Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
Vom Netzwerk:
schwarze Tinte. Ich horchte, versuchte zu
     orten, wo das Geräusch herkam.
    Irgendwo da unten spürte
     ich kalte Blicke, die mich beobachteten. Hastig schlug ich den Weg zum
     Parkplatz ein und hoffte, Ben würde mir entgegenkommen. Dann hörte
     ich das gleiche Geräusch wie damals an der Themse: eine Klinge, die
     aus der Scheide gezogen wurde.
    Ich rannte los, spurtete
     durch den Fichtenhain, bis ich das Licht auf dem Parkplatz erreichte. Ben
     war nirgends zu sehen. Ich lief auf den Wagen zu, doch er war
     abgeschlossen.
    Als ich mich umsah, tauchte
     der Umriss eines Mannes auf dem Parkplatz auf und sprintete direkt auf
     mich zu.
    Ich duckte mich hinter den
     Wagen. Erst als die Blinklichter des Wagens aufblitzten und ich hörte,
     wie das Schloss entriegelt wurde, begriff ich, dass der Mann Ben war, mit
     einer Papiertüte und zwei großen Pappbechern unter dem Arm.
    »Was ist passiert?«,
     rief er.
    »Ich fahre«,
     keuchte ich und riss die Tür auf. »Steigen Sie ein.«

 
    21
    Ich habe es wieder gehört«,
     sagte ich, als wir in östlicher Richtung die Stadt verließen.
     »Ich habe ihn gehört. Er hat ein Messer gezogen.«
    Ben packte die Sandwiches
     aus, doch jetzt sah er auf. »Sind Sie sich ganz sicher? Im Theater
     wurde auch mit Schwertern gekämpft.«
    »Er war da«,
     sagte ich knapp. »Beim Archiv.«
    Er bot mir ein Sandwich an,
     doch ich schüttelte den Kopf. Anscheinend konnte er essen und Schlaf
     nachholen, wann immer es gerade passte. Ich hätte keinen Bissen
     heruntergebracht. Schweigend fuhr ich, während er aß.
    Die Straße führte
     in Serpentinen die Berge hinauf. Allmählich wurden die gedrungenen
     Wacholderbäume und Pinyon-Kiefern von spitzen, dunklen Fichten verdrängt.
     Während die Bäume höher und dichter wurden und sich immer näher
     an die Straße drängten, wand sich das schwarze Band des
     Highways immer höher den Berg hinauf. Die Sterne tauchten die
     Baumwipfel in silbriges Licht, doch unten am Boden wirkte die Straße
     wie ein schwarzer Tunnel. Bis auf das Rauschen der Bäume wirkte die
     Welt um uns herum still und fast unheimlich leer. Und doch wurde ich das
     Gefühl nicht los, dass wir beobachtet wurden.
    »Ich glaube, er folgt
     uns«, sagte ich leise.
    Ben knüllte das
     Sandwichpapier zusammen und warf einen Blick durch die Heckscheibe.
     »Haben Sie etwas gesehen?«
    »Nein.« Ich schüttelte
     den Kopf. »Aber ich spüre es.«
    Sein Blick ruhte einen Moment
     auf mir, dann griff er mir ins Lenkrad und stellte die Scheinwerfer aus.
    »Herrgott«,
     fluchte ich und nahm den Fuß vom Gas.
    »Nicht langsamer fahren«,
     sagte er knapp. »Orientieren Sie sich am Mittelstreifen.«
    Er löste den
     Sicherheitsgurt und ließ das Fenster herunter. Dann stieg er auf den
     Sitz und streckte den Oberkörper hinaus in die Nacht. Ich konnte nur
     seine Beine sehen, den Kopf hatte er irgendwo zwischen den Bäumen.
     Dann kam er wieder herein. Würziger, winterlicher Fichtenduft zog in
     den Wagen.
    »Da draußen gibt
     es nichts als Bäume.«
    »Aber er ist da
     irgendwo«, beharrte ich.
    »Vielleicht.« Er
     nahm seinen Kaffeebecher und wärmte sich die Hände daran.
     »Gute Instinkte haben mir mehr als einmal das Leben gerettet.«
    Ich hatte damit gerechnet,
     dass er mein Gefühl herunterspielte oder sich darüber lustig
     machte, doch seine Ernsthaftigkeit erwischte mich kalt. Als ich in den Rückspiegel
     blickte, hätte ich beinahe eine Kurve übersehen. Mit
     quietschenden Reifen zwang ich den Wagen zurück auf die Straße.
    »Wie wäre es, wenn
     Sie fahren und ich die Augen aufhalte?«, sagte er. Dann trank er
     seinen Kaffee aus und ließ den Becher in der Papiertüte
     verschwinden. »Haben Sie wirklich keinen Hunger?«
    Als ich den Kopf schüttelte,
     nahm er den Chambers-Band heraus und schaltete eine kleine Taschenlampe
     ein. »Erzählen Sie mir mehr von ›Cardenio‹. Hier
     steht, es gibt so etwas wie eine Überarbeitung des Stücks.«
    Ich nickte, dankbar für
     die Ablenkung. »›Dopelte Falschheit. Frühes 18.
     Jahrhundert.«
    »1728«, las er
     vor. »Was wissen Sie darüber?«
    »Nicht viel.« Ich
     trank einen Schluck Kaffee. »Es war das Geistesprodukt eines
     gewissen Lewis Theobald, der vor allem wegen seiner Streitereien mit
     Alexander Pope bekannt wurde. Theobald behauptete, Popes
     Shakespeare-Ausgabe sei voller Fehler - womit er recht hatte -, und Pope
     beschimpfte Theobald als pedantischen Langweiler, der eine gute Story
     nicht

Weitere Kostenlose Bücher