Die Sherbrooke Braut
der General gar nicht betrunken. Das Kartenspiel, der Einsatz, das Verlieren, alles Pläne von Belesain, um ihn in die Falle zu locken. Nicht schlecht.
»Langsam«, sagte er abwesend und versuchte sie zu beruhigen, während er angestrengt nachdachte.
»Wo ist Ihre Großmutter?«
»Sie ist auf einem Bauernhof drei Kilometer südlich von Etaples. Er sagte, er hätte eine Wache dort aufgestellt, die sie beobachtet. Dieser Mann wird sie töten, wenn ich nicht tue, was er mir befiehlt.«
»Ich kenne Georges. Er wird sich bereits um jeden Wachmann, der um den Bauernhof Ihrer Großmutter herumschlich, gekümmert haben. Ich bin nur hier, um Sie zu retten. Nun ziehen Sie etwas an. Ich nehme Sie und Ihre Großmutter mit nach England.« »England«, wiederholte sie langsam. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. »Aber wir sprechen nur Französisch.«
»Das macht nichts. Viele Leute in England sprechen Französisch, und Sie werden Englisch lernen. Georges lebt dort die meiste Zeit und kann Sie und Ihre Großmutter unterrichten.«
»Aber...«
»Nein, mehr kann ich jetzt nicht sagen. Georges hat mich beauftragt, Sie nach London zu bringen. Dort werden Sie sicher sein, bis er zurückgekehrt ist, um Sie zu holen. Er hat noch einiges zu erledigen. Werden Sie mir vertrauen?«
Sie sah zu ihm auf, Bewunderung und Zuversicht in ihrem Gesicht. Ihre Antwort war ein schlichtes »Ja«.
»Gut. Jetzt hören Sie mir zu. Folgendes werden wir jetzt tun.« Douglas fragte sich, als er in das blasse, angespannte Gesicht sah, das jetzt solch strahlendes Vertrauen für ihn zeigte, warum Leute im allgemeinen, aber Frauen insbesondere, glaubten, daß er so etwas wie ein heiliger Georg sei. Er haßte es, aber gleichzeitig fand er es amüsant. Er dachte an Georges Cadoudal und hoffte, daß sie sich eines Tages an ihn erinnern würde. Immerhin, Douglas war jetzt wahrscheinlich schon ein verheirateter Mann und wollte bei seiner Rückkehr nach England keine verwirrende Frau an seiner Seite haben.
Kapitel 6
Northcliffe Hall Fünf Tage später
Douglas öffnete die Tür zur Bibliothek, sah eine einsam brennende Kerze auf dem kleinen Tisch und daneben seinen Cousin. Er betrat den Raum, ein müdes Lächeln erhellte sein Gesicht.
»Tony! Gott, ist das schön, dich zu sehen. Und es tut gut, wieder zu Hause zu sein.« Douglas rieb seine Hände. »Ah, es ist herrlich, hier zu sein. Sicher kennst du meine Gründe.«
»Douglas«, Tony stand auf, ging zu seinem Cousin und schüttelte seine Hand. »Ich nehme an, deine Mission - weswegen du unterwegs warst - war erfolgreich.«
Douglas gab ihm ein breites Grinsen und rieb sich weiter die Hände. »Sehr erfolgreich, dank eines gütigen Gottes und eines sehr dummen Generals, der dachte, er könnte mich hinters Licht führen. Dein Morgenmantel ist sehr elegant, doch wenn du nicht aufpaßt, schauen deine behaarten Beine heraus.« Er ging zum Sideboard hinüber. »Möchtest du einen guten französischen Cognac? Ich versprach dir, soviel du trinken kannst, bis zum nächsten Jahrhundert...«
»Nein, danke.«
Douglas schenkte sich einen ein und nahm einen großen Schluck. Wärmend bahnte er sich den Weg hinunter bis in seinen Magen. »Hollis sagte, daß du mich sprechen wolltest, es sei dringend und könne nicht bis morgen warten. Mein erster Eindruck war, er würde gleich anfangen zu weinen, aber das war natürlich Unsinn. Hollis weint nie, schreit nie, und zeigt auch sonst keine unpassenden Emotionen. Es ist fast Mitternacht. Tony, ich plappere, weil ich nahe dran bin, hier vor deinen Füßen zusammenzubrechen. Doch werde ich sicher meine Müdigkeit vergessen haben, sobald ich meine Braut sehe. Auf jeden Fall war ich überrascht, Hollis noch wach zu sehen. Was wolltest du?«
»Ich versuchte Hollis zu überzeugen, ins Bett zu gehen, und sagte, ich würde dich in der Halle empfangen. Doch das ist Hollis. Er weigerte sich natürlich.«
Douglas nahm noch einen Schluck Cognac und setzte sich in den bequemen Ohrensessel neben seinen Cousin.
»Was ist los?« Eine düstere Stille trat ein. Douglas ahnte plötzlich, daß etwas, was er nicht mögen würde, auf ihn zukam, und daß Tony der Bote war. »Du hast Melissande geheiratet, oder?«
Tony blickte ihm offen ins Gesicht: »Ja, ich habe sie geheiratet.« Er holte tief Luft, er mußte da durch: »Ich habe auch ihre jüngere Schwester geheiratet.«
Douglas hatte gerade einen weiteren Schluck genommen. Er spuckte ihn aus. Fast wäre er an seinem Husten erstickt.
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