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Die Sherbrooke Braut

Titel: Die Sherbrooke Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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sich über sie, bis sich ihre Gesichter beinahe berührten. Plötzlich zog sie sich fast bis zur Tür zurück. Einmal hob sie mit flehentlicher Geste die Arme. Wirklich seltsam. Der Traum schwand und erschien abwechselnd, bis Alexandra bei Morgengrauen endgültig erwachte. Sie griff nach der Glockenschnur, aber es pressierte zu sehr.
    Der Nachttopf befand sich hinter einer spanischen Wand, keine drei Meter von ihrem Bett. Nur drei Meter. Überhaupt keine Entfernung.
    Alex schwang die Beine über die Bettkante. Wenigstens hatte ihr Tess ins Nachthemd geholfen, also brauchte sie sich nicht um den Morgenmantel kümmern, der über einem Stuhl in entgegengesetzter Richtung des Nachttopfes lag. Für Augenblicke schloß sie die Augen bei der Erinnerung an Douglas, der ihr, als sie splitterfasernackt gewesen war, bei ihren natürlichen Verrichtungen geholfen hatte. Sattgesehen hatte er sich an ihr, ohne Zweifel, denn es war niemand dagewesen, der ihn davon hätte abhalten oder sie hätte pflegen können. Unter vorgehaltener Hand hatte sie schon darüber tuscheln hören, daß ein Gentleman oft von seinen niederen Instinkten überwältigt wurde. Eine junge Dame mußte daher sehr auf die Unversehrtheit ihrer Person bedacht sein. Ließ sie nicht genügend Vorsicht walten, nun denn, so hatte sie es sich selbst zuzuschreiben, wenn sich ein Gentleman plötzlich in eine rasende Bestie verwandelte. Sie war aber gar nicht imstande gewesen, Vorsicht walten zu lassen. Offensichtlich hatte Douglas das, was er zu sehen bekommen hatte, gelangweilt. Aber hatte er sie nicht sowieso schon verschmäht?
    Je nun, sie war hilflos und krank gewesen. Aber jetzt war sie es nicht mehr.
    Sie rappelte sich hoch und klammerte sich schnell an den verschnörkelten Bettpfosten um den plumpen Nacken eines Cherubs. Warum bloß war sie noch so schwach?
    Sie machte einen ersten Schritt, er gelang ihr, dann machte sie einen zweiten. Noch drei schlurfende Schritte - und sie mußte den Cherub loslassen. Die Wand, hinter der der Nachttopf stand, schien zwei Dörfer und einen Schlagbaum weit entfernt zu stehen.
    Seufzend ließ sie den Cherub los. Sie schwankte kurz, gewann dann aber wieder ihr Gleichgewicht. »Ich schaffe es«, sagte sie sich immer wieder, die Augen starr geradeaus auf die Wand gerichtet. »Ich werde mich nicht blamieren und wie ein Häufchen Elend zu Boden sinken.«
    Sie torkelte auf einen Stuhl zu, griff nach ihm, um sich aufrecht zu halten, da schlitterte das abscheuliche Ding den Boden entlang gegen den Schreibtisch mit derartiger Wucht, daß das Tintenfaß durch die Luft flog und die schwarze Tinte auf den Fußboden und den kostbaren Aubusson-Teppich spritzte. Zwei Bücher fielen mit einem dumpfen Knall zu Boden. Alexandra, aufgebracht und wütend, hätte am liebsten losgeschrien. Sie stand da, schwindelig, geschwächt und voller Mordgelüste.
    Die Person, die nun durch die Verbindungstür eintrat, war das gefundene Opfer: Douglas, hastig den Gürtel seines Morgenmantels zubindend, eilte auf sie zu.
    »Was soll dieser Tumult? Was zum Teufel suchen Sie außerhalb Ihres Bettes?«
    Sie hätte gerne eine Kanone bei sich gehabt. Oder ein Messer. Pfeil und Bogen hätten auch genügt. »Was, glauben Sie, habe ich wohl vor? Ich mache meine Morgengymnastik. Tut das nicht jeder in der Früh?«
    »Allmächtiger, Sie verwüsten mein Haus!<
    Sie verfolgte seinen Blick, der sich auf das unschöne Rinnsal aus schwarzer Tinte heftete, das rasch in den Teppich einsickerte. Sie reckte ihr Kinn und erklärte: »Jawohl, genau das tue ich. Ich hasse Northcliffe Hall. Es ist meine erklärte Absicht, alles kurz und klein zu hauen, ehe ich von hier fortgehe. Dies ist erst meine Eröffnungssalve.«
    Douglas bemerkte, daß sie drauf und dran war, ohnmächtig zu werden. Mit einem Satz war er bei ihr, packte ihre beiden Arme, um sie aufrecht zu halten. »Was wollten Sie außerhalb Ihres Bettes?«
    Seine Begriffsstutzigkeit war unbegreiflich. »Ich war auf dem Weg zur Küche, warme Milch zu holen.«
    »Lachhaft! Sie schaffen es ja nicht einmal durchs halbe Zimmer.«
    »Natürlich schaffe ich das. Ich treffe mich mit Mrs. Peachham, um mich mit ihr wegen frischer Bettwäsche zu besprechen. Meine stinkt nach Mottenkugeln.«
    »Alexandra, bitte, lassen Sie den Unfug!«
    »Himmelherrgott, seien Sie doch nicht so einfältig! Ich muß auf den Topf!«
    »Ach so, das ist etwas anderes.«
    »Fort jetzt. Ich hasse Sie. Geht weg und laßt mich in Ruhe.«
    Douglas sah sie finster an.

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