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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Vergessen für ein paar Stunden. Morgen werde ich wieder wohlauf sein. Gute Nacht!«
    Nachdem ich hinter ihr die Tür geschlossen hatte und an das kleine Tischchen zurückgekehrt war, an dem wir gesessen hatten, sagte Doktor Winchester:
    »Das arme Mädchen ist mit seiner Kraft am Ende. Es soll mich freuen, daß sie sich ausruht. Der Schlaf wird sie beleben, und morgen ist wieder alles in Ordnung. Ihre Nerven sind sichtlich angegriffen. Ist Ihnen aufgefallen, wie aufgeregt sie war, und wie sie errötete, als sie eintrat und uns im Gespräch überraschte? Ein ganz harmloser Vorfall, in ihrem eigenen Haus, mit ihren eigenen Gästen würde sie doch unter normalen Umständen nicht dermaßen aufregen!«
    Ich war im Begriff, ihm als Erklärung zu ihrer Verteidigung zu sagen, daß ihr Eintreten eine Wiederholung von heute morgen war, als sie den Detektiv und mich angetroffen hatte. Da fiel mir ein, daß jenes Gespräch so vertraulich gewesen war, so daß auch nur eine Erwähnung einen Vertrauensbruch dargestellt hätte. Ich ließ die Sache also unerwähnt.
    Wir erhoben uns, um ins Krankenzimmer zu gehen. Doch unterwegs durch den schwach erhellten Korridor, wollte mir der Gedanke nicht aus dem Kopf – und er sollte mich noch tagelang verfolgen –, wie sonderbar es doch war, daß sie mich zweimal im Gespräch unterbrochen hatte, bei dem es um ein solches Thema gegangen war.
    Ja, wahrscheinlich ein seltsames Gewebe von Zufällen, in dem wir alle uns verfangen hatten.
     

7. KAPITEL
     
    DER GROSSE VERLUST DES ORIENTREISENDEN
     
    In jener Nacht verlief alles glatt. Doktor Winchester und ich, die wir wußten, daß Miß Trelawny selbst nicht auf dem Posten war, verdoppelten unsere Wachsamkeit. Die Schwester und Mrs. Grant hielten ebenfalls Wache, und die Detektive machten zusätzlich alle Viertelstunden ihre Visite. Die ganze Nacht über verharrte der Kranke in seiner Trance. Sein Aussehen war gesund, und seine Brust hob sich wie bei einem Kind in leichten Atemzügen. Doch blieb er reglos still. Wäre nicht sein Atem gewesen, hätte er aus Marmor sein mögen. Doktor Winchester und ich hatten unsere Atemgeräte aufgesetzt, die sich in dieser unerträglich heißen Nacht als höchst ärgerlich erwiesen. Zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens verspürte ich Angstzustände und machte abermals jenes unheimliche Gefühl durch, das mir während der vergangenen Nächte schon zur Gewohnheit geworden war. Doch das Grau der Dämmerung, das sich verstohlen an den Rändern der Jalousien zeigte, brachte unaussprechliche Erleichterung. In der kühlen, hoffnungsvollen Dunkelheit, während der Osten sich heller färbte, konnte ich wieder freier atmen. Dieselbe Erleichterung, gefolgt von Ruhe, erfaßte den ganzen Haushalt. Während der heißen Nacht, waren meine auf jedes Geräusch lauernden Ohren, fast schmerzhaft überanstrengt. Fast schien es, als wären mein Gehirn oder meine Sinnesempfindungen mit ihnen ständig in Verbindung. Ein jeder Atemzug der Schwester, jedes Kleiderrascheln, jedes leise Tappen von Pantoffeln, wenn der Polizist seine Runde machte, jeder Augenblick, den ich über ein Menschenleben wachte, schien mich in meinem Wächteramt anzuspornen. Von diesem Gefühl muß sich etwas im ganzen Haus verbreitet haben. Hin und wieder hörte ich von oben rastlose Schritte, und mehr als einmal von unten das öffnen eines Fensters. Mit dem Heraufdämmern des Tages allerdings legte sich das alles, und das ganze Haus schien sich zu erholen. Doktor Winchester ging nach Hause, als Schwester Doris Mrs. Grant ablöste. Meiner Meinung nach war er ein wenig ärgerlich oder enttäuscht, daß sich während dieser langen Nachtwache nichts ereignet hatte, was außergewöhnlicher Natur gewesen wäre.
    Um acht Uhr zeigte sich Miß Trelawny. Ich stellte erstaunt, ja entzückt fest, wie gut ihr die Nachtruhe getan hatte. Sie wirkte so strahlend wie damals bei unserer ersten Begegnung und beim Picknick. Ihre Wangen zeigten wieder eine Andeutung von Farbe, obgleich sie im Gegensatz zu ihren dunklen Brauen und den roten Lippen noch immer erschreckend weiß waren. Ihre wiederhergestellten Kräfte bewirkten wohl, daß die Zärtlichkeit, die sie ihrem kranken Vater gegenüber bewies, jene von früher noch überstieg. Ich wurde meiner Bewegung nicht Herr, als ich sah, wie liebevoll sie seine Kissen zurechtmachte und ihm das Haar aus der Stirn strich.
    Ich selbst war nach der langen Wachperiode todmüde. Da sie jetzt die Krankenwache übernahm, ging ich zu

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