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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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gleichzeitig ihre Tage mit Shakespeare und den Studenten verbringen, von
     denen einige selbst Indianer waren. Dann war die Tür zugegangen, und
     ich hörte nichts mehr. Es war eine unheilvolle Stille gewesen - die
     Stille der Vögel vor dem Erdbeben. Als Maxine ging, hatte sie mir
     einen Rat fürs Leben zugeworfen, doch ihr Lächeln war traurig
     gewesen: Lass dir niemals Dinge ausreden, an denen deine Seele hängt.
    Jetzt sah sie mich an, und
     ihre Augen weiteten sich. »Kate Stanley«, sagte sie leise.
    Im gleichen Moment erhob sich
     ein Geschrei im Theater, und das Klirren von Schwertern ertönte.
     Maxine drehte den Kopf. »Komm rein«, sagte sie dann. Sie
     schloss die Tür wieder auf, die sie eben abgeschlossen hatte. »Ich
     habe dich erwartet«, sagte sie, bevor sie in der Dunkelheit
     verschwand.
    An der Schwelle zögerte
     ich. Sie hatte mich erwartet?'Wer hatte ihr gesagt, dass ich kommen würde?
    Als ich mich nach Ben
     umdrehte, sah ich, wie er die Waffe im Halfter zurechtrückte.
    Ich holte tief Luft. Dann
     folgte ich Maxine ins Haus.

 
    20
    ln der Tür blieb ich
     stehen. Ich spürte Bens Anspannung. »Woher wusstest du, dass
     ich komme?«
    »Von Ros«,
     antwortete Maxine aus dem Dunkel. »Was dachtest du denn?« Sie
     drückte einen Schalter, und warmes goldenes Licht durchflutete den
     Raum. »Wenn du das Archiv benutzen willst, musst du schon ganz
     hereinkommen.«
    Ich ging ein paar Schritte
     hinein. Ben bewegte sich nicht.
    Maxine öffnete die
     kleinen Rautenscheibenfenster. Von draußen trug die Abendluft den
     Duft von Rosen herein. »Was ist los, Kate?«
    »Ich muss etwas
     recherchieren.«
    Vor einem der Fenster drehte
     sie sich um und beobachtete mich mit verhangenem Blick auf Navaho-Art.
     »Ros geht dich im Globe besuchen und stirbt, während das
     Theater mitsamt der First Folio abbrennt - am 29. Juni. Dienstag, den 29.
     Juni.« Sie setzte sich auf die Fensterbank und schlug die Beine
     übereinander. »Zwei Tage später tauchst du hier auf, genau
     wie sie angekündigt hat. In der Zwischenzeit ist auch die
     Harvard-Folio in Flammen aufgegangen.« Sie sah mir in die Augen.
     »Die ganze Shakespeare-Welt redet von nichts anderem, Kate. Ich habe
     ungefähr hundert E-Mails in der Mailbox. Und du bist in Utah,
     ›um etwas zu recherchieren‹?«
    Ich blinzelte. »Es wäre
     besser, wenn du mir keine Fragen stellst, die ich dir nicht beantworten
     kann.«
    »Eine Frage muss ich
     dir stellen.« Sie drückte sich von der Fensterbank ab. »Arbeitest
     du für Ros oder gegen sie?«
    Ich dachte an die Brosche in
     meinem Ausschnitt. »Für Ros.«
    Sie nickte. »Also gut.
     Du weißt, wie es hier läuft. Sag mir Bescheid, wenn du Hilfe
     brauchst.«
    Ich sah mich um. Der Raum war
     viel gemütlicher, als ich ihn in Erinnerung hatte. Die großen
     Tische, die auf dem grauen Steinboden standen, waren noch dieselben, aber
     es waren tiefe Chintzsessel dazugekommen und Silberschalen mit Blumen. Die
     Eichenschränke mit dem Zettelkatalog standen nach wie vor an den Wänden.
    Maxine zeigte mit einem
     Nicken zum Bibliothekarstisch, über dem eine nagelneue
     Messingplakette hing. Athenaide D. Preston, Shakespeare in the West
     Archive, Southern Utah University. »Wir haben eine neue Mäzenin«,
     erklärte sie. Ich hatte von Athenaide Preston gehört. Eine
     exzentrische Sammlerin, keine Literaturwissenschaftlerin. Es hieß,
     sie sei reicher als König Midas.
    Ich ging an den Katalog. Ein
     Teil der Schränke war nach Personen geordnet, ein anderer nach
     geografischen Orten, und dann gab es noch einen Schrank für
     spezifische Aufführungen und einen für Vermischtes. Ich nahm mir
     die Personen vor, Schublade Gl-Gy. Goodnight, Charles. Rancher (las seinen
     Cowboys Shakespeare vor) Grant, Ulysses S.
     General und Präsident der Vereinigten Staaten (spielte als Lieutenant
     in Texas die Desdemona)
    Mit trockenem Mund blätterte
     ich zur nächsten Karte.
    Granville, Jeremy. Goldsucher
     und Spieler (spielte im Mai 1881 am Bird-Cage-Theater in Tombstone,
     Arizona, den Hamlet) Hamlet. Er hatte den
     Hamlet gespielt. Plötzlich war mir Granville so nah, dass ich das Gefühl
     hatte, wenn ich mich schnell umdrehte, würde er vor mir stehen -
     flimmernd und verschwommen wie eine Fata Morgana.
    Doch als ich mich umblickte,
     war da nichts als die offenen Fenster, durch die ich das Theater sah.
    Ben stand mit Maxine an einem
     Bibliothekstisch und sprach gedämpft flüsternd auf sie ein.

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