Die sieben Finger des Todes
ungewöhnliches Mädchen gewesen sein, denn als sie Königin wurde, war sie noch ganz jung. Ihre Jugend und ihr Geschlecht ermutigten die ehrgeizige Priesterschaft noch mehr, die um diese Zeit ohnehin schon große Machtfülle besaß. Dank ihres Reichtums, ihrer Vielzahl, und ihrer Gelehrsamkeit beherrschten sie ganz Ägypten, insbesondere den oberen Teil. Ein Umsturz wurde geplant, um die Macht des Königtums auf die Priesterschaft zu übertragen. König Antef aber hatte das vorausgesehen und insofern eine Vorsichtsmaßnahme ergriffen, als er seiner Tochter die Ergebenheit der Armee sicherte. Zusätzlich hatte er sie in der Staatskunst unterweisen und ihr das Wissen der Priester vermitteln lassen. Dazu hatte er sich der Priester eines bestimmten Kultes bedient und sie gegen die anderen ausgespielt, denn beide Gruppen machten sich Hoffnungen, Einfluß auf den König und schließlich auf dessen Tochter zu gewinnen. So war die Prinzessin unter Gelehrten aufgewachsen und hatte sich als überaus begabt erwiesen. Das alles war an den Wänden bildhaft oder in wundervoller Hieroglyphenschrift dargestellt. Wir gelangten zu dem Schluß, daß nicht wenig davon der Prinzessin selbst zu verdanken war, denn man hatte sie gewiß nicht grundlos auf der Stele »Schutzherrin der Künste« genannt.
Doch der König war noch weitergegangen und hatte seine Tochter in der Magie unterwiesen, so daß sie Macht über den Schlaf und den Willen erlangte. Das war echte Magie – »schwarze Magie« – und nicht die der Tempel, die harmloser Natur war, sogenannte »weiße« Magie, eher dazu angetan Eindruck zu machen, als Wirkungen zu erzielen. Tera hatte, als begabte Schülerin ihre Lehrmeister bald weit überflügelt. Ihre Macht und ihre Hilfsmittel hatten ihr viele Möglichkeiten eröffnet, die sie bis zum letzten ausschöpfte. So war sie selbst in die Gruft hinabgestiegen, hatte sich einhüllen und in den Sarg legen lassen und war als Tote einen Monat lang so belassen worden. Die Priester hatten versucht, es so darzustellen, daß die echte Tera bei dem Experiment zu Tode gekommen war, und daß man an ihre Stelle ein anderes Mädchen vorgeschoben hätte. Doch sie hatte ihnen bewiesen, daß sie sich irrten. Das alles wurde in Bildern von großem künstlerischem Wert erzählt. Wahrscheinlich ging von ihrer Zeit der Impuls zur Wiedererlangung der künstlerischen Größe der vierten Dynastie aus, die ihren Gipfel in den Tagen Chufus erreicht hatte.
In der Sarkophag-Kammer gab es Bilder und Schriftzeichen, die erkennen ließen, daß sie den Sieg über den Schlaf davongetragen hatte. Allenthalben wurde ein Symbolismus sichtbar, der selbst in einem Land und in einem Zeitalter der Symbolsprache ungewöhnlich wirkte. Hervorgehoben wurde besonders die Tatsache daß sie, obgleich Königin, alle Privilegien eines männlichen Königs in Anspruch nahm. An einer Stelle war sie in Männerkleidung abgebildet, mit weißer und roter Krone. Im folgenden Bild trug sie Frauenkleidung, aber immer noch die Kronen beider Ägypten, während die Männerkleidung zu ihren Füßen lag. In allen Bildern, in denen es um Hoffnung, um ein Ziel oder um Auferstehung ging, stand zusätzlich das Symbol des Nordens. Und an vielen Stellen – stets bei Darstellungen bedeutender Ereignisse in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – stand das Sternbild des Wagens. Dieses Sternbild sah sie offenbar als mit ihrer Person besonders verbunden an.
Aber die vielleicht bemerkenswerteste Feststellung in den Berichten, sowohl auf der Stele als auch in den Wandinschriften, war jene, daß Königin Tera Macht über die Götter besaß. Es war dies übrigens kein Einzelfall in der Geschichte Ägyptens. Doch war die Ursache hier eine andere. Tera hatte auf einen skarabäusförmigen Rubin, der ein aus sieben Sternen bestehendes Sternbild aufwies, Zauberworte einritzen lassen, mit deren Hilfe sie alle Götter, jene der Ober- und die der Unterwelt, in ihrer Gewalt hatte.
In der Mitteilung wurde nun ausgeführt, daß sie von dem Haß der Priester wußte, die nach ihrem Tod versuchen würden, ihren Namen zu unterdrücken. Und dies war eine gräßliche Rache im alten Ägypten, das lassen Sie sich gesagt sein. Denn ohne Namen kann man nach dem Tod nicht den Göttern vorgestellt werden, und niemand kann für einen Gebete sprechen. Aus diesem Grund hatte sie ihre Auferstehung für eine sehr viel spätere Zeit in einem im Norden gelegenen Land geplant, und zwar unter jener Konstellation, deren sieben
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