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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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dem Mann, den Sie hier auf dem Bild
     sehen, verfasst worden«, erklärte sie, »Edward de Vere,
     der 17. Graf von Oxford.« Dann sah sie mich mit hellen trotzigen
     Augen an. »Katharine meint, dass ich eine Ketzerin bin.«

 
    26
    Das habe ich nicht gesagt.«
    »Aber Sie haben es
     gemeint«, entgegnete sie. »Wie schnell wir vom Lob bei der
     Verdammung landen, wenn es um Glaubensfragen geht.«
    Ich wollte protestieren, doch
     Athenaide ließ mich nicht zu Wort kommen. »Shakespeare, Mr
     Pearl, ist nicht nur Kunst. Er ist Religion.«
    »Und Wissenschaft«,
     gab ich zurück, »die auf Beweisen fußt.«
    »Und Sie sind die
     Beweise durchgegangen? Alle?« Athenaide sah Ben an. »Die
     Stratfordianer leiten Universitäten und Institutionen wie diese. Und
     die Universitäten verwalten die Wahrheit. Doch Lücken werden
     dort nicht unterrichtet, genauso wenig wie die Beweise, die eine andere
     Geschichte erzählen. Die Institutionen beschließen, was die
     Wahrheit ist.«
    »Das ist nicht fair.«
    »Wirklich nicht?«
    Ich stöhnte. »Ich
     hätte es mir denken können. Ihre Faszination für ›Hamlet‹.
     Und Helsingor.«
    »Ja, Helsingor«,
     wiederholte sie zufrieden. »Oxford - der echte Hamlet, in Helsingor,
     in Shakespeare.«
    Ben sah von ihr zu mir.
     »Der echte Hamlet?«
    »Die Oxfordianer lesen
     ›Hamlet‹ als die verdeckte Autobiografie des Grafen von
     Oxford«, erklärte ich.
    »Sie enttäuschen
     mich«, sagte Athenaide. »Wer hat denn geschrieben: ›Die
     vielen seltsamen Parallelen zu Oxfords Leben, die ›Hamlet‹
     aufweist, sind tatsächlich ein eigenes Studium wert.‹?«
    Ich zuckte zusammen. Sie
     zitierte aus meiner Doktorarbeit. Als sie sagte, sie kenne meine Arbeit,
     hatte ich gedacht, sie würde von meiner Regiearbeit sprechen. Niemand
     las Doktorarbeiten, nicht einmal stolze Mütter. »Ich sagte, es
     gibt Parallelen, Athenaide. Das ist etwas anderes, als zu behaupten, es wäre
     seine Autobiografie.«
    »Wie hätte es der
     lumpige Sohn eines Handschuhmachers aus Stratford wagen können, eine
     der höchsten Persönlichkeiten des Königreichs vorzuführen?
     Und woher sollte er die Details kennen?«
    »Jeder kannte die
     Details. Genau wie heute jeder die traurigen Details aus Michael Jacksons
     Leben kennt. Die Reichen und Berühmten haben immer im Rampenlicht
     gestanden, und manche tragen ihr Leben offen zur Schau. Viel interessanter
     ist das Warum. Warum wollen Sie - oder sonst jemand - den Mann, dessen
     Name auf den Titelblättern steht, unbedingt durch Oxford ersetzen?«
    »Weil die Stücke
     wichtiger sind als die Titelblätter«, sagte sie schlicht.
     »Der Mann, der die Stücke schrieb, hatte eine gründliche,
     umfassende klassische Ausbildung, und er hatte Zugang zur hohen Literatur.
     Außerdem hatte er eine aristokratische Haltung und aristokratische
     Hobbys wie das Jagen und die Falknerei. Er kannte das Landleben aus der
     Perspektive der Landbesitzer. Er misstraute Frauen, liebte Musik,
     verachtete Habgier. Er kannte die Feinheiten der englischen Gesetzgebung
     und die Feinheiten des Segelns und der Navigation. Er verstand Italienisch
     und sprach fließend Französisch und Latein. Und vor allem, er
     lebte und atmete Dichtung. Soweit wir nachweisen können - nicht
     anhand von Annahmen, die wir aus den Stücken ziehen, sondern anhand
     der dokumentierten Fakten seines Lebens -, besaß William Shakespeare
     aus Stratford keine dieser Eigenschaften. Ergo hat er die Stücke
     nicht geschrieben.« Triumphierend setzte sie sich in einen Sessel
     unter der blinden Fensterreihe. »Oxford dagegen besitzt jede
     einzelne dieser Eigenschaften.«
    »Nur eine nicht«,
     konterte ich. »Er starb zehn Jahre zu früh. Wir sind auf der
     Suche nach ›Cardenio‹, Athenaide. Ein Stück, das 1612
     geschrieben wurde. Wie konnte ein Mann, der - wann starb? 1605? -«
    »1604.«
    »Wie konnte ein Mann,
     der 1604 starb, 1612 ein Stück geschrieben haben? Und Sie lassen
     nicht nur ›Cardenio‹ sausen. ›Macbeth‹, ›Othello‹, ›König
     Lear‹, ›Der Sturm‹, ›Ein Wintermärchen‹,
     ›Antonius und Kleopatra‹ - so ziemlich alle Stücke
     unter Jakob I. wären dahin. Das ist eine Menge Holz, das Sie
     eintauschen wollen, nur um einen Grafen zum Autor zu haben.«
    »Daten«, sagte
     Athenaide und zuckte verächdich die Achseln. »Es wäre eine
     schwache Theorie, wenn sie nur wegen ein paar Daten nichtig würde.
     Vor allem, wenn sie so wackelig sind wie die, die

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