Die Shakespeare-Morde
Lautsprechern röhrte, nicht hörte. »Matthew
- der Professor - sagt, die Folios sind verschwunden. Beide, die aus dem
Globe und die aus der Widener-Bibliothek.«
Ich wollte weiterreden, doch
Ben schüttelte mit einem Blick zum Fahrer den Kopf. Es war lächerlich.
Der Mann konnte uns garantiert nicht hören, selbst wenn er nicht völlig
schief mitgesungen und auf allem, das in Reichweite war, den Rhythmus
geklopft hätte. Doch dann dachte ich an den Schatten im Fenster
meiner Wohnung und hielt den Mund.
Als wir auf die Soldier’s
Field Road fuhren, klingelte mein Handy. Ich kramte es heraus und las den
Namen auf dem Display: Matthew Morris.
»Ist er das?«,
fragte Ben.
Ich nickte und wollte das
Telefon aufklappen, doch Ben schüttelte den Kopf. Er nahm mir das
Telefon aus der Hand und stellte es ab. Er gab keine Erklärung ab,
sondern saß wortlos da, während Boston vor den Fenstern
vorbeiglitt.
Gereizt ertappte ich mich
dabei, wie ich seine Hände anstarrte.
Den Rest des Weges
verbrachten wir schweigend.
*
Am Flughafen verschwand Ben
in der Menge, die sich vor dem Terminal um die Kofferträger scharte.
Fluchend packte ich meine Büchertasche und folgte ihm. Ich war kaum
ein paar Schritte gegangen, als mir jemand einen Griff in die freie Hand
schob. Ich sah hinunter. Ein schwarzer Rollkoffer. Auf den zweiten Blick
sah ich, dass es meiner war.
Ich sah mich um, doch niemand
beachtete uns. Ben hatte ebenfalls einen Koffer dabei. Er lächelte
mir kurz zu, und wir betraten das Flughafengebäude. Er checkte uns an
einem Automaten ein und drückte mir ein Ticket in die Hand.
»Aber das ist der Flug
nach L. A.«, sagte ich, als wir die ungeduldige Schlange hinter uns
ließen.
»Ja.«
»Cedar City hat einen
eigenen Flughafen.«
»Wenn wir nach Cedar
City fliegen, leistet uns Ihr Freund, der Detective Chief Inspector, in
ein paar Stunden Gesellschaft.«
»Aber L. A. ist viel zu
weit weg. Die Fahrt dauert sechs Stunden, mindestens. Eher zehn.«
»Wir fliegen nicht nach
L. A.«
Ich sah mein Ticket genauer
an. »Das glaubt die Fluglinie aber schon.«
»Vertrauen Sie mir«,
sagte er.
»Vertrauen«
schien nicht das passende Wort für das, was er vorhatte, aber ich
schaffte es, den Mund zu halten. Wir passierten die Sicherheitskontrolle,
zeigten unsere Ausweise vor, dann ging er hastig voran. Erst als wir fast
am Gate waren, wurde er langsamer.
»Die Toiletten sind da
drüben«, sagte Ben mit einem Nicken. »In der Außentasche
Ihres Koffers finden Sie eine Garnitur zum Wechseln. Sehen Sie ruhig nach,
ob alles noch da ist, wenn Sie daran zweifeln sollten. Hauptsache, Sie
treffen mich in zehn Minuten hier. Und geben Sie mir Ihr Ticket.«
Ich wollte protestieren, doch
er sagte nur: »Tun Sie es einfach, Kate.«
Resigniert rollte ich mein
Gepäck in den Waschraum und schlug die Tür einer Kabine zu.
Seine Vorstellung von Teamwork wurde immer einseitiger. Wenigstens stimmte
es, was er sagte. In der Außentasche des Rollkoffers fand ich eine
enge Jeans, wildlederne Stiletto-Stiefel und ein enges, tief
ausgeschnittenes T-Shirt in Neonpink. Ganz unten war etwas, das ich erst für
ein ohnmächtiges Albino-Frettchen hielt, doch es entpuppte sich als
platinblonde Perücke.
Widerwillig schlüpfte
ich aus den Schuhen und quetschte mich in die Jeans. Ich musste die Luft
anhalten, um den Reißverschluss zuzuziehen. Die Jeans war mehr als
eng, sie war für Streichholzbeine vorgesehen. Dann schlüpfte ich
aus der Seidenbluse, die Sir Henry ausgesucht hatte, und zog den rosa
Fetzen an, von dem ihm wahrscheinlich schlecht geworden wäre, sei es
vor Lachen oder vor Ekel. Das Ding endete oberhalb meines Nabels, ein
gutes Stück von der Jeans entfernt. Reizend. Obwohl ich voll
bekleidet war, trug ich nicht mehr als einen Bikini.
Dann kam das Frettchen an die
Reihe.
Am Ende fand ich im Außenfach
noch eine Kosmetiktasche und eine Packung Kaugummi. Vorsichtig nahm ich
Ros’ Brosche von der Jacke, wickelte sie in Klopapier und schob sie
ganz unten in meine Handtasche. Dann packte ich meine Kleider in den
Koffer und stöckelte aus der Kabine. Vor dem Spiegel blieb ich
entsetzt stehen. Ich war verschwunden, und stattdessen glotzte mich Paris
Hilton an -nachdem sie sich so lange mit Schokolade vollgestopft hatte,
bis sie Normalgewicht hatte.
Ein paar dunkle Tupfer
Mascara, rosa
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