Die Sherbrooke Braut
gelacht. Dabei machte er sich keine Vorstellung, wie schwer es gewesen war, diese dreißig Pfund, Penny für Penny, zu horten.
Nicht nur, daß er sie verschmäht hatte, als sie, dumm genug, diese unglückselige Verführung gewagt hatte. Er bemühte sich bloß um sie, weil er keine andere Wahl mehr hatte.
Diese Litanei ging ihr beständig durch den Kopf. Niemals würde sie all dies vergessen. Sie schürte ihre Wut und ihren Groll. Das war immerhin leichter, als seine Kränkung, seine Mißachtung und seine Abscheu ihr gegenüber auszulöschen.
Sie hatte ganz und gar versagt, ihn für sich zu gewinnen, ihm zu zeigen, daß sie gut zu ihm paßte, daß sie ihn bis ans Ende ihrer Tage lieben könnte und wollte. Was hatte er eigentlich mit dem Taschengeld gemeint? Sie verwarf jegliche weitere Nachforschung; nichts hatte er damit gemeint.
Immer noch begehrte er Melissande. Jeder wußte, daß er weiterhin die Frau seines Cousins für sich haben wollte. Immer noch redete er davon, Tony auf dem Feld der Ehre abzuschlachten. Allerdings war bis jetzt noch nichts daraus geworden. Alexandra hatte die Domestiken darüber tratschen hören. Ach, wie sie sich Gedanken darüber machten und herumspekulierten.
Seit ihrem Streit bei Morgengrauen hatte sich Douglas ihr nicht mehr genähert. Sie war ja nur froh darüber. Zweimal hatte ihre Schwester sie besucht, beide Male gute vier Meter von ihr entfernt und von zarter Blässe aus lauter Sorge um sie. Alexandra hatte sich an Tonys Kuß während des zweiten Besuchs ihrer Schwester erinnert: »Es hat dir wohl gefallen, von Tony geküßt zu werden.«
Zu ihrer Überraschung senkte Melissande den Kopf und murmelte: »Er ist manchmal wirklich unmöglich. Ich habe ihn nicht in der Hand. Es ist schwierig, herauszufinden, wie man sich verhalten kann.«
In der Hand, ha! Melissande hatte endlich jemand ihr Ebenbürtigen gefunden. »Aber du scheinst recht angetan zu sein.«
»Du hast keine Ahnung, Alex! Du kannst dir nicht vorstellen, wie er mit mir umgeht - mit mir!«
»Erzähl’s mir doch.«
»Ach so, das heißt, der Graf hat dich noch nicht genommen. Tony hatte es eigentlich gehofft. Das würde alles ganz legal machen, und wir könnten nach London abreisen.«
»Nein, es würde es überhaupt nicht legal machen. Douglas hat mir erklärt, er könne mit mir tun und lassen, was er wolle, und trotzdem gäbe es die Möglichkeit, unsere Ehe zu annullieren. «
»Aber würdest du schwanger -«
»Douglas meinte, das könne er mit Leichtigkeit vermeiden.«
»Oh«, erwiderte Melissande und verzog das Gesicht. »Aber Tony bestand darauf...« Sie unterbrach sich, ihre herrlichen Augen zu Schlitzen zusammengekniffen, was ihre Schönheit zwar etwas minderte, sie aber nur noch verführerischer machte.
»Wie geht denn Tony mit dir um?«
Melissande winkte ungehalten ab. »Es ist nicht schicklich, wenn ich dir erzähle, was so passiert. Tony ist ein Verrückter. Er will mich unbedingt herumkommandieren. Dann tut er Dinge, die er eigentlich nicht tun dürfte, aber wie er sie macht, na ja... Wie immer...« Wieder verfiel sie in Schweigen. Alexandra hatte sich gefragt, ob das, was zwischen Mann und Frau vorging, nicht doch aufs innigste zu wünschen war. Sie hatte keine weiteren Fragen gestellt. Melissande hatte sie etwas überstürzt verlassen. Langsam war Alexandra zu dem Schluß gekommen, daß Tony der ideale Partner für ihre Schwester war. Wie wäre wohl Douglas mit ihr umgegangen, hätte er sie geheiratet, fragte sie sich. Es war zu bezweifeln, ob er sie je gemein behandelt hätte.
Aber was sollte das schon. Hier hatte sie nichts mehr zu suchen. Ihre Gesundheit war leidlich wieder hergestellt; sie hatte nicht die geringste Absicht, daß Douglas über ihre Genesung erfuhr und sie zulassen mußte, daß er sie zu ihrem Vater zurückbrachte. Nie würde sie es ihm erlauben, ihr diese letzte Schmach anzutun.
Das hatte sie nicht verdient. Sie hatte einiges verdient, schließlich hatte sie an der Intrige gegen ihn mitgespielt. Doch die Demütigungen, die er ihr zufügte, die hatte sie nicht verdient. Sie würde sich schon selbst demütigen, ohne seine Hilfe. Sie sah das Gesicht ihres Vaters vor sich, wenn sie in Claybourn Hall ankam, allein, verstoßen, als Noch-Ehefrau. Ein schreckliches Bild, aber immer noch besser als das, wenn Douglas hämisch grinsend neben ihr stände und ihrem Vater erklärte, sie sei nicht geeignet, er wolle sie nicht, habe sie nie gewollt. Lieber sich gar nicht erst ausmalen, was
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