Die sieben Dämonen: Roman
aber zumindest werdet Ihr mich jetzt anhören. Wenn ich durch diesen Mund spreche, werdet Ihr meinem Wunsch nachkommen, so sicher wie Ihr dem ihren Folge leisten müßt.«
Mark vergrub die Hände in den Hosentaschen, während er sie unverwandt ansah.
»Ihr seid beunruhigt, Davison. Es ist wegen der Inschriften auf der Tür zum Grab. Sie verwirren Euch.«
Er blickte sie überrascht an. »Ja, das stimmt. Wie habt Ihr …«
»Ihr meint, die Inschrift gleicht keiner anderen in Ägypten. Ich werde Euch den Grund nennen, Davison. Es ist, weil der Mann, der darinnen liegt, nicht seinesgleichen hat.«
»Er hat keinen Namen, keine Horusaugen, durch die er das Tageslicht sehen kann.«
»Ihr habt recht, Davison. Mein geliebter ›Khnaton ist ein Gefangener in diesem Haus. Er wurde nicht zu seiner eigenen Sicherheit dorthin gebracht, sondern um ihn vor der Welt abzuschirmen. Die Priester des Verborgenen glauben, er könne ihnen gefährlich werden.«
»Warum?«
»Sie halten ihn für einen Verbrecher. Sie denken, er habe großes Unrecht begangen und würde es von seinem Grab aus weiter tun.«
»Haben sie ihn deshalb seines Namens beraubt?«
Die Haarflechten ihrer dicken, schwarzen Perücke hoben sich ein wenig im Wind. »Sie erklärten es zur Ketzerei, seinen Namen auszusprechen, denn sie wollen nicht, daß er erwacht. Er liegt in einem tiefen, traumlosen Schlaf. Er weiß nicht, wer er ist. Er hat kein Bewußtsein. Sie haben ihn für alle Ewigkeit in ein Gefängnis gesperrt.«
»Warum wurde er nicht in dem ursprünglich für ihn vorgesehenen Grab im Wadi bestattet?«
»Die Priester des Verborgenen hatten Angst, daß diejenigen, die ›Khnaton liebten und treu zu ihm standen, in die Grabkammer eindringen und ihn zum Leben erwecken würden. So ließen die Priester
ein neues Haus meißeln, das seinen Leichnam aufnehmen sollte, ein geheimes, das niemand finden würde.«
»Und die sieben Dämonen?«
»Sie wurden dorthin gestellt, um jeden daran zu hindern, ›Khnatons Namen auszusprechen.«
»Ist es denn so einfach, ihn zu wecken? Muß man nur seinen Namen sagen?«
»Nein, dazu bedarf es mehr, mein Lieber, weil ›Khnaton ohne einen Namen auf seinem Körper beerdigt wurde. Sein Leichnam ruht ohne Identität. Niemand hat seinen Namen auf ein Amulett geschrieben und es auf sein Herz gelegt.«
»Wurde er ermordet?«
»Nicht einmal die Priester des Verborgenen würden es wagen, Hand an die heilige Person des Pharaos zu legen. Als ›Khnaton erkannte, daß sein Traum gescheitert war und politische Wirren das Land zerrissen, wurde er von tiefer Schwermut ergriffen und starb. Jetzt regiert sein Bruder Tutanchaton an seiner Statt, und dabei ist er noch ein Kind.«
»Wenn sie Echnaton ein für allemal aus dem Weg schaffen wollten, warum haben sie seinen Körper dann nicht zerstört?«
»Sie befürchteten eine Katastrophe, mein Lieber. Den Leichnam des Pharaos zu schänden ist das abscheulichste Verbrechen, dessen sich jemand schuldig machen kann. Wenn es auch schlechte Männer waren, so wußten sie doch um die Folgen eines solchen Frevels. Aber gleichzeitig scheuten sie davor zurück, ihm das ewige Leben zu ermöglichen, weil sein Geist dann im Land umgehen würde. Die Priester befanden sich in einer verzwickten Lage.«
»Nun, sie haben ja eine Lösung gefunden.«
»Bis jemand das Grab öffnet und meinem Gemahl seine Identität zurückgibt. Dann wird sein Zorn über die Priester kommen.«
»Die Priester sind alle längst tot. Echnaton schläft seit dreitausend Jahren.«
»Ist das wahr? Es kommt mir vor wie ein Augenblick …«
Sie brach jäh ab und faßte sich mit ihrer schmalen Hand an die Wange. Mark wühlte in seiner Tasche nach seinem Feuerzeug, und als er es aufleuchten ließ, sah er im Schein der Flamme Alexis’ Gesicht.
»Sie weinen ja …« sagte er sanft und ließ die Flamme ausgehen.
Mit einer anmutigen Handbewegung wischte sie sich die Tränen ab. »Ich bin diese Jahrtausende hindurch so einsam gewesen, während ich auf meinen Geliebten wartete. Ich kann ohne ihn nicht leben! Er ist meine Seele und mein Odem! Die Einsamkeit, Davison, Ihr macht Euch keinen Begriff von der Einsamkeit, die mich auf meiner Wanderung durch dieses öde Tal begleitete …«
»Aber ich dachte …« begann er zögernd. »Man nimmt an, Ihr hättet Euch von Echnaton getrennt und Euch in einen anderen Palast zurückgezogen. War es nicht so?«
Alexis sah Mark mit großen Augen an. »Es war so, aber aus Gründen, die niemand kennt.
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