampstead Heath herumzuspazieren.
     Dafür hatte man von dort oben einen fantastischen Blick auf den
     Sonnenuntergang. Als ich zögerte, meinte ich, in Ros’ Augen so
     etwas wie Angst zu sehen. »Bitte.«
    Dann streckte sie die Hand
     aus, und einen Moment lang dachte ich, sie wollte die Schachtel zurücknehmen,
     doch stattdessen strich sie mir über das Haar. »Immer noch das
     gleiche rote Haar, die gleichen schwarzen Boleyn-Augen«, murmelte
     sie. »Weißt du, wie königlich du aussiehst, wenn du wütend
     bist?«
    Damit hatte sie mich früher
     immer aufgezogen - dass ich in bestimmten Launen wie die Königin von
     England aussah. Nicht Elisabeth II., sondern Elisabeth I., Shakespeares Königin.
     Es war nicht nur wegen meines rotbraunen Haars und der dunklen Augen,
     sondern auch wegen der Form meiner Nase und meiner hellen Haut, die in der
     Sonne sommersprossig wurde. Ein- oder zweimal hatte ich die Ähnlichkeit
     im Spiegel selbst gesehen, aber der Vergleich, und was er implizierte,
     hatte mir nie gefallen. Meine Eltern starben, als ich fünfzehn war,
     und später hatte ich bei einer Großtante gelebt. Ich hatte viel
     Zeit meines Lebens in der Gesellschaft autokratischer älterer Damen
     verbracht, und ich hatte mir geschworen, dass ich nie so werden würde
     wie sie. Und so wollte ich so wenig wie möglich gemein haben mit
     jener unbarmherzigen Tudor-Königin, bis auf ihre Intelligenz
     vielleicht, und die Liebe zu Shakespeare.
    »Na schön«,
     hörte ich mich sagen, »treffen wir uns um neun auf dem
     Parliament Hill.«
    Ros ließ die Hand
     sinken. Vielleicht war sie überrascht, dass ich so leicht aufgab. Ich
     konnte es selbst kaum glauben. Doch meine Wut war verraucht.
    Im Theater knisterten die
     Lautsprecher. »Ladys und Gentlemen«, kollerte die Stimme
     meines Inspizienten, »in fünf Minuten auf die Plätze.«
    Schauspieler strömten
     auf den sonnendurchfluteten Hof. Ros lächelte, dann stand sie auf.
     »Dein Auftritt und mein Abtritt«, sagte sie spöttisch.
     Mit einem Anflug von Nostalgie erinnerte ich mich an den alten Witz und
     Geist, der früher zwischen uns geherrscht hatte. »Pass gut
     darauf auf, Katie«, sagte sie mit einem Blick auf die Schachtel.
     Dann verließ sie mich.
    Und so kam es, dass ich am
     Ende eines langen Tages auf dem Parliament Hill auf einer Parkbank saß
     und das tat, was ich nie wieder zu tun geschworen hatte: Ich wartete auf
     Ros.
    Ich streckte meine Glieder
     und dachte an die Welt, die unter mir lag. Trotz der Türme von Canary
     Wharf, die im Osten wie Krallen in den Himmel ragten, und des Hochhauses
     in Midtown sah London von hier oben

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