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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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einmal erkannte, wenn sie direkt vor seiner Nase passierte, selbst wenn er zehn
     Jahre beim Trojanischen Krieg mitgemacht hätte - was ebenfalls
     stimmte. Pope hat ein satirisches Heldengedicht verfasst, die ›Dunciade‹,
     in dem er Theobald zum König der Dummköpfe krönt.«
    Ben lachte. »Die Feder
     ist wohl mächtiger als das Schwert?«
    »In Popes Fall mächtiger
     als eine ganze bewaffnete Brigade. Und noch ein oder zwei Kriegsschiffe
     dazu, sicherheitshalber.«
    »Keine weise Wahl, sich
     Mr Pope zum Feind zu machen. Haben Sie das Stück gelesen?«
    »Nein. Es ist schwer
     aufzutreiben. Ich wünschte, ich hätte davon gewusst, als wir in
     Harvard waren. Aber vielleicht finden wir etwas im Internet. Die
     Spezialisten für das 18. Jahrhundert waren die ersten, die alles, was
     sie in die Finger bekamen, ins Internet stellten. Dicht gefolgt von der
     Shakespeare-Clique.«
    Ben griff auf den Rücksitz
     und packte seinen Laptop aus.
    »Sie glauben wirklich,
     dass es hier, in der Metropole, Internet gibt?« Wir überquerten
     einen Pass, und auf der anderen Seite schrumpfte die Straße zu einem
     schmalen Felsvorsprung, der sich an eine Bergwand drängte. Links
     unter den hohen baumlosen Gipfeln fiel der Wald steil zu uns herab. Rechts
     verschwanden die Bäume in einer fast senkrechten Schlucht. Wir fuhren
     immer noch ohne Scheinwerfer. In dem schrägen Ausschnitt der Welt,
     der vor uns lag, war nicht der geringste Schein eines Lichts oder Feuers
     zu sehen. Bis auf die Straße gab es kein Anzeichen dafür, dass
     je ein Mensch hier gewesen war.
    »Es gibt Satelliten.«
     Ben drückte ein paar Tasten, und sein Laptop erwachte mit einer
     leisen Melodie zum Leben. Blaues Licht erfüllte den Wagen. Ich hörte,
     wie er weitere Tasten tippte, und dann färbte sich das Licht weiß
     und rosa. »Schau mal einer an«, sagte Ben. »›Dopelte
     Falschheit oder Die unglücklich Verliebtem.« Er drückte
     eine Taste. »Was wollen Sie zuerst hören? Das Stück oder
     den ganzen Kram, der vorausgeht? Widmung, Vorwort des Herausgebers,
     Prolog?«
    »Das Vorwort«,
     sagte ich, und mein Griff um das Lenkrad wurde fester. Mein Blick war
     starr auf den schwach schimmernden Mittelstreifen gerichtet.
    »Klingt, als hätte
     sich König Theobald von Anfang an verteidigen müssen. Hören
     Sie sich das an: Es wird behauptet, es sei unglaublich, daß ein solches Curiosum dem
     Vergessen anheim gefallen und der Welt über ein Jahrhundert lang
     entrissen sein könne.«
    »Inzwischen sind es
     fast vierhundert Jahre«, sagte ich.
    Ben überflog den Text.
     »Hey!«, rief er so plötzlich, dass ich zusammenschrak.
     »Wussten Sie, dass Shakespeare eine uneheliche Tochter hatte?«
    Ich machte ein finsteres
     Gesicht.
    »Das heißt also
     nein«, sagte Ben.
    »Darüber gibt es
     nichts in den Quellen.«
    »Es sei denn, Sie zählen
     das hier als Quelle.«          
    Ich schüttelte den Kopf.
     Ich hatte Jahre mit Shakespeare-Forschung verbracht, und ich hatte noch
     nie gehört, dass jemand Theobalds Vorwort als historische Quelle zählte.
    »Es giebt eine Überlieferung«,
     las er weiter,»Die mir von jener edlen Person zugetragen wurde, der
     ich eins meiner Original-Manuscripte verdanke) -«
    »Original-Manuskripte?«,
     fragte ich ungläubig. »Manuskripte, im Plural?«
    »Er behauptet, er hätte
     drei.«
    Ich lachte matt, während
     Ben von vorn begann. »Es giebt eine Überlieferung (die mir von
     jener edlen Person zugetragen wurde, der ich eins meiner
     Original-Manuscripte verdanke), die besagt, daß dies Drama von
     unserem Verfasser seiner natürlichen Tochter gewidmet war, als Gabe
     der Werth-Schätzung, um deretwillen er es schrieb, ehe er sich von
     der Bühne zurückzog. Warum nennt man außereheliche Kinder
     eigentlich ›natürlich‹? Sind eheliche Kinder ›unnatürlich‹?
     Und was ist so witzig auf Ihrer Seite des Wagens?«
    Ich schüttelte den Kopf.
     »Nichts. Nur, bis auf die Tatsache, dass Shakespeare geboren wurde
     und starb, sind nicht viele verbindliche Tatsachen über sein Leben
     bekannt. Sie haben gerade die Hälfte davon zunichtegemacht.«
     Ich zählte die Fakten auf. »›Cardenio‹ ist
     verschollen, es gibt keine Shakespeare-Manuskripte, und er war, obwohl er
     das Ehebett nicht oft besuchte, fruchtbar und mehrte sich, wenn er es tat:
     Er hatte drei Kinder, alle ehelich … Und jetzt reden wir plötzlich
     von drei Manuskripten von ›Cardenio‹ und einem Bankert
    

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