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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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komödiantisches
     Talent besaß … entweder das, oder aber er war ein zweiter
     Rain Man, der statt Zahlen Worte beherrschte.
    Ich drückte auf ›Kopieren‹,
     und die Maschine erwachte mit einem Rattern zum Leben.
    Durchs Fenster drang das
     Geschrei von Männern und weiteres Schwerterklirren. Wahrscheinlich
     lagen sich drüben im Theater Mercutio und Tybald in den Haaren, was
     hieß, dass beide gleich tot wären. Ich zwang meine
     Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm und ließ den Mikrofilm
     weitergleiten.
    In den drei folgenden Tagen
     berichtete die Zeitung in kurzen Nachrichten über Granvilles
     Fortschritte unter den neugierigen Augen der Dorfgranden. Das Ganze fand
     im Salon einer gewissen Miss Marie-Pearl Dumont statt, in einem exklusiven
     Etablissement mit dem hübschen Namen Versailles. Wie es aussah, hatte
     Granville seine Proben in ein französisches Bordell verlegt.
    Dann fand ich die Kritik der
     Aufführung, seltsam blumig für eine Zeitung, die in der gewalttätigsten,
     gesetzlosesten Stadt der Geschichte des amerikanischen Westens erschien:
     
    BIRD-CAGE-THEATER. - Mr J.
     Granvilles Darbietung als Hamlet am Samstagabend war überaus
     erbaulich, ein großer kultureller Beitrag, dessen sich unsere
     Gemeinde rühmen kann. Statt die Ergüsse des leidenschaftlichen Dänen
     in Fetzen zu zerstottern, wurden sie von Mr Granville mit bewundernswerter
     Eloquenz abgeliefert. Ein wahrer Augen- und Ohrenschmaus, Caviar, ja, und
     Champagner, und zwar von der Art, wie ihn auch die Massen lieben. Mr
     Granville ließ den Helden nicht zum schlaffen Feigling auferstehen,
     wie er in jüngster Zeit so gerne auf den Bühnen im Osten porträtiert
     wird, sondern als kraftstrotzende Seele, die selbst das hartgesottene
     Publikum in Arizona nur bewundern kann. Mit Übung und Fleiß hätte
     Mr Granville das Zeug zum großen Schauspieler, davon sind wir überzeugt,
     doch wir fürchten, er schmiedet bereits einen neuen Coup.
     
    Auch von dieser Seite machte
     ich eine Kopie. Er schmiedet bereits einen neuen Coup. War Granville außer
     einem Spieler und Goldsucher auch ein Betrüger? Misstrauen
     wallte in mir auf. War die Sache mit dem Manuskript ein Schwindel, den er
     Child andrehen wollte - und damit auch Ros und mir?
    »Ich habe den Nachruf
     gefunden«, meldete Ben.
    »Machen Sie eine Kopie«,
     sagte ich und beugte mich über seine Schulter, um mitzulesen.
     
    THE BIRD CAGE. - Am
     vergangenen Samstag durften die Freunde und Bewunderer von Mr Jeremy
     Granville, unserem jüngst verschiedenen Bruder, einer Gedenkaufführung
     des ›Hamlet‹ zu Ehren von Mr Granville beiwohnen, unter
     Mitwirkung von Mr Macready und seinem ausgezeichneten Schauspielensemble,
     die glücklicherweise unser Theater mit ihrer Anwesenheit beehrten. Mr
     Jeremy Granville, Freund und
     Gentleman, hatte vor zwei Monaten zu Pferd die Stadt verlassen mit der
     Absicht, eine Woche fortzubleiben, doch leider haben wir seither nichts
     von ihm gesehen oder gehört. Das Gerücht eines Goldfundes hat
     zahlreiche alte und neue Freunde dazu bewegt, sich in der Wüste auf
     die Suche nach ihm zu machen, doch ohne Erfolg.
    Seinen engsten Vertrauten
     zufolge war Mr Granville kein Anhänger von Beerdigungen, auch wenn er
     wußte, daß er möglicherweise zu seiner eigenen aufbrach,
     als er, obwohl gerade die Apachen auf dem Kriegspfad sind, in unbekanntes
     Territorium aufbrach.
    Den Wortlaut seines
     Kommentars abzudrucken, sind wir nicht imstande, doch die Botschaft
     lautete, falls man eines Tages Worte über ihn verlieren müsse,
     so seien es die Worte Shakespeares, von einem Schauspieler vorgetragen,
     und nicht die aus einem Gebetbuch, gelesen von einem Pfaffen. Seine
     Kameraden haben ihr Bestes getan, seinem Wunsche nachzukommen. Nach
     allgemeinem Erachten ist Mr Macready diesem Wunsche mehr als gerecht
     geworden, und Mr Granvilles einziger Grund zur Klage besteht nunmehr
     darin, die Aufführung versäumt zu haben.
     
    »Sehen Sie sich das
     Datum an«, sagte Ben kopfschüttelnd. »Genau zwei Monate
     vor der Schießerei am O. K. Corral, als Wyatt Earp drei von den
     Clantons kaltgemacht hat, ebenfalls in Tombstone. Darüber war er wohl
     schnell in Vergessenheit geraten, trotz der Gerüchte um das Gold.«
    »Da draußen gibt
     es höchstens Silber, kein Gold, und das hätten die Schlaueren
     seiner Zeitgenossen gewusst. Falls eine echte Chance bestanden hätte,
     Gold zu finden, wäre die Geschichte niemals so

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