Die Shopping-Prinzessinnen
Kellner stehen. Ein ironisches Lächeln spielte um ihre Lippen.
»Bonjour«, schnurrte sie und senkte ihre langen, dichten Wimpern auf ihn herab.
»Bonjour, Mademoiselle«, stammelte er.
»Wie ich sehe, unterhalten Sie sich mit meiner Freundin.«
»Ihrer Freundin?« Schweißperlen standen plötzlich auf seiner Stirn.
»Ja, gewiss.« Sie kam noch näher und sog hörbar die Luft ein. »Sie hat ein Problem, aber jemand mit Ihren offensichtlichen Fähigkeiten kann uns gewiss helfen. Sie sind doch der Chef hier, nicht wahr?«
»Ähm, oui, Mademoiselle.«
»Gut«, meinte sie lächelnd und strich sein Revers glatt. »Dann sagen Sie uns doch, was wir wissen wollen.« Sie hob erwartungsvoll die Augenbrauen.
Der Kellner lief feuerrot an, und eine Sekunde lang dachte ich, er würde in Krämpfe ausbrechen. Stattdessen schluckte er heftig, wischte sich die Stirn mit einem weißen Taschentuch ab und rückte seine Fliege gerade. Als er sich wieder gefasst hatte, sah er sich ängstlich um und flüsterte: »Monsieur Georges war gerade hier. Er hat einen kleinen Imbiss zu sich genommen, ich glaube, Joghurt mit frischen Waldbeeren. Dann ist er ins Wellness-Center gegangen.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Seine Fango-Therapie beginnt um ein Uhr.«
»Er ist also tatsächlich hier!«, sagte ich voller Erleichterung.
»Er kommt schon seit vielen Jahren«, erzählte uns der Kellner. »Immer um dieselbe Zeit, und er hat
immer dasselbe Zimmer. Nummer 307. Im Südflügel.«
»Vielen Dank«, gurrte Caprice.
Ich wäre am liebsten gleich ins Wellness-Center gerannt, um Georges auszuquetschen, doch Caprice bestand darauf, erst einmal etwas zu essen. Und nachdem wir so wenig geschlafen und überhaupt nicht gefrühstückt hatten, konnte ich dem nicht so ganz widersprechen. Ich war gerade dabei, mir den Teller mit allen möglichen Köstlichkeiten vollzuladen, als mir die Frau mit dem Gigolo neben mir auffiel. Sie war so ein Elizabeth-Taylor-Verschnitt (ca. 1966, würde ich sagen). Ich stellte fest, dass sie den M.M.D. las, und zwar die pseudojournalistische Kolumne von O.D.D. Wahrscheinlich die Spätausgabe. Ich trat unauffällig etwas zurück und spähte ihr über die Schulter.
HAUTELAW BEREITET EXKLUSIVE SHOW MIT DEM RÄTSEL VOR
Hallo, Kitties!
Wie es heißt sind Imogene, der neue Hautelaw -Star, und ihre sexy Supermodel-Freundin Caprice gestern im Nachtexpress nach Nizza gedüst. Was kann das bedeuten? Nichts anderes als ein geheimes Treffen mit dem rätselhaften Monsieur X, das könnt ihr mir glauben!
Der meistgesuchte Misanthrop der Modewelt versteckt sich offenbar an der Côte d’Azur!
Zur bevorstehenden Debüt-Modenschau des menschenscheuen Genies ist das zur Hautelaw -Chefin mutierte frühere Supermodel Spring Sommer in der Stadt des Lichts eingetroffen, um letzte Vorbereitungen am Ort des Geschehens zu treffen, dem superschicken neuen Pariser Hauptquartier ihrer Firma.
Nicht nur für sie steht viel auf dem Spiel. Die Einsätze sind hoch, denn Dutzende von Einzelhandelsketten stehen bereit, um siebenstellige Verträge zu schließen. Wer springt zuerst? Schließlich gibt es inzwischen auch Zweifel, ob dieser Monsieur X überhaupt existiert! Spring Sommers langjährige Erzrivalin und Angstgegnerin, Schandmaul Winter Tan, behauptet nämlich, Monsieur X sei ein Phantom, das sich die ehrgeizige Fashion-Forecasterin Imogene und die Möchtegern-Publicity-Lady Mercie de la Châtelaine ausgedacht haben.
»Ich bin sicher, dass sich Monsieur X früher oder später in heiße Luft auflöst«, sagte Winter Tan eurem Lieblingsreporter. »Das Ganze ist bloß eine schlaue Publicity-Story, um Springs neues Büro in
die Presse zu bringen und mir meine treuen Kunden zu stehlen.«
Phantom oder nicht – jedenfalls wird es Hautelaw nicht leicht haben, seine Pläne in Taten umzusetzen, denn die Modeindustrie wird noch immer vom Modelstreik heimgesucht. Die jungen Talente und ihre Gewerkschaft streiten sich nach wie vor mit den Modehäusern über die Farbe der Limousinen, die nötigen Schönheitsschlafpausen und die Verteilung der Vorführmodelle. Wirkliche Lösungen sind nicht in Sicht.
In jedem Falle zeichnet sich jetzt schon ab, dass die bevorstehende Schau – wenn sie denn stattfindet – das größte interstellare Event des Millenniums wird. Aber ich warne euch, Kitties! Die Einladungen sind äußerst knapp. Die Vorgefechte der letzten Tage haben schon angedeutet, dass unter den Damen der Gesellschaft wegen dieser Modenschau noch
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